Es ist früh am Morgen in Posieux und die Agronomin verstaut Ihre Motorradsachen im Büro. Die Bilder an den Wänden zeugen von einem ländlichen Hintergrund und die vielen Proben und Unterlagen im Büro von einer Frau, die mitten in komplexen Forschungsarbeiten steckt. Dass die landwirtschaftliche Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm wohnt, sondern für die Landwirtschaft forscht, dafür steht Isabelle Morel ein.
Alternativen zu Soja nicht vollständig konkurrenzfähig
Erste Ergebnisse aus der Erforschung möglicher Alternativen zu Soja in der Fütterung von Mastrindern sind bereits bekannt. Die Versuche mit Lupinen, Rapskuchen, Erbsen sowie Gras- und Luzerne-Silage ergaben, dass eine Proteinautonomie von über 90 Prozent möglich ist. Die Alternativen ermöglichten einen Masttageszuwachs pro Tier von durchschnittlich 1400 Gramm. Allerdings war keine der Alternativen in allen Punkten mit Soja konkurrenzfähig.
Dies aufgrund des fehlenden Proteinausgleichs der untersuchten Futtermittel. Sicher könnte die Proteinzufuhr weiter ausgeglichen werden, indem die Kombination von inländischen Quellen optimiert wird.
Der Geschmack ist auch wichitg
Aber Forscherin Morel zweifelt daran, dass man eine Möglichkeit findet, Soja gänzlich zu ersetzen. "Es gibt zum Beispiel maximale Fettgehalte in der Ration, die man berücksichtigen muss. Auch der Geschmack muss beachtet werden, damit es die Tiere noch gerne fressen," begibt sich Morel in die aktuellen Überlegungen aus dem Forschungsalltag. Ideal wäre eine gute Mischungvon Pflanzen, die nicht einzig und allein für die Fütterung angebaut werden. So werden Lupine einzig und allein für die Tierfütterung verwendet, wohingegen Raps in erster Linie für die Ölgewinnung angebaut wird und sein Nebenprodukt für die Tierfütterung verwendet werden kann. Um also den Import von Soja signifikant zu verringern, ist vermutlich nur dessen Anbau in der Schweiz eine Lösung.
Das ideale Rind?
Inzwischen treffen andere Mitarbeiter ein und bringen Proben, stellen Fragen und verraten, dass Morel mitten in einem neuen grossen Forschungsbereich steckt. Es geht um ein Grossprojekt über die Soja-Fütterung hinaus, welches bis jetzt noch wenig bekannt ist. Es geht darum, die ideale Rinderkreuzung abhängig von der Region und den dort zur Verfügung stehenden Futtermitteln für das ideale und gesunde Wachstum in gegenseitiger Abhängigkeit zu erforschen. Und weil hierfür ohnehin schon eine sehr grosse Menge an Daten erhoben werden muss, wird auch noch gleich der Methan-Ausstoss der Tiere gemessen und verglichen. Letzteres geschieht über eine Maschine namens "GreenFeed." "Wir erhalten Einblicke in die unterschiedlichen Methanausscheidungen je nach Ration und Rassenkreuzung," erklärt Morel ein politisch hoch brisantes Teilelement der Forschung. Selbst das Fernsehen der französischsprachigen Schweiz, TSR, war unlängst vor Ort, um diesen Bereich zu thematisieren.
"Regio-Beef" soll helfen
Morel will aber nicht nur forschen, sie will helfen. Die Landwirte sollen konkrete Informationen erhalten, wie sie ihre heimische Produktion optimieren können, im Rahmen des Möglichen, des Gesunden und der Nachhaltigkeit. Im Projekt "Regio-Beef," das noch bis 2021 andauert, wurde gegenüber des vorherigen Projektes Minotor ein genetischer Aspekt hinzugefügt. Unterschieden werden Rindermast im Flachland, im Hügelgebiet und im voralpinen Gebirge. Das Flachland-Experiment befindet sich aktuell in der Phase der Datenerhebung, wohingegen die Hügel- und Voralpine-Gruppen erst zu einem späteren Zeitpunkt erforscht werden. In allen drei Versuchen werden Mastrinder aus Rassenkreuzungen zwischen Braunvieh als Mutterrasse und entweder Limousin, Simmental oder Angus als Vaterrasse eingesetzt.. Gefüttert werden die Tiere - typisch Mittelland - mit einem Grossteil Maissilage. In einer der getesteten Rationen werden auch Nebenprodukte wie beispielsweise Zuckerrübenschnitzel eingemischt.
High-Tech am Stall
Im Rahmen von Regio-Beef werden aber noch weitere Neuheiten der Forschungsinfrastruktur eingesetzt. Zum einen haben kürzlich die Forschungen mit einem "Morpho-3D" begonnen. Diese Apparatur am Stalleingang misst das Volumen und erstellt regelmässig 3D-Bilder aller Tiere, so dass kleinste Veränderungen der Entwicklung der Masttiere wahrgenommen werden können. Es handelt sich um einen Prototyp.. Zum anderen wird der RFI (Residual Feed Intake) gemessen, ein Durchschnittswert im Verhältnis von geschätzter zu tatsächlicher Futterzunahme. Welche Tiere verwerten ihr Futter besser, brauchen weniger Futter oder welches Futter wird von welcher Rinderrasse am besten verwertet? "Wir sind mitten in den Forschungen, aber wir können schon jetzt sagen, dass wir grosse Unterschiede feststellen;" verrät Morel.
Grosse Unterschiede bei der Effizienz erwartet
Relevant sein dürfte auch das Resultat des Isotops N15. Im Biomarker erkennen die Forscher, wie effizient die Proteinfraktion der einzelnen Futtermittel verwertet werden. "Auch hier erwarten wir grosse Unterschiede," erklärt Morel und zeigt auf eine ganze Palette an getrockneten Kotproben im Büro, die darauf hinweisen, dass auch die Verdaulichkeit des Futters untersucht wird.
Die Komplexität dieser gross angelegten und mehrschichtigen Forschung ist beeindruckend. Man ist froh, dass Morel den Überblick hat, denn die gegenseitigen Abhängigkeiten all dieser Messungen sind vielschichtig und die Erforschung dient gleich mehreren Zielen.
Hoffnung auf das Optimum
Die Resultate dürften die Landwirte brennend interessieren; mögliche Verbesserungen bei der eingesetzten Rassenkreuzung, den Futtermitteln, dem Methan-Ausstoss, der Gesundheit und nicht zuletzt der Wirtschaftlichkeit ermöglichen für die Betriebe konkrete und punktuelle Optimierungen, ohne dass sofort ein ganzer Betrieb umgestellt werden muss. "Die ersten Resultate haben unsere Hoffnung bestärkt, dass wir in der Lage sind, je Region möglichst optimale Rassenkreuzungen mit den nahezu idealen Fütterungsbedingungen hervorzubringen", zeigt sich Isabelle Morel zuversichtlich.