Schon bald erblühen sie wieder: die grossen Gärten vor den Bauernhäusern. Oft sind es wahre Paradiese, diese Bauerngärten, die Zeugen von unzähligen unentgeltlichen Arbeitsstunden sind. Meist leistet diese die Bäuerin, nicht selten auch noch mit Unterstützung ihrer Vorgängerin. Die Pracht wird von vorbeifahrenden Velofahrern und Spaziergängerinnen ebenso geschätzt wie von der Bauernfamilie selbst. Verständlich, denn blühende Stauden, alte Obstbäume und frisches Gemüse direkt aus dem eigenen Boden bereiten Freude.

Doch diese Idylle bringt eben auch viel Arbeit mit sich – Arbeit, die neben den vielfältigen Aufgaben auf einem Bauernhof auch mal zu kurz kommt. Viele Bäuerinnen gehen heute einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit nach, sei es durch einen eigenen Betriebszweig oder einen auswärtigen Beruf. Was also tun, wenn die Arbeit im Garten zu viel wird, aber dieser doch Freude bereiten soll?

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Kein englischer Rasen?

Ein englischer Rasen, auf dem der Liegestuhl der einzige Farbtupfer ist? Oder eine Bienenweide, die mit dem grosszügigen Gartendünger der letzten Generation nur schlecht zurechtkommt?

Eine Möglichkeit ist es, ihn mit tierischer Hilfe zu bewirtschaften. Wer Tiere mag und den Wert eigener Eier zu schätzen weiss, kann den klassischen Hühnerstall erweitern und dabei eine Tierart halten, die oft unterschätzt wird: die Gans. Gänse sind nicht nur faszinierende, kluge Tiere, sondern auch äusserst nützlich, wenn es um die Pflege von Wiesen und Gärten geht. Ihre Haltung kann eine spannende Alternative oder Ergänzung zur klassischen Geflügelzucht sein.

Eine, die sich bestens mit Gänsen auskennt, ist Gudrun Engeler. Zusammen mit ihrem Mann bewirtschaftet sie das Hofgut Schloss Gündelhart oberhalb von Steckborn im Kanton Thurgau. Der Biobetrieb wird bereits in vierter Generation geführt und beherbergt nicht nur Mutterkühe, sondern auch eine Herde Weidegänse. Als eine der wenigen professionellen Gänsehaltenden in der Schweiz hat Gudrun Engeler ein umfassendes Wissen über diese Tiere. Im Interview mit dem Magazin «Tierwelt» gibt sie spannende Einblicke in die Haltung, das Verhalten und die Nutzung der Gänse.

Früher oft Wachtiere

Gänse haben ein zwiespältiges Image. Einerseits gelten sie als stolze Tiere. Da ist einmal der Martinsbraten, der nicht nach dem neuen Bundesrat benannt ist, sondern traditionell zu Weihnachten passt. Andererseits gibt es die Redewendung «du dumme Gans», die das Tier als einfältig erscheinen lässt. Doch dieser Spruch wird laut der «Tierwelt» den Gänsen nicht gerecht.

«Gänse sind hochsoziale Herdentiere, die sich intensiv um ihre Artgenossen kümmern», erklärt Gudrun Engeler. Ihr lautes Geschnatter ist keine sinnlose Lärmerei, sondern dient der Kommunikation und der Warnung vor Gefahren. So haben Gänse früher oft als Wachtiere gedient, eine Rolle, die sie durchaus ernst nehmen: «Gänse machen genug Lärm, um ungebetene Gäste zu vertreiben», so Engeler.

Energisch, nicht aggressiv

Diese Schutzfunktion wird auch von Marion Paupe wahrgenommen. Die junge Frau absolviert ihr Vorstudienpraktikum auf einem Hof, auf dem Gänse als Hobby gehalten werden. Sie plant ein Agronomiestudium an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) und begegnet den Tieren mit Respekt: «Sie wirken böse», sagt sie.

Doch sind sie das wirklich? Engeler erklärt, dass Gänse nicht grundsätzlich aggressiv sind. Besonders Ganter verteidigen ihre Partnerinnen während der Brutzeit energisch, doch abgesehen davon seien die Tiere friedlich und neugierig.

«Gänse brauchen viel Platz»

Wer Gänse halten möchte, sollte einige wichtige Punkte beachten. «Gänse brauchen viel Platz», betont Gudrun Engeler im Interview mit der «Tierwelt». Eine grosszügige Weide ist essenziell, denn Gänse ernähren sich hauptsächlich von Gras und Kräutern. Sie können durchaus auch mit anderen Tieren auf einer Weide gehalten werden, fühlen sich aber unter ihresgleichen am wohlsten. Zudem brauchen sie stets Zugang zu Wasser: Gänse sind Wasservögel und nutzen Wasser zur Körperpflege. Sie benetzen ihr Gefieder mit dem Sekret ihrer Bürzeldrüse, um es wasserabweisend zu halten.

Nachts sollten Gänse in einem sicheren Stall untergebracht werden, denn auch das Lied «Fuchs, du hast die Gans gestohlen» ist nicht einfach eine mit Musik untermalte Plattitüde. Füchse stellen eine ernsthafte Bedrohung dar. «Ein Elektrozaun reicht oft nicht aus, weil der Fuchs sich gerne darunter hindurchgräbt», warnt Gudrun Engeler. Wer seine Gänse also schützen will, sollte auf einen geschlossenen Stall setzen.

Nutzen und Vermarktung

Gänse liefern nicht nur Fleisch, sondern auch Eier und Federn. Gänseeier sind essbar und hervorragend zum Backen geeignet. Ein Gänseei entspricht etwa drei Hühnereiern. In der Schweiz werden Gänse vor allem als Weidegänse gehalten und direkt vermarktet. Das Fleisch landet oft als traditioneller Gänsebraten auf dem Tisch. Ein weiteres Nebenprodukt sind die Daunen, die in Duvets und Jacken verwendet werden. Hier gilt es allerdings, auf die Herkunft zu achten. In der Schweiz ist der qualvolle Lebendrupf verboten. «Doch leider werden nach wie vor Produkte aus dem Ausland importiert, die aus solchen Praktiken stammen», gibt Engeler zu bedenken.

Auch Foie gras, also Stopfleber, ist in der Schweiz verboten, wird aber weiterhin importiert und verkauft. Dabei gibt es genussvolle Alternativen: «Man kann aus Gänsefleisch und Leber eine wunderbare Pastete oder eine Rillette herstellen», so Engeler.

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Eine alte Tradition

Gänsehaltung hat in der Schweiz eine lange Tradition, ist aber heute eher selten geworden. Schätzungen zufolge gibt es laut der «Tierwelt» nur rund 2000 Gänse im landwirtschaftlichen Bereich, verteilt auf etwa 25 Betriebe. Die artgerechte Haltung dieser Tiere bietet nicht nur Vorteile für die Biodiversität, sondern kann auch eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Landwirtschaft sein.

Und nicht zuletzt sind Gänse faszinierende Tiere, die mit ihrem wachsamen Wesen, ihrer Intelligenz und ihrem sozialen Verhalten jede Hoflandschaft bereichern. Wer also überlegt, seinen Bauerngarten alternativ zu nutzen und Freude an besonderen Tieren hat, für den könnten Gänse die perfekte Wahl sein.

Die Diepholzer

Auch Pro Specie Rara unterstützt den Erhalt einer besonderen Gänserasse: die Diepholzer Gans. Diese robuste Weidegans wurde nicht auf Gewicht, sondern auf Genügsamkeit, Beweglichkeit und besonders auf ihre Brutlust gezüchtet.

Ursprünglich stammt die reinweisse Diepholzer Gans aus der Grafschaft Diepholz in Norddeutschland, wo sie bereits im 19. Jahrhundert als vielseitiges Nutztier geschätzt wurde. Neben Fleisch und Eiern waren auch ihre Daunen und Federn begehrt – Letztere wurden sogar als Federkiele zum Schreiben verwendet. Die Gänse legten ihre langen Wege zum Markt traditionell im «Gänsemarsch» zurück, eine Fähigkeit, die ihnen als Weidegänse angezüchtet wurde. Mitte des 20. Jahrhunderts gelangte die Rasse in die Schweiz, verlor aber mit dem Aufkommen synthetischer Materialien und Kugelschreiber zunehmend an Bedeutung. Auch ihr hoher Platzbedarf und ihre Lautstärke führten dazu, dass grosse Bestände verschwanden. Heute werden Diepholzer Gänse meist in kleinen Gruppen oder paarweise gehalten.

Genügsame Gans

Mit ihrem schlanken Körper, dem orangefarbenen Schnabel und den rötlichen Läufen erinnert die Diepholzer Gans optisch an Wildgänse – kein Zufall, denn durch die traditionelle Freilandhaltung kreuzten sich immer wieder Wildgänse in die Bestände ein. Dies stärkte ihre Widerstandskraft und ihre Anpassungsfähigkeit an unwegsames Gelände. Ihr Anspruch an Futter ist gering, und mit nur sechs bis acht Monaten erreicht sie bereits die Geschlechtsreife. Dank ihres starken Bruttriebs sorgt sie selbst für den Erhalt der Rasse und kann ein Alter von 10 bis 15 Jahren erreichen.

Vielseitig einsetzbar

Zwar legt die Diepholzer Gans keine goldenen Eier, doch sie überzeugt mit ihrer hohen Legeleistung: In bis zu drei Legeperioden pro Jahr produziert sie 35 bis 50 Eier. Trotz ihres schlanken Körperbaus weist sie eine hervorragende Fleischfülle auf, besonders an Brust und Keule. Ihre Haltung ist unkompliziert, solange ausreichend Platz und eine Schwimmmöglichkeit vorhanden sind. Besonders in der Landschaftspflege, etwa in Feuchtgebieten, könnten Diepholzer Gänse eine wertvolle Rolle spielen.