«Es war ein Hammerschlag», schaut Käthy Meyer Burger auf jenen Tag im Juli 2018 zurück, an dem ihr Mann die Diagnose «Lymphom» erhielt, ein aggressiver Tumor im Lymphgewebe. Sie hatte Franz zum Arzt gedrängt, weil ihm das Atmen immer schwerer fiel.

Ins Spital statt auf die Reise

Franz Burger, der nie für längere Zeit anderswo gewesen war als auf seinem Bauernhof im Aargauer Fricktal, molk zwei Tage später ein letztes Mal die Kühe. Käthy fuhr nicht auf die Landfrauenreise, sondern brachte ihren Mann ins Spital zu einer ersten vierwöchigen Chemotherapie. Und fuhr dann allein auf den Betrieb mit den 30 Milchkühen im Anbindestall, gut 20 Grossvieh-Mastrindern und einigen Kälbern zurück.

Käthy Meyer Burger erinnert sich: "Ich habe gearbeitet, organisiert und um Unterstützung telefoniert, ich habe so rotiert, dass zum Nachdenken keine Zeit blieb." Nachbarn halfen aus, ein Bruder von Franz packte mit an. Für die Bäuerin blieb ein Berg an Arbeit und die Sorge um ihren Mann. Jeden Abend im Bett weinte sie, "zum Glück war ich todmüde und schlief nach fünf Minuten jeweils ein".

Halbe Technikerin geworden

Die Melkerei war bis dahin nicht das Revier der Bäuerin gewesen. "Heute könnte ich wohl als Technikerin bei der Melkmaschinenfirma arbeiten", scherzt sie über die Kenntnisse, die sie in dieser Zeit wohl oder übel erworben hat. Oft war sie völlig erschöpft, "soll doch die Arbeit machen, wer will", dachte sie dann. Und ging doch wieder in den Stall, liess auch den späten Rundgang nie aus. Die Tiere wegzugeben, war für sie die allerletzte Option. "Tiere gehören auf diesen Betrieb", war sich das Betriebsleiterpaar einig. Das Land ist hügelig, gibt aber gutes Futter her. Die Tiere weggeben, das wäre ein Aufgeben gewesen.

Das Landfrauen-Netzwerk

Käthy Meyer Burger lacht oft beim Erzählen. Ihre Mitmenschen staunten über ihren Mut während der schwierigen Zeit. Sie sei ein positiver Mensch, kommentiert die Bäuerin. Aber vielleicht sei das auch schlicht ein Selbsterhaltungstrieb gewesen. "Es wäre nicht besser geworden, wenn ich mich in eine Ecke gesetzt und gejammert hätte."

Unterstützung fand sie bei ihren Landfrauen, wo sie seit Jahren den Dorf- und den Bezirksverein führte. Die Kolleginnen kamen zum Putzen, machten Besorgungen, boten Hilfe im Stall an und sprachen ihr Mut zu. "Das war wunderschön", sagt Käthy Meyer Burger.

Kampf gegen den Tumor

Für Franz war die Chemotherapie eine Tortur. Die Nebenwirkungen waren hart, die Heilung ungewiss. Seine Frau krampfte zu Hause, er führte im Spital seinen Kampf gegen den Tumor. Nach der ersten Therapie folgten weitere im Zweiwochenrhythmus. War der Landwirt zu Hause, konnte er immerhin auf Stallrundgang gehen und seine Frau auf stierige oder bald kalbende Kühe aufmerksam machen.

Das Betriebsleiterpaar hatte schon vor der Krankheit von Franz eine Nachfolgelösung mit einem jungen Landwirt aus dem Dorf in Aussicht. Aber als sich dieser von seiner bisherigen Stelle freimachen konnte und auf den Hof im Kästhal kam, harmonierte gar nichts. Im Dezember stellte er Burgers vor die Wahl: «Entweder gehen die Tiere oder ich.» Die Tiere blieben. «Ich hätte laut hinausschreien können», erinnert sich Käthy.

«Zurück auf Feld eins», schrieb sie in ihren Landfrauen-Chat. Von diesen Frauen kam schliesslich ein entscheidender Tipp, der die Betriebshelferin Jasmin Oehrli auf den Hof brachte. «Ja, das kann ich», sagte die Landwirtin nach einer Stallbesichtigung und kniete sich in die Arbeit. Drei freie Tage hatte sie seit Weihnachten, die körperlich schwere Arbeit geht an die Substanz. Aber auch sie lässt den Kopf nicht hängen. Es «giget» zwischen den beiden Frauen. Munter erzählen sie Episoden aus ihrem Alltag und man kann sich lebhaft vorstellen, wie die beiden Leichtgewichte beispielsweise mit einer widerspenstigen Rundballe gekämpft haben.

Zurück auf dem Hof

Jetzt ist Franz Burger zurück auf dem Hof. Die Tests sehen gut aus, vor einer Woche konnte er die Chemotherapie abschliessen. Ein paar Tage später sass er auf dem Traktor und streute Dünger. Aber die Kraft muss noch zurückkommen. Physiotherapie steht bevor und regelmässige Kontrollen, die jedes Mal ein Bangen mit sich bringen werden. Und doch riecht es nach Frühling. Zwei Landwirte aus dem Nachbartal werden im Sommer auf dem Betrieb einsteigen. Eine Pacht ist angedacht. Franz und Käthy übernehmen weiterhin einen Teil der Stallarbeit. Es zeichnet sich ein sanfter Übergang ab.

Ruth Aerni