Tomaten, Peperoni, Gurken, Kopfsalat, Brokkoli und Himbeeren, all das ist in Grossbritannien seit einigen Tagen Mangelware, die je nach Supermarkt rationiert wird. Man führt dies laut Medienberichten auf Trockenheit, Hagel, Kälte und Überschwemmungen in Spanien und Marokko zurück, zusätzlich hätten Stürme den Schiffstransport beeinträchtigt. Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel liegt angesichts dieser Wetterextreme nahe.

Im Inland zu teuer

AuslandBritische Supermarktketten rationieren Gemüse- und ObstsortenDonnerstag, 23. Februar 2023 Auch britische Landwirte produzieren über den Winter Gemüse, die wärmebedürftige Ware ist aber auf Beheizung angewiesen. Die hohen Energiepreise führten dazu, dass sie und ihre Kollegen in den Niederlanden die Produktion zurückgefahren haben, heisst es bei der BBC. Ausserdem seien die vom Handel bezahlten Preise zu tief und britische Gemüsebauern von der Regierung von Energiesubventionen ausgeschlossen worden.

Der «Blick» hat die Geschichte aufgenommen und zusätzlich bei Swisscofel nach der Lage in der Schweiz gefragt. Demnach sei nicht mit einem generellen Versorgungsproblem zu rechnen. Importe würden lediglich schwieriger und teurer, wird Swisscofel-Direktor Christian Sohm zitiert. Im Übrigen bringen gestiegene Energiepreise auch hiesigen Gemüsebauern Mehrkosten und können ein Grund für die Umstellung der Produktion z. B. auf Kalthäuser sein. Hinzukommt die Strategie des Schweizerischen Gemüseproduzentenverbands, die mit ihrem Ziel, bis 2040 alle Gewächshäuser fossilfrei zu beheizen, vor eine weitere Herausforderung stellt.

Wie war das mit der Saison?

Abschliessend hält der «Blick» fest, im Winter werde hierzulande mehr Gemüse importiert, da in dieser Zeit «viele Produkte einfach nicht angebaut werden können.» Wohl wahr, Minustemperaturen machen den Anbau tatsächlich schwierig, bzw. im Freiland z. B. für Kopfsalat unmöglich. Gut gibt es die spanischen Bauern, dank derer es auch im Winter Tomaten, Peperoni und Zucchetti gibt.

Jetzt bitte eine Denkpause einlegen. Wir reden hier von Tomaten. Es ist Februar. Warum spricht in diesem Zusammenhang eigentlich niemand über Saisonalität?

Appell kommt gar nicht gut an

Wobei, zumindest eine Person hat sich öffentlich in diese Richtung geäussert: Umweltministerin Therese Coffrey rief dazu auf, inländische Produkte zu geniessen. Ihre politischen Gegner werfen ihr nun laut BBC eine «Lasst sie Rüben essen»-Strategie vor. Man vergleicht sie damit mit der französischen Königin Marie Antoinette aus dem 18. Jahrhundert, die ihr Volk angesichts von Hunger in ihrer Abgehobenheit zum Kuchenessen aufgefordert haben soll. Das Zitat war übrigens fehlerhaft übersetzt und die tatsächliche Quelle ist unklar, wie in einem Faktencheck der deutschen Presse Agentur zu lesen ist.

Und genauso unfair ist die gehässige Reaktion auf Coffreys Appell. Denn eigentlich hat sie doch vollkommen Recht.

Wo sind denn die Rüben?

Beim Blick auf die Gemüseauslagen bei Coop und Migros präsentieren sich die Kistchen gut gefüllt. Allerdings vor allem mit Importware. Nicht selten sucht man z. B. Knollensellerie, Kürbis oder Wirz vergeblich, während sich Zucchetti, Peperoni und Auberginen türmen. Nicht zu vergessen die Erdbeeren, die zum Valentinstag natürlich nicht fehlen durften. 

Sie weiss es immer noch nicht

Es hat kaum einen Zweck, nach den Gründen für die faktische Abwesenheit der Saisonalität im Supermarkt zu fragen. Die Detailhändler werden auf die Nachfrage ihrer Kundschaft verweisen und diese kauft, was da ist und hat oft gar keine Ahnung, was eigentlich Saison hätte. Man ist versucht zu sagen: Sie weiss es immer noch nicht.

Aber wie soll es ein Durchschnittsschweizer auch merken, dass Tomaten in den Sommer gehören? Offensichtlich reicht es nicht, dass er im Winter seinen Rasen nicht mähen kann – dass die Kälte sich auch auf die Gemüseproduktion auswirkt, ist zum Denken zu weit. Und Unterstützung in Sachen Information ist beim Detailhandel rar. 

Es bleibt nur eins

Frust ist beim Thema Saisonalität und Konsum somit vorprogrammiert. Es bleibt nichts anderes übrig, als es allen in Reichweite immer wieder um die Ohren zu hauen: Es ist Winter, das heisst, es gibt Wintergemüse, Eingemachtes, Getrocknetes, Tiefgefrorenes. Denn wir brauchen keine Tomaten aus beheizten Gewächshäusern. Verspüren Sie Lust auf Tomaten-Risotto? Ich empfehle sonnengereifte Dosen-Pelati. Wenn wir gerade dabei sind, statt Reis eignen sich hier auch Schweizer Getreidekörner oder Hirse – und dazu einen Selleriesalat.

Gut gibt es die Schweizer Bauern, dank derer wir Wintergemüse geniessen dürfen. Nach Lust und Laune kombiniert mit Haltbargemachtem, das von den wärmeren Monaten träumen lässt. Bis wir wieder bei einheimischen Tomaten zugreifen können – wenn das Wetter mitspielt. Auch so ein Einflussfaktor, den man der breiten Bevölkerung besser erklären sollte.