Wie meistens, wenn es um Aussenpolitik geht, wird auch die Hühnersuppe wohl nicht so heiss gegessen, wie sie derzeit gekocht wird. Jedenfalls betont das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage der BauernZeitung, die Behandlung von Pouletfleisch mit Chlor zur Desinfektion sei in der Schweiz – wie auch in der EU – nicht erlaubt.
Keine Absicht, Bestimmungen zu ändern
Die Hygienebestimmungen für Lebensmittel tierischer Herkunft seien im Rahmen des bestehenden Landwirtschaftsabkommens bereits heute äquivalent mit denen der EU, so das BLV. Es bestehe keine Absicht, dies in Bezug auf Chlorhühner zu ändern.
Damit steht fest: Das BLV hat nicht die Absicht, mit der EU über eine Ausnahme für Chlorhühner zu verhandeln. Denn damit die Schweiz, wie von der Sonntagspresse vermeldet, den USA den Import von Poulet, das mit Chlor behandelt wurde, in Aussicht stellen könnte, bräuchte es eine Abänderung des bilateralen Landwirtschaftsabkommens mit der EU.
US-Präsident Trump will Marktzutritt schon lange
Die Einfuhrbeschränkung der EU bezüglich tierischer Produkte aus den USA waren dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump schon in seiner ersten Legislatur ein Dorn im Auge. So verbietet die EU ausdrücklich den Import von Rindfleisch von hormonbehandelten Tieren sowie von Pouletfleisch, das mit Chlor sterilisiert wurde.
Die Verhandlungen im Jahr 2020 bezüglich einer Marktöffnung, geführt zwischen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Trump, endeten ergebnislos. Eine Niederlage, die Trump vonseiten der US-Landwirtschaft scharfe Kritik einbrachte. In den USA zeigte man wenig Verständnis bezüglich der europäischen Vorbehalte gegen Hormon- oder Chlorbehandlungen.
Dass sich die Schweiz aktuell aufgrund der Zollstreitigkeiten mit den USA verhandlungsbereit zeigen muss, nutzt die Trump-Regierung nun offenbar für einen neuen Anlauf aus, um Poulet nach Europa zu bekommen – sozusagen durch die Schweizer Hintertür.
Veterinärabkommen mit der EU regelt Importe
Bereits beim Hormonfleisch konnten die USA in den Verhandlungen mit der Eidgenossenschaft einen Erfolg erzielen. Damit dieses nämlich hierzulande verkauft werden darf, brauchte es eine Ausnahmegenehmigung in den Bilateralen Verträgen mit der EU. Dort ist nämlich geregelt, dass die Schweiz mit der EU einen gemeinsamen Seuchenraum bildet.
Dieses sogenannte Veterinärabkommen regelt, welche tierischen Produkte importiert werden dürfen. Poulet, das mit Chlor desinfiziert wurde, ist dort ganz klar ausgeschlossen – ein Verfahren, das in den USA häufig angewendet wird.
Kein Verschleiern von allfällig mangelhafter Hygiene
Die europäische Geflügelbranche wie auch das BLV verfolgen diesbezüglich eine andere Strategie: Die Lebensmittelgesetzgebung schreibt vor, dass Lebensmittel hygienisch, sicher und nach der guten Verfahrenspraxis produziert werden müssen. Mangelnde Hygiene bei der Produktion durch ein technologisches Verfahren auszumerzen oder zu verschleiern, sei unzulässig, beschreibt das BLV die europäische Praxis.
Trump hat Abkommen nicht unterzeichnet
Eine mögliche Verhandlungsbereitschaft des Bundesrates gegenüber den USA hat die Sonntagspresse zur Sprache gebracht. Der genaue Inhalt der Gespräche zwischen dem Bundesrat und den USA ist geheim.
Doch die «NZZ am Sonntag» schreibt, dass in der unterbreiteten Absichtserklärung gestanden habe: «Die Schweiz beabsichtigt, mit den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten, um spezifische Massnahmen anzugehen, die den Marktzugang für US-Geflügelfleisch und -produkte einschränken» – ein Abkommen, das Trump indes nicht unterzeichnete.
Wegen des tiefen Selbstversorgungsgrades auf Importe angewiesen
Dass sich die Schweiz gerade beim Poulet verhandlungsbereit zeigt, dürfte auf den tiefen Selbstversorgungsgrad zurückzuführen sein. Nur 63 % des Geflügels stammen aus einheimischer Produktion. Dass Importe mit dem nötigen Grenzschutz und einer adäquaten Deklaration nötig sind, dürfte also auch in der Landwirtschaftsbranche auf wenig Widerspruch stossen.
USA sind grösster Poulet-Produzent
Die USA sind weltweit der grösste Produzent von Geflügel. Laut Schätzungen dürften dort heuer 21,7 Mio Tonnen Geflügel produziert werden. Rund 3,25 Mio Tonnen Geflügel exportieren die USA in 150 Länder – dies hat einen Marktwert von rund fünf Milliarden US-Dollar. Weltweit wird die Geflügelproduktion auf 105,8 Mio Tonnen geschätzt. Rund jedes fünfte Mastpoulet wird also in den USA gemästet. Zum Vergleich: Die Schweiz hat im vergangenen Jahr laut Proviande 143 444 Tonnen Geflügel gegessen, davon kamen 90 722 Tonnen aus einheimischer Produktion.
Chlorbad fürs amerikanische Poulet
Abgesehen von strengeren Tierschutzstandards und gentechfreier Fütterung verbietet die Schweiz wie auch die EU die Behandlung der Schlachtkörper mit Chlor. In den USA wird diese Methode häufig angewendet, um das Pouletfleisch von Salmonellen und Campylobacter zu befreien. Dazu werden die geschlachteten Hühner in ein Chlorbad eingetaucht und danach mit Wasser gespült. Dieses Verfahren ist der Hauptgrund, dass die USA kein Geflügel in die EU exportieren dürfen. Aber auch bezüglich Medikamenteneinsatz entsprechen die Vorschriften in den USA nicht den europäischen Regeln.
Wachsender Schweizer Markt
Aufgrund der guten Preise und der wachsenden Nachfrage für Pouletfleisch ist die Schweiz für zahlreiche Länder ein interessanter und wohl prestigeträchtiger Marktpartner. Dies, obwohl sie im weltweiten Vergleich nur ein kleines Marktvolumen aufweist.