In den Hauptrollen des Brauchtums Appenzell Ausserrhodens agieren grundsätzlich Männer, der Beitrag der Frauen ist von aussen kaum ersichtlich. Zum 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts präsentiert das Appenzeller Brauchtumsmuseum in Urnäsch unter dem Titel «Intensive Zeiten – Frauen und Brauchtum» eine Sommer-Sonderausstellung.
Acht Urnäscherinnen geben Auskunft
Im Hintergrund verrichten die Frauen grundlegende Tätigkeiten. An den Brauchtumstagen übernehmen sie zu den eigenen Aufgaben in Haus und Hof die Arbeiten der Männer sowie das zusätzliche Bewirten von Chläusen, Sennen oder anderen Gästen. So viel ist bekannt. Doch wie nehmen die Frauen selbst diese hektischen und intensiven Brauchtumstage wahr? In der Sommer-Sonderausstellung im Brauchtumsmuseum geben acht Urnäscherinnen Einblick in ihre Arbeit und erzählen, wie sie diese Tage erleben. Beleuchtet werden die Alpfahrt, die Viehschau, das Silvesterchlausen und die Urnäscher Streichmusik.
Dabei, aber nicht im Mittelpunkt
Nur wenigen ist vergönnt, das tiefbewegte Juchzen zu hören, das Vreni nach einem hektischen Morgen ihrem Senntum beim Losziehen der Alpfahrt nachschickt. Von den Sennen zurück kommt ein lautes «Puhuiiii!». Vroni geht im Alpaufzug mit. Das Öberefahre ist für sie ein Fest für die vier Generationen zählende Familie.
Bei Judith ist die ganze Familie an der Viehschau beteiligt. Sie freut sich, im Dorf ihre Kühe zeigen zu können, die sie das Jahr hindurch mit ihrem Mann pflegt. Für den Blumenschmuck des Schaubogens ist Lucia zuständig. Obwohl an der Viehschau die Kühe das Wichtigste sind, wäre für sie eine Schau ohne Blumen trostlos und es würde ihr etwas fehlen.
Chlausen ist Männersache
Als Mädchen wollte Mirjam auch Chlausen, aber die Brüder wollten sie nicht mitnehmen. Heute hält sie ihrem Mann den Rücken frei. Lange vor Silvester unterstützt Sabine den Schuppel ihres Mannes beim Fertigen der Kostüme, beim Bemalen der geschnitzten Figürchen oder beim Chügelen. An Silvester selbst haben sich bereits verschiedene Schüppel zum Zmorgen, Zmittag oder Znacht angemeldet.
Käthi hilft ihrem Mann am frühen Silvestermorgen in den Rollirock, zupft die Puffärmel zurecht und bindet ihm das Schössli um. Trotz intensiver Hintergrundarbeit gehört sie mit zum Schuppel und es erfüllt sie mit Stolz, diesen schönen Brauch aufrecht zu erhalten.
Lydias verstorbener Mann Arthur Alder spielte das Cello in der dritten Generation der weltbekannten «Streichmusik Alder». Wie die anderen Musikanten-Frauen war auch Lydia allein, wenn ihr Mann streichmusikalisch unterwegs war. Dann war sie verantwortlich für ihre Kinder, die Kühe und Kälber. In den Ferien war Lydia nie. Woher hatte sie ihre Energie geschöpft? Das weiss sie nicht. «Ich machte es einfach und es war gut so.»
Informationen zur Vernissage
Die Ausstellung «Intensive Zeiten - Frauen und Brauchtum» dauert vom 19. Juni bis 24. Oktober 2021. Sie ist im Appenzeller Brauchtumsmuseum, Dorfplatz 6, 9107 Urnäsch zu sehen.
Öffnungszeiten:
Mo bis Fr: 9 - 11.30 Uhr
Sa: 9 - 11.30 Uhr; 13.30 - 17 Uhr
So: 13.30 - 17 Uhr
Eintrittspreise:
- Erwachsene: 8 Franken
- Kinder/Schüler bis 16 Jahre: 4 Franken
- Gruppen ab 10 Pers.: 6 Franken pro Person
Weitere Informationen: www.museum-urnaesch.ch
Anhand von Texten, Fotos und persönlichen Objekten zeigen die Porträts dieser acht Frauen auf, wie wichtig ihr leidenschaftliches Engagement für das Fortbestehen des Brauchtums als lebendiges Kulturerbe ist.
Zur Autorin
Ursula Karbacher ist Kuratorin des Appenzeller Brauchtumsmuseums Urnäsch. Sie schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.