Das Treppenhaus: hell, modern und nüchtern, es passt zum Gewerbebau. Der Duft: üppig, frisch, erinnert an einen Sommergarten. Er passt so gar nicht zum Gebäude und lockt ins oberste Stockwerk.
Hier, in der Gewerbezone von Frutigen im Kanton Bern, hat Heidi Ryter seit Dezember letzten Jahres die Arbeits- und Lagerräume ihrer Firma eingerichtet. «Ich hätte gerne direkt beim Bauernhaus weitergearbeitet, und wir haben alles probiert», sagt die Berner Oberländerin. Doch das Bauernhaus steht nun mal in der Landwirtschaftszone, da war nichts zu machen.
Die Firma «Seifenstück.ch» hat sich auf handgemachte Seifen aus natürlichen Zutaten spezialisiert. Erst gestern wurde eine Charge fertiggestellt. Der üppige Duft komme wohl vom Melissenöl, einem der Inhaltsstoffe, meint Heidi Ryter und deute auf eine mit Backpapier ausgeschlagene Holzkiste auf einem Tisch. Am Boden daneben stapeln sich in braunen Gitterkisten weitere Seifen.
Inspirationsquelle Garten
Angefangen hat alles vor 13 Jahren. Heidi Ryter war damals eine junge Bäuerin und Mutter. Gemeinsam mit ihrem Mann führte sie einen Landwirtschaftsbetrieb mit Mutterkühen. Den Hof hatte das Paar von Heidi Ryters Eltern übernommen.
Zu den Seifen kam sie über den Garten: Sie begann, eigene Salben mit Gartenkräutern herzustellen, eignete sich immer mehr Wissen an und wagte sich schliesslich ans Seifensieden. Spezielle Geräte brauchte sie zum Starten nicht: Ein Stabmixer und einige Gefässe reichten.
Nur gut geschützt arbeiten
Allerdings ist die Lauge beim Seifenmachen stark ätzend. «Ich arbeitete daher immer ohne Kinder im Schopf und trug Mundschutz, Schutzbrille und Handschuhe. Einige Näggi auf der Haut habe ich trotzdem.»
Manchmal habe sie bis in die frühen Morgenstunden gearbeitet, nur um zwei Seifen zu machen. «Es war eine strenge Zeit. Ich konnte mich völlig darin verlieren. Aber ich konnte auch auftanken, weil es mir so viel Freude machte.»
Start mit einem Stand
Einige Jahre später trennten sich Heidi Ryter und ihr Mann. Das Land wurde verpachtet und die junge Frau wollte versuchen, ihr Seifenhobby auszubauen. Der Zufall kam ihr zu Hilfe: Kurzfristig wurde sie angefragt, ob sie einen eigenen Stand auf dem Markt des Freilichtmuseums Ballenberg wollte. Und ob!
«Doch ich habe geschlottert vor Aufregung.» Die Seifen verkauften sich gut und dann kam noch der Ballenbergdrogist vorbei und fragte, ob sie nicht seinen Laden beliefern könnte.
Start mit vier Seifen
Im ersten Jahr umfasste das Sortiment von «Seifenstück.ch» nur vier Seifen. «Aber immerhin, sie wurden in der Ballenbergdrogerie verkauft. Das machte mir Mut.»
Schritt für Schritt baute sie ihr Angebot aus. Heute füllen die Seifen im Ballenberg drei Tablare. Sie sind aber auch online sowie in Läden in der ganzen Schweiz erhältlich. Die Firma ist zudem stark auf Instagram aktiv. «Fast 80 Prozent der neuen Kunden kommen über diesen Kanal.»
Der Trend zurück zur Seife
Heidi Ryters Produkte treffen den Nerv der Zeit: Feste Seifen für Haut, Haar und Haushalt liegen im Trend. Erst ergänzten sie nur das Angebot von Naturkosmetikfirmen, mittlerweile gehören sie auch zum Angebot grosser Kosmetikkonzerne.
Viele Konsumentinnen kaufen sie aus ökologischen und ökonomischen Gründen: Keine Plastikverpackung, leicht und kompakt, sehr ergiebig und mit einem mehr oder weniger hohen Anteil an natürlichen Inhaltsstoffen.
Natürliche Inhaltsstoffe
Heidi Ryter setzt bei ihren Seifen ganz auf pflanzliche und tierische Ingredienzien, möglichst aus Schweizer Bioqualität. Die Grundlage bilden unterschiedliche Fette.
Es braucht zum einen so genannte feste Fette, die über viele gesättigte Fettsäuren verfügen, wie Shea-Butter. Sie geben der Seife Festigkeit und machen sie hart. Dazu kommt Schaumfett wie Kokosöl. Es sorgt dafür, dass die Seife später schäumt. Und es braucht flüssige Fette, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind, wie Hanf- oder Olivenöl. Sie wirkend pflegend und machen die Seifen milder.
Kalt verarbeitet
«Unsere Seifen entstehen im Kaltprozess, sie werden im Gegensatz zu Industrieseifen nicht heiss verseift», erklärt die Fachfrau weiter. Das heisst, Fett und Öl wird auf maximal 25 Grad C erhitzt. Dann kommt die Lauge dazu, Natriumhydroxid.
Die Mischung wird mit dem Stabmixer bearbeitet und nach zwei, drei Minuten beginnt sie dickflüssiger zu werden: aus dünn wie Suppe wird dick wie Kartoffelstock. Zum Schluss werden je nach Seife ätherische Öle und Farbstoff dazu gegeben. Die Masse kommt zum Fertigverseifen in eine mit Backpapier ausgelegte Holzkiste. Nach vier bis sechs Wochen ist die Seife gereift, die Lauge vollständig umgewandelt.
Überfettet pflegt
Wird eine Seife für die Haut verwendet, sollte sie «überfettet» sein, einen höheren Anteil pflegender Fette aufweisen als etwa eine Putzseife. Heidi Ryter arbeitet besonders gerne mit Hanf-öl aus dem Bündnerland, es ist mild und feuchtigkeitsspendend – und grün.
Doch unsere Haut sei nicht so anspruchsvoll wie manche meinen. «Seife ist kein Heilmittel. Es ist nur Seife und lässt sich vollständig abwaschen.»
Produkte und Kurse sind gefragt
Mittlerweile stellt ihr Unternehmen über 40 Seifen her, von Putz- über Peeling- und Tierfellseife bis zu Gesichts- und Haarseife. Die handgefertigten Stücke kosten zwischen 10 und 16 Franken. Zudem bietet die 38-Jährige Kurse an, die bis August 2022 ausgebucht sind.
Seit vier Jahren kann die Mutter von drei Kindern im Alter zwischen neun und 14 Jahren von ihrer Firma leben. «Vorher habe ich alle Gewinne wieder investiert.» Inzwischen kann sie sogar Teilzeitmitarbeiter und -mitarbeiterinnen bezahlen.
Eingestpieltes Team
Mutter Elsi betreut die Onlinebestellungen. Vater Toni kümmert sich ums Verpacken und Etikettieren. Zudem fertigt er hölzerne Seifenhalter. Angela, Heidi Ryters beste Freundin, ist zuständig für die Pakete an die Wiederverkäufer und das Stempeln der Seifen. Und Lebenspartner Marcel fertigt Holzkisten und Seifenschneider.
Soll das Unternehmen noch wachsen? Heidi Ryter denkt kurz nach und schüttelt den Kopf. «Mir liegt mehr am Optimieren, vor allem bei den Rohstoffen.»
Wird’s was?
Im angrenzenden Arbeitsraum stehen zwei selbst gefertigte Seifenschneider. Der eine erinnert mit seinen metallenen Hebeln zum Spannen der Drähte auf den ersten Blick an ein Instrument. Der andere hat Ähnlichkeit mit einem Käseschneider.
Heidi Ryter kippt einen Seifenblock aus einer Kiste. Hat alles geklappt, sollte auf jedem Seifestück eine Landschaft mit Berg und See zu sehen sein. Mit dem Käseschneider-ähnlichen Gerät teilt sie einen Streifen vom Block ab, betrachtet ihn kritisch und nickt zufrieden. «Das ist mein liebster Arbeitsschritt. Schauen, ob alles so geworden ist, wie ich es mir vorgestellt habe.»
Seifen Know-how
- Reife, verpackte Seife hält sich fast unbegrenzt. Ist der Anteil an pflegenden Ölen aber sehr hoch, kann sie mit der Zeit ranzig werden.
- Ist ein Seifenstück angebraucht, hält es sich rund zwölf Monate – auch wenn der Anteil an pflegenden Ölen hoch ist.
- Die Ergiebigkeit eines Seifenstücks lieg im Durchschnitt bei etwa drei bis vier Monaten.
- Die Seife zwischen jedem Gebrauch trocknen lassen.
- Als Unterlage ideal ist eine Schale mit Rillen oder Löchern oder die Scheibe eines Luffa-Schwamms. Handseifen können zum Beispiel auch mit einem Magnet an der Wand befestigt werden.
- Für den Transport eignet sich eine Seifendose oder auch mal ein Waschhandschuh aus Frottee. Einige Hersteller bieten als Reisevariante zudem dünne Seifenplättchen für den Einmalgebrauch an.