Erika Rüegg erreicht die Anfrage zum Interview an einem kalten Wintertag beim Holzen. «Ich mache mit, ich freue mich auf ihren Besuch», sagt sie lachend. Ein paar Wochen später sitzt die 39-Jährige gemütlich am Küchentisch, die dreieinhalbjährige Selina schlummert etwas fiebrig auf ihrem Schoss.

Der Hof im Ober Hanfgarten in Dussnang TG liegt auf 750 Metern über Meer und gehört zur Bergzone zwei. Die hügeligen Wiesen rundum, die Sicht auf den Säntis und auf die bergige Region rund ums Hörnli lassen das Herz von Wanderern höherschlagen. Doch hier wohnen, weit weg vom nächsten Nachbarn, vom nächsten Laden, von Schule und Freundinnen?

Erika Rüegg lacht und erklärt, dass sie noch nie an einem anderen Ort gewohnt habe und dass sie zusammen mit vier Brüdern hier auf dem Hof aufgewachsen sei. Eine herrliche Zeit, doch ob sie einmal den Hof führen würde oder wegziehen wolle, das habe sie sich als junge Frau nie gefragt. «Das hat sich dann einfach so ergeben.»

Zurück zur Natur

Nach der Schule absolvierte Erika Rüegg eine kaufmännische Ausbildung auf einer Bank im Nachbardorf. Das anschliessende Praktikum in der Stiftung Sonnhalde, einer Institution für beeinträchtigte Menschen in der Region, bewog sie dazu, sich berufsbegleitend zur Sozialpädagogin ausbilden zu lassen.

Bereits in dieser Zeit lernte sie ihren späteren Mann Dominic kennen, einen Metallbauschlosser, der seine Zukunft in der Landwirtschaft sah. Später, als sie eine gemeinsame Zukunft planten, machte er die entsprechende Ausbildung. Auch das habe sich einfach so ergeben, sagt die ehemalige Bankfachfrau und Sozialpädagogin mit einem Lächeln.

Wieder mehr Erdiges

Nach dem Studium, in dem sie sich viel theoretisches Wissen angeeignet hat, spürte sie den Drang nach dem Erdigen, der Natur, den Tieren und den Pflanzen. Erika Rüegg absolvierte die Ausbildung zur Bäuerin mit dem eidgenössischen Fachausweis am Strickhof. Später, als einige der Kinder schon da waren, liess sie sich zur Spielgruppenleiterin ausbilden und führte mit Freude eine Spielgruppe im Dorf.

Vor zehn Jahren hat das junge Paar den Milchwirtschaftsbetrieb von Erikas Eltern übernommen, sechs Jahre später haben sie auf Wasserbüffel und gleichzeitig auf Bio umgestellt und zusammen mit einem Nachbarn eine Betriebszweiggemeinschaft gegründet. «Dieser Entscheid war goldrichtig», sagt die Bäuerin und fünffache Mutter begeistert. Wasserbüffel seien anhängliche und sensible Tiere, die den Kontakt zum Mensch suchen. Zudem seien sie leichter als herkömmliche Leistungskühe, was auf ihren hügeligen Wiesen nur von Vorteil sei. Auch seien sie robust und widerstandsfähig und den Tierarzt brauchen sie kaum.

Heute stehen bei Rüeggs und ihrem Betriebspartner insgesamt rund 40 Wasserbüffel im Stall. Hinzu kommen die entsprechenden Kälblein, die sie jeweils beim Melken der Mütter dabeihaben. Sowohl die wirtschaftlichen wie auch betrieblichen Erfahrungen zeigen, dass sie auf das richtige Tier gesetzt haben, sagt Erika Rüegg. Sie unterstützt ihren Partner Dominic bei fast allen Arbeiten aktiv.

Die Milch wird in Oberbühren zu Wasserbüffelmozzarella und Ricotta verarbeitet. Momentan seien sie daran, den Direktverkauf aufzubauen. «Noch haben wir Luft nach oben.» Sie verschicken Newsletter an ihre Kunden, beliefern Freunde und Bekannte. «Wir müssen uns mal wieder einen Schupf geben, die Direktvermarktung noch mehr auszubauen.»

Sie liebt das Zahlenbeigen

Über die Zusammenarbeit mit ihrem Partnerbetrieb, bei dem in der nächsten Zeit ein Generationenwechsel ansteht, freut sich die junge Familie. «Wir hatten sehr viel Glück und es ist eine grosse Bereicherung auf allen Gebieten.» Zudem biete es ihnen auch eine gewisse Flexibilität.

So ist es der Familie nun möglich, im Sommer mal ein paar Tage in die Ferien zu verreisen. Das geniessen auch die fünf Kinder, die zwischen dreizehn und drei Jahre alt sind. Da die Eltern im oberen Stock des Hauses wohnen und ihr Mann Dominic nicht mehr so oft auswärts arbeite, könne sie problemlos ihren verschiedenen Verpflichtungen nachgehen, erzählt Erika Rüegg. So führe sie beim regionalen Forstrevier und dem Tannzapfencup die Kasse und sei bei verschiedenen anderen Betrieben im Dorf für die Buchhaltung oder Büroarbeit zuständig.

Das sei ideal, die Arbeitstage könne sie sich frei einteilen und ihr Kopf werde wieder mehr gefordert, erzählt sie lachend. Zudem brauche es eine gute Organisation und diese gebe ihrem Leben Struktur. Dieses vielfältige Arbeiten auf dem Hof, in der Familie und bei ihren Buchhaltungen gefalle ihr so gut, dass sie sich nichts anderes wünsche.