Wenn das letzte Brötchen vom Osterbuffet verputzt ist, ist Schluss. Was beim Brunch Gültigkeit haben mag, ist auf Ebene des landesweiten Konsums überholt: Dank Importen oder starker Nutzung inländischer Ressourcen gelingt es, – um beim Beispiel zu bleiben – immer für frische Brötchen zu sorgen. Ohne Folgen bleibt das aber nicht.

Mehr, als regeneriert werden kann

Food Overshoot Day«Ab heute bis Ende Jahr leben wir von importierten Lebensmitteln»Samstag, 2. Juli 2022 «In der Schweiz verbrauchen wir 4,4 mal mehr, als in der gleichen Zeit regeneriert werden kann», stellt Mathis Wackernagel fest. Er ist Präsident des Global Footprint Network, das den Swiss Deficit Day errechnet hat. Das Defizit misst das Ungleichgewicht zwischen Konsum und Biokapazität, also der Fähigkeit des Schweizer Ökosystems, die verbrauchten Ressourcen wiederherzustellen. Von Produktivität und Fläche auf die Zeit umgerechnet, ergibt sich der 25. März als das Datum, bis zu dem das Ressourcenbudget für 2023 aufgebraucht ist. Anders ausgedrückt: Weniger als ein Viertel unseres ökologischen Fussabdrucks wäre für unser Land tragbar.

Auf Kosten anderer und der Zukunft

Vom Swiss Deficit Day spüren Schweizerinnen und Schweizer indes nichts. Drei Wege ermöglichen ein Leben jenseits der biologischen Kapazität im Inland:

  • Nutzung internationaler Allgemeingüter, z. B. durch Emissionen in die Atmosphäre.
  • Nutzung der Biokapazität anderer Länder durch Importe.
  • Übernutzung der inländischen Ressourcen.

Langfristig hat das Ungleichgewicht bekannte negative Folgen, z. B: Verstärkter Klimawandel, Abhängigkeit vom Ausland, ausgelaugte Ökosysteme innerhalb der Landesgrenzen und jenseits davon. «Im europäischen Vergleich schneidet die Schweiz schlecht ab», so Mathis Wackernagel, «nur drei von 35 analysierten Ländern Europas haben ein grösseres Defizit».

Woher kommt das Defizit?

Die Daten zeigen, dass der ökologische Fussabdruck der Schweiz zu gross ist. Alle Wirtschaftssektoren tragen zum Fussabdruck bei, mit 31 Prozent den grössten Anteil hat der Bereich Mobilität, gefolgt von Ernährung (23 Prozent), Dienstleistungen (17 Prozent), Wohnen (16 Prozent) und Waren (14 Prozent). An seiner Online-Medieninformation zum Swiss Deficit Day legte das Global Footprint Network einen Fokus auf das Ernährungssystem.

Drei Ansätze für eine Lösung

Anita Frehner vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) bestätigte an der Medieninformation, sie sehe einen direkten Zusammenhang zwischen dem Defizit und der Landwirtschaft bzw. dem Rückgang der Biodiversität und der Übernutzung der Böden. Schliesslich ist eine Möglichkeit, einen für die inländische Biokapazität zu grossen Fussabdruck zu erhalten, eine nicht-schonende Produktion. «Wir müssen schauen, welche Produktionssysteme, Ernährungssysteme und Importe Sinn machen», so Frehner. Sie sieht drei Ansatzpunkte:

  • Den Konsum tierischer Produkte einschränken. Damit liesse sich die verbleibende tierische Produktion ganz anders gestalten, ist die FiBL-Forscherin überzeugt.
  • Standortangepasste Produktion innerhalb der ökologischen Grenzen. Damit verbunden wären nötige Änderungen in der Ernährungsweise (siehe oben).
  • Produzenten, Konsumenten und weitere Akteure der Wertschöpfungskette brauchen die entsprechenden Rahmenbedingungen.

«Back to the Sonntagsbraten»

Die vegane Spitzenköchin Lauren Wildbolz hob die Vorteile des Vegetarismus und Veganismus hervor, wobei sie lieber von pflanzenbasierter Ernährung spricht. Das klinge weniger nach Religion, so ihre Begründung. Ausserdem setzt sich Wildbolz für einen gewissen Pragmatismus ein: Es gelte, tierische Produkte mehr wertzuschätzen, genauso wie den Boden. «Back to the Sonntagsbraten», lautet ihre Devise. Folgendes würde nach Meinung von Wildbolz dazu beitragen, die pflanzenbasierte Ernährung in der Schweiz zu fördern:

  • Passende Produkte in Restaurants vermarkten (z. B. sei Plantend über den Gastro-Kanal gross geworden)
  • Rezepte anbieten
  • Über die Landwirtschaft informieren
  • Positive Geschichten in den Medien erzählen von Menschen, die sich mit einer pflanzenbasierten Ernährung wohl fühlen
  • Politische Einflussnahme auf den Konsum, z. B. mit einer CO2-Steuer
  • Bildung und Forschung einbeziehe

Abschliessend wurde an der Medieninformation festgehalten, die Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks der Schweiz brauche Zeit. «Das System ist träge, aber der Druck steigt», so Mathis Wackernagel. Heute sei die Schweiz allerdings auf die vorhersehbare Zukunft des Klimawandels und der Ressourcenknappheit völlig unzureichend vorbereitet.

Weitere Informationen zum Swiss Deficit Day finden Sie hier.

 


Deficit Day und Overshoot Day

Während der Swiss Deficit Day 2023 auf den 25. März fällt, ist der Swiss Overshoot Day am 13. Mai. Die beiden Daten markieren unterschiedliche Punkte:

Der Swiss Deficit Day ist der Zeitpunkt, an dem die Fähigkeit der Ökosysteme im Inland zur Wiederherstellung der durch den Schweizer Konsum verbrauchten Ressourcen überschritten ist. Dann hat die Schweiz das jährliche inländische Ressourcenbudget aufgebraucht.

  • Am Swiss Overshoot Day wären theoretisch sämtliche Ressourcen dieses Planeten für das laufende Jahr aufgebraucht, wenn alle Menschen weltweit so leben würden, wie es Schweizerinnen und Schweizer es tun.  
  • Der Earth Overshoot Day schliesslich findet im Juli statt. An diesem Datum überschreitet die Menschheit mit ihrem tatsächlichen Konsum über alles gerechnet das plantare Budget für das ganze Jahr.
  • Der Schweizer Bauernverband hat am 2. Juli 2022 den Food Overshoot Day ausgerufen. Mit dem Selbstversorgungsgrad von 52 Prozent argumentierte der SBV, dass man hierzulande ab diesem Tag für den Rest des Jahres von importierten Nahrungsmitteln lebe.

Jedes Jahr werden die verschiedenen Daten neu ausgerechnet und genutzt, um auf den weltweiten und nationalen Überkonsum aufmerksam zu machen.