Der offene Brief von Swisscofel war ziemlich direkt. Der SBV unterliege einer «gnadenlosen Fehleinschätzung», wenn er den Handel als gnadenlos bezeichne. Es gebe bereits zahlreiche Gemüse- und Obstproduzenten, welche bestens umgehen könnten mit den Anforderungen der nachgelagerten Stufen. Zudem habe man sich in der Corona-Krise bezüglich Qualitätsanforderungen kulant gezeigt. Der Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels reagierte damit auf die Neujahrsmedienmitteilung des SBV, in der dieser forderte, dass angesichts des ständig verkleinerten Arsenals bei den Pflanzenschutzmitteln auch der Handel mit seinen Qualitätsansprüchen runterschrauben müsse. SBV-Direktor Rufer bekräftigt diese Haltung im Interview.

Martin Rufer, Swisscofel fuhr diese Woche eine scharfe Attacke auf den SBV. Was ist der Hintergrund, gibt es da eine alte Fehde?

Martin Rufer: Nein, es gibt keine offenen Rechnungen. Wir haben sicher immer wieder Diskussionen über die Qualitätsanforderungen. Hier braucht es eine Weiterentwicklung mit gewissen Anpassungen zur Verminderung von Food Waste; aber auch, damit wir mit immer weniger Pflanzenschutzmitteln (PSM) weiter produzieren können.  Grundsätzlich sind wir gute Partner in der Wertschöpfungskette, auch wenn es jetzt etwas grob hin und her gegangen ist. Der SBV vertritt die Interessen der Produzenten, Swisscofel diejenigen des Handels.

Was meinen Sie mit gewissen Anpassungen?

Wir verlangen vom Handel, dass er generell etwas toleranter wird in Sachen Qualitätskriterien, sonst können wir gar nicht mehr mithalten mit unseren Produkten. Mit dem Absenkpfad Pflanzenschutzmittel wird die pflanzliche Produktion generell schwieriger. Und wir haben das Thema Food Waste, das auch im Kontext mit der Klimapolitik wichtig ist. Deshalb braucht es diese Weiterentwicklung als Beitrag des Handels und der Konsumenten.

Sind da schon Verhandlungen im Gang?

Ja, Swisscofel hat uns gesagt, diese Prozesse seien eingeleitet. Wir wollen einfach, dass es zügig vorwärts geht, weil auch die genannten Einschränkungen im Eilzugstempo kommen werden, bzw. schon da sind.

Swisscofel schreibt, während der Corona-Krise habe man bereits sehr flexibel reagiert mit gesenkten Anforderungskriterien. Sehen Sie das anders?

Im der ersten Corona-Lockdown gab es tatsächlich die Möglichkeit, grössere Kaliber aus dem Gastrokanal in den Detailhandle zu bringen. Das war sehr positiv. Aber wir erhalten regelmässig Rückmeldungen von Produzenten, die uns sagen, dass die Anforderungen in der Regel streng vollzogen werden und dass einzelne Händler zusätzlich zu den Branchenanforderungen noch weitergehende Kriterien definiert haben.

Fällt da jemand besonders negativ auf?

Nein, die Branchenakteure machen das alle etwa gleich.  

Swisscofel wirft Ihnen vor, den Standard SwissGAP hintertrieben zu haben, ist da was dran?

Nein, wir hintertreiben nichts. Aber wir wussten, dass sich die Kartoffelproduzenten grosse Sorgen machen. Ich war an der Versammlung damals in Kilchberg dabei und es wurden SwissGAP-Ordner verbrannt. Wir haben da nicht applaudiert, müssen aber die Sorgen der Produzenten ernst nehmen.

Im Brief von Swisscofel folgt überschwängliches Lob für Gemüse- und Obstproduzenten, ist das ein Versuch, die Produzenten auseinander zu dividieren?

Nein. Wir haben immer wieder Rückmeldungen von Gemüse-, Obst- und Kartoffelproduzenten, die das nicht so idyllisch beurteilen, wie Swisscofel.

Swisscofel wirft Ihnen indirekt vor, alte Pfründe zu verteidigen und neue Sonderrechte zu verlangen, was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Das stimmt natürlich überhaupt nicht. Die Landwirtschaft ist in einem extremen Veränderungsprozess und bleibt stark gefordert. Es ist falsch zu behaupten, dass nichts passiert. Wir fordern vor dem Hintergrund dieser grossen Dynamik die erwähnten Anpassungen. Es braucht in der ganzen Wertschöpfungskette Bewegung. Wir sind auch nicht der nicht der Meinung, dass es keine Qualitätsstandards braucht, sie müssen einfach sinnvoll sein.