Es sei ein wichtiger Erfolg, teilte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen im Oktober 2021 mit: Nach langjährigen Verhandlungen sei die Ausfuhrbescheinigung für Rindfleisch von Japan akzeptiert worden. Das klingt erstmal nach einer eher langweiligen und bürokratischen Neuigkeit. Tatsächlich aber gibt es dabei einige interessante Facetten, zumal Fleisch auf dem Teller in Japan während Jahrhunderten verboten war.

Fleisch als Heil- statt als Lebensmittel

675 sei in Japan das erste gesetzliche Verbot zum Konsum vierbeiniger Tiere erlassen worden, ist in einem Info-Artikel der japanischen Botschaft in Deutschland zu lesen. Basierend auf dem buddhistischen Glauben habe man es als falsch erachtet, Tiere zu töten. In der Shinto-Religion galt der Fleischverzehr als unrein, Hühner und Hähne sah man als Boten von Gottheiten, weshalb bis ins 15. Jahrhundert auch Geflügel und Eier tabu waren.

Der Fleischverzicht war allerdings weder vollständig noch in allen Regionen Japans gleichermassen strikt, heisst es weiter. So jagte man Wild und hielt sich mancherorts sogar Vieh. Gelegentlich sei «Kusuri-gui» praktiziert worden, das Essen von Wildfleisch zu medizinischen Zwecken.

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Die Zubereitung vom Ausland erlernt

Die Wende kam ab 1868 mit der Meiji-Restauration, schildert die japanische Botschaft. Der damalige Kaiser wünschte sich für den Aufbau einer modernen Industrienation grössere und kräftiger gewachsene Menschen, da Japaner zu diesem Zeitpunkt eher schmächtig gewesen seien. Mit diesem Ziel wurde der Konsum von Fleisch und Milchprodukten gefördert. Darüber, ob der Plan aufging, werden keine Angaben gemacht.

Da Fleisch somit historisch gesehen in Japan eine neue Zutat war, musste die Zubereitung quasi importiert werden. Erst später seien die Gerichte an die traditionelle Küche angeglichen worden, beispielsweise mit den typischen Gewürzen und kleineren Stücken, die gut mit Stäbchen geangelt werden können.

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Primär aus den USA und Australien

Heute machen die Importe von Rindfleisch und daraus hergestellten Produkten laut der Schweizerischen Industrie- und Handelskammer in Japan wertmässig 20 Prozent der Einfuhren aus. Nur wenige Länder seien als Exportpartner zugelassen, die Rindfleischimporte von den USA und Australien mit 50, respektive 45,5 Prozent dominiert.

Seit Oktober gehört nun auch die Schweiz zu diesem kleinen Kreis zugelassener Rindfleischlieferanten. Eine Chance, die es zu nutzen gelte, findet die Plattform Agrarexport (PAE).

Verbot nach 30 Jahren aufgehoben

Der Grund für das Exportverbot von Schweizer Rindfleisch war nach Auskunft des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) der Ausbruch der BSE-Krise vor 30 Jahren. Erst 25 Jahre nach dem ersten Auftreten der Bovinen spongiformen Enzephalopathie erhielt die Schweiz das Prädikat «Land mit vernachlässigbarem Risiko» für diese Seuche von der Weltorganisation für Tiergesundheit zugesprochen. Im Anschluss habe man intensive Verhandlungen mit Japan aufgenommen, um das Importverbot aufzuheben, schildert das BLV. 2016 folgte die Zulassung für frisches Rind und nun jene für alle Rindfleischprodukte von Tieren, die nicht älter als 30 Monate sind.

Das Interesse ist da, von beiden Seiten

«Vor dem Embargo hatten einige Schweizer Betriebe bereits bestimmte Fleischprodukte nach Japan exportiert» schreibt die PAE auf Anfrage der BauernZeitung. Man habe also bereits die Erfahrung gemacht, dass die Japanerinnen und Japaner ein Interesse an Schweizer Fleischwaren haben. Was den Konsum angeht, scheint sich der Inselstaat den westlichen Industrienationen anzunähern: «Obwohl Japan kulturell lange Zeit als ein Land galt, das Fisch dem Fleisch vorzieht, neigen die Japaner laut jüngsten Statistiken nun dazu, mehr Fleisch als Fisch oder Meeresfrüchte zu essen», so die PAE. Man könnte demnach erwarten, dass auch die Nachfrage nach importierten Fleischprodukten steigen wird.

Seit der Wiederaufnahme der Verhandlungen haben verschiedene Schweizer Betriebe laut der PAE Interesse am Exportmarkt Japan bekundet. Als mögliche Produkte werden Fleischspezialitäten (z. B. Rohpökelerzeugnisse wie Bündnerfleisch), Edelteile oder auch Rindfleischnebenprodukte genannt.

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Wie auf einem völlig neuen Markt

Trotz einiger Erfahrung von vor 30 Jahren präsentiert sich Japan heute für die Schweizer Fleischwirtschaft ähnlich wie ein gänzlich neuer Markt. Bevor exportiert werden kann, müssen Marktnischen gefunden und Partnerschaften sowie Handelsbeziehungen aufgebaut werden, gibt die PAE zu bedenken. Dann gilt es, die jeweiligen Produkte beim japanischen Publikum zu bewerben. Welche Mengen schlussendlich tatsächlich Absatz finden, sei aktuell schwer abzuschätzen und unter anderem vom Erfolg der Werbung abhängig. Dass eine gute japanische Nachfrage nach Schweizer Ware hierzulande den Bedarf nach Rindfleisch für die Verarbeitung mittelfristig steigern wird, steht ebenfalls noch in den Sternen. «Laut einigen Experten aus der Fleischbranche ist dies aber eher unwahrscheinlich», heisst es bei der PAE.

Der japanische Markt ist allerdings noch nicht ganz offen – entsprechende Verhandlungen sind aber im Gange.  

Mit der Meiji-Restauration nahm auch der Käsekonsum in Japan Fahrt auf. Es gibt japanische Milch- und Käseproduzenten, 2019 kam erstmals einer von ihnen an den World Cheese Awards unter den weltweiten Top Ten – die Milch für den prämierten Käse stammte laut der Schweizerischen Industrie- und Handelskammer (SCCIJ) von Schweizer Braunvieh-Kühen.

Japaner essen auch Schweizer Käse

Heute gebe es in jedem japanischen Supermarkt eine Käseabteilung und in immer mehr Restaurants werde Fondue angeboten. In Asien sei der Käsekonsum (gemäss SCCJI 2,6 Kilo pro Kopf und Jahr) heute in ganz Asien am höchsten, schreibt die Swiss Cheese Marketing AG (SCM) in ihrem Jahresbericht 2020. Das Inlandangebot könne die rasch steigende Nachfrage nicht decken, weshalb die Käseimporte hoch seien. Eine Schlüsselrolle spricht man Gruyère zu, der 50 Prozent des Exportvolumens ausmache. Nachdem eine Werbeoffensive an den olympischen Spielen 2020 corona-bedingt ins Wasser fiel, verstärkte die SCM ihre Werbetätigkeiten auf den digitalen Kanälen. Immerhin hat Schweizer Käse bei Japanerinnen und Japanern ein sehr gutes Image – und ist bekannt: in einer Umfrage nannte immerhin die Hälfte der Teilnehmenden in Japan spontan die Schweiz als Käse-produzierendes Land. In den USA lag dieser Wert 2020 bei rund 40 Prozent.

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