Wer nach Richtpreisen für die Direktvermarktung sucht, der stellt bald einmal fest, sie kommen fast alle aus einer Feder. Der Wallierhof in Riedholz SO publiziert regelmässig Preise für Direktvermarktung. Seit 16 Jahren ist es Philipp Gut, der diese Preise in viel Kleinarbeit bei Direktvermarktern erfragt – oder sie auch mal aus dem Ärmel schüttelt.

Philipp Gut, Sie haben während 16 Jahren die Preise für Direktvermarkter recherchiert. Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe?

Philipp Gut: Das habe ich meinem Vorgänger zu verdanken, der nicht so gerne «nein» sagte. Von ihm habe ich all diese Aufgaben übernommen wie etwa auch die Liköre aus unseren Obstbränden zu mischen, eine Aufgabe, die ich sehr gerne ausübe.

Die Preise für die Direktvermarktung erheben Sie allerdings nicht mehr weiter. Mit einem lachenden oder einem weinenden Auge?

Ich bin froh, habe ich mit Stefanie Rohn eine Nachfolgerin gefunden, sodass die Preise weiterhin publiziert werden können. Ich kenne mich bei Obst und Gemüse gut aus und die anderen Preise waren für mich schwierig – ich wollte nichts «Halbbatziges» machen. Die Ansprüche diesbezüglich sind gestiegen, aber es sind ja manchmal nicht kalkulierte Preise, sondern ich frage bei etablierten Anbietern nach, was ein realistischer Preis ist. Aber das sind nur Richtwerte und jeder Betrieb muss dies seinen Gegebenheiten anpassen.

Woher kommt ihre Leidenschaft für die Direktvermarktung?

Ich bin ursprünglich eidgenössisch diplomierter Verkaufsleiter und Verkaufskoordinator. Ich kam vom Pflanzenschutz her und kannte mich bei Obst- und Beerenanbau sehr gut aus. So kam ich zu den Preisen und so anstrengend es ist, so interessant ist es, wenn du zu einem Forellenzüchter gehst und fragst, was denn so ein Filet kostet. So habe ich mir Produkt um Produkt erarbeitet.

Wie ist die Idee entstanden, dass man den Direktvermarktern einen Anhaltspunkt geben müsste, zu welchem Preis sie ihre Produkte verkaufen können?

Mein Vorgänger sagte jeweils, man müsse den Landwirten sagen, was ihre Arbeit wert sei, sonst würden sie ihre Produkte verschenken. Der Landwirt war sich oft nicht bewusst, dass in der Direktvermarktung Äpfel mehr kosten müssen, als wenn er sie in die Landi bringt. Zu Beginn hat man noch wenig gerechnet, sondern mal einen Preis aus dem Ärmel geschüttelt. Bei einigen Produkten hat man dann nach einiger Zeit gemerkt, dass es nicht mehr stimmt oder ein «Seich» ist.

Hat sich inzwischen das Preisbewusstsein der Direktvermarkter verbessert?

Es gibt sicher mehr Möglichkeiten sich zu informieren mit dem Internet und so. Früher waren wir oft die einzige Informationsquelle und mein Vorgänger war gut darin, mutig mal etwas in die Welt zu setzen. Ich sage im Zweifelsfall jeweils lieber nichts. Es gibt teilweise seltsame Mechanismen in der Verkaufspsychologie und es ist sicher gut, wenn man die kennt. So tut es weh, eine Depotflasche wegzuwerfen, auf der anderen Seite wechseln wir die Krankenkasse nicht, obwohl wir viel Geld sparen könnten.

Wie werden denn nun die Preise festgelegt?

Manchmal muss man einfach mal mutig etwas probieren. Es gibt so Massenprodukte, wie Kartoffel und Äpfel, da haben die Leute die Preise im Kopf und reagieren sensibel, wenn es teuer wird. Aber wenn die Bäuerin noch aus Kräutern kleine Duftsträusse macht und die für 18 Franken verkauft, dann hinterfragt das niemand. Grundsätzlich lässt sich mit verarbeiteten Produkten mehr Geld verdienen als mit einem gewöhnlichen Salatkopf, den man überall kaufen kann. Ein Beispiel sind auch Schnittblumen. Erhöht man dort den Preis, sinkt sofort die verkaufte Menge oder die Leute geben sich dann plötzlich selber Rabatt und nehmen noch eine Blume gratis dazu. Bei anderen Produkten muss man frech genug sein und die Leute kaufen es, fast egal zu welchem Preis.

Warum ist es denn so schwierig seinen Aufwand für die Direktvermarktung zu berechnen?

Grundsätzlich unterschätzt man es immer, wie viel Zeit man in die Direktvermarktung investiert. Schon nur alle die Kunden, die noch mit einem «brichten» wollen. Man sieht das ja auch bei der Migros, die sind ja jetzt auch nicht so weit gekommen, obwohl sie soviel Marge draufschlagen. Wenn man einen schönen Laden will und anständig bezahltes Personal mit den üblichen Sozialleistungen, das auch mal mit den Kunden redet, dann kostet das halt Geld. Das merkt man erst, wenn man selbst vermarktet, was es bedeutet, wenn jeder Kunde noch eine Viertelstunde mit dir redet. Diese Produzenten finden dann plötzlich die Marge der Grossverteiler nicht mehr so überrissen.

«Jeder züchtet sich selber seine Käuferschaft.»

Philipp Gut, Leiter Fachstelle Spezialkulturen, Wallierhof, Riedholz SO

Wo sehen Sie die Gefahren für die Direktvermarkter?

Ich glaube, es ist kein Zufall, dass ich gerade mehrere Direktvermarkter kenne, die ein Burnout haben. Scheinbar ist diese Gefahr real und ich warne auch die Landwirte immer wieder davor den Aufwand zu unterschätzen. Kunden zu erziehen, ist schwierig. Es kommen immer wieder frische und die, die man zu fest erzieht, die kommen nicht mehr. Auch keine gute Idee ist es, wenn man nur Rappenspalter anzieht. Solche preisbewussten Kunden ziehen weiter, sobald sie irgendwo ein billigeres Angebot finden.

Gibt es regionale Unterschiede bei der Direktvermarktung?

Ja, es ist sicher im Emmental, wo die Kundschaft ihr Geld nicht so einfach verdient, auch schwieriger, auf die Produkte eine ausreichende Marge zu schlagen. Einer, der in der Agglomeration Genf vermarktet, wo den Menschen das Geld lockerer sitzt, hat es diesbezüglich einfacher. Ein Kopfsalat lässt sich beispielsweise in Genf locker doppelt so teuer verkaufen als hier in der ländlichen Gegend.

Kann der Direktvermarkter auch Obst und Gemüse verkaufen, das nicht den Anforderungen des Grosshandels entspricht?

Ein Stück weit sicher. Für einige Kunden ist es ein gutes Gefühl, wenn sie Produkte «retten» können. Auf der anderen Seite ist auch der Weg sehr kurz, wenn er reklamieren will. Ist ein Produkt nicht gut, wird er dir das beim nächsten Einkauf mitteilen. Beim Grossverteiler ist der Aufwand viel grösser, sich zu beschweren.

Wie wichtig ist das Thema Pflanzenschutz in der Direktvermarktung?

Meine Erfahrung ist es, dass es zwar immer wieder Leute gibt, die wegen Spritzmitteln schnöden, aber sobald ein Wurm in der Kirsche ist, wird es nicht mehr gegessen. Die Angst vor Schädlingen ist allgemein grösser, als die vor Pestiziden. Auch bei Tannenbäumen sind Pflanzenschutzmittel immer wieder Thema. Aber es sind ja alle Mittel lebensmitteltauglich und die Bäume werden spätestens im Sommer nochmal behandelt. Über einen solchen «Seich» diskutieren wir auch immer wieder mit Einkäufern der Grossverteiler. Aber wehe, es kriecht in der warmen Stube eine Zecke oder eine Laus aus dem Tannenbaum, dann haben wir das grösste Drama. Da sind die Leute schizophren.

Also ist der Mehrheit dieses Thema nicht so wichtig?

Es ist eine laute Minderheit, welche solche Themen bewirtschaftet. Wie auch immer vor Weihnachten die Frage nach dem nachhaltigsten Tannenbaum aufkommt – ob es der im Topf sei. Da muss man doch aufhören, wenn man mit einem Christbaum die Welt retten will und daneben mit zwei Tonnen Auto herumfährt. Der Natur ist es egal, ob zehn Bäume zehn Jahre wachsen oder einer hundert Jahre. Ein Tannenbaum ist wie Rasenschnitt; ein Naturprodukt, das man kompostieren kann – eine Kreislaufwirtschaft.

Was raten Sie den Direktvermarktern, die sich fürchten den Kunden «nein» zu sagen?

Jeder züchtet sich seine Käuferschaft selber. Wer nie nein sagt und rund um die Uhr für seine Kunden da ist, der zieht entsprechende Menschen an. Grundsätzlich kann man immer «nein» sagen und es passiert meistens weniger als man fürchtet. Man darf auch mal einem Kunden sagen, dass der Laden zu ist und zu bleibt. Da muss man meiner Meinung nach konsequent sein. Aber das ist leichter gesagt als getan. Das muss man halt abwägen und auf einen «Löli» auch mal verzichten. Allgemein ist der Ton auf der Welt gehässiger geworden. Die Leute fragen nicht anständig nach, sondern rufen direkt aus. Auch darum bin ich froh, muss ich mich nicht mehr für jeden Preis rechtfertigen und erklären, warum etwas zehn Rappen rauf oder heruntergeht.