Für Bauen ausserhalb der Baugebiete hat der Ständerat neue Regeln beschlossen. Die Zahl der Bauten und bebauten Flächen ausserhalb von Bauzonen soll nicht steigen, die Kantone aber zugleich Spielraum für eigene Entscheidungen erhalten.

Der Ständerat verabschiedete am Donnerstag die zweite Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes mit 42 zu 0 Stimmen. Die Vorlage will er als indirekten Gegenvorschlag der Landschaftsinitiative entgegen stellen. Die Umweltkommission (Urek-S) hatte wesentliche Anliegen der Landschaftsinitiative aufgenommen.

Paradigmenwechsel

Die Gesetzesrevision ist ein Paradigmenwechsel. Herzstück ist ein Stabilisierungsziel für Gebiete ausserhalb von Bauzonen. Die Kantone sollen im Richtplan ein Gesamtkonzept zur Erreichung dieses Zieles festlegen müssen, dem Bund regelmässig Bericht erstatten und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

Erfassen müssen die Kantone etwa die Zahl der neu erstellten und abgebrochenen Gebäude und auch die Entwicklung der Bodenversiegelung. Passen die Kantone ihre Richtpläne nicht innert fünf Jahren entsprechend an, dürfen sie ohne Kompensation keine neuen Gebäude ausserhalb ihrer Baugebiete bewilligen.

Damit nicht mehr genutzte Gebäude und Anlagen aus der Landschaft verschwinden, will der Ständerat keine Vorschriften, sondern Anreize, wie Kommissionssprecher Jakob Stark (SVP/TG) es nannte. Neu sollen die Kantone unter gewissen Voraussetzungen Abbruchprämien für nicht mehr genutzte Gebäude und Anlagen bezahlen.

Würden jährlich zwischen 1000 und 2000 Bauten abgebrochen und betrüge die Prämie zwischen 20'000 und 30'000 Franken, wäre laut Stark mit jährlichen Kosten für die Kantone von 21 bis 66 Millionen Franken zu rechnen. Der Bund kann aber Beiträge leisten.

Spielraum mit Spezialzonen

Ausserhalb der Bauzonen will der Ständerat nicht nur die Zahl der Gebäude stabilisieren, sondern in ganzjährig bewirtschafteten Gebieten auch die Bodenversiegelung - also wasserdicht befestigte Flächen. Eine Ausnahme will er für die Landwirtschaft und - auf Antrag einer Minderheit - auch für touristische Aktivitäten machen.

Den Kantonen gibt der Ständerat Spielraum: Um wirtschaftliche Entwicklungen zu ermöglichen, können sie ausserhalb der Baugebiete in Spezialzonen nicht an den Standort gebundene Nutzungen zulassen. Dafür gelten Auflagen, etwa Kompensations- und Aufwertungsmassnahmen.

Erneuerungsmöglichkeit für Hotels

Die Kommissionsmehrheit hätte dies nur für Berggebiete zulassen wollen. Der Rat folgte aber einer Minderheit und gab das Instrument allen Kantonen in die Hand. «Gemäss Bundesamt für Statistik umfasst das Berggebiet 71 Prozent der Landesfläche», sagte Minderheitsvertreter Daniel Fässler (Mitte/AI).

Die Kantone können umgekehrt ausserhalb von Bauzonen aber über das Raumplanungsgesetz hinausgehende zusätzliche Einschränkungen erlassen. Das entschied der Ständerat auf einen Minderheitsantrag und räumte den Kantonen zusätzliche Kompetenzen ein.

Restaurants und Hotels ausserhalb des Baugebietes will der Ständerat Möglichkeiten geben, sich zu erneuern. Diese Betriebe dürfen, wenn die Mehrnutzung kompensiert wird, auch vergrössert werden. Die Kriterien dafür muss der Bundesrat festlegen. Die unterlegene rot-grüne Minderheit hätte beim geltenden Recht bleiben wollen.

«Klarer Mehrwert»

Die zweite Etappe der Raumplanungsgesetz-Revision ist formell ein indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative, obwohl die Arbeiten daran schon im Gang waren, als die Initiative eingereicht wurde. Das entschied der Ständerat gegen den Willen der Mehrheit der Urek-S, mit 22 zu 19 Stimmen.

Lisa Mazzone (Grüne/GE) sprach sich namens der Minderheit dafür aus. Das sei von Anfang an so geplant und für die Vernehmlassung kommuniziert worden. Es solle entweder die Initiative oder das revidierte Gesetz geben und dies den Initianten signalisiert werden.

Umweltministerin Simonetta Sommaruga fügte an, die Vorlage habe gegenüber der Initiative einen klaren Mehrwert. Der Bundesrat habe aufgrund der Anträge der Kommission auf einen eigenen Gegenvorschlag verzichtet. Daniel Fässler hingegen hielt es für falsch, die Vorlage an den Rückzug der Initiative oder ein Nein zu knüpfen.

Nein zur Landschaftsinitiative

Zur Landschaftsinitiative selbst beschloss der Ständerat eine Nein-Empfehlung, mit 28 zu 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Eine rot-grüne Minderheit hatte die Initiative unterstützt. Auch der Bundesrat hatte die Initiative zur Ablehnung empfohlen.

Die Volksinitiative will die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet in der Verfassung verankern. Bund und Kantone sollen dafür sorgen, dass ausserhalb von Bauzonen die Zahl der Gebäude und die von diesen beanspruchte Fläche nicht zunehmen.

Den indirekten Gegenvorschlag nannte das Initiativkomitee in einer Mitteilung «widersprüchlich». Mit den vom Ständerat beschlossenen Aufweichungen der Regeln ausserhalb des Baugebiets werde die Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet gleich wieder in Frage gestellt.

Die Vorlage geht an den Nationalrat.

«Ein widersprüchlicher Gegenvorschlag»

Die gesamte Vorlage sei zwiespältig, schreiben die Initiant(in)en der Landschaftsinitiative in einer Mitteilung. Der Ständerat wolle mit der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes zwar die Zahl der Gebäude ausserhalb der Bauzonen auf dem heutigen Niveau stabilisieren, aber zugleich weitere Aufweichungen der Baubestimmungen ausserhalb der Bauzone vornehmen. Damit sei die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet wieder in Frage gestellt.

Besonders stossend ist aus Sicht der Landschaftsinitiative der Beschluss, die Umnutzung von nicht mehr benötigten landwirtschaftlichen Gebäuden zu Wohnzwecken praktisch unbegrenzt zu erlauben. Hier gehe es um 400’000 Ökonomiebauten. Die Regelung widerspreche zudem diametral den Zielen der 2012 angenommenen Zweitwohnungsinitiative.

Der Nationalrat müsse nun die Widersprüche zwischen dem Stabilisierungsziel mit der guten Umsetzung und den viel zu umfangreichen Ausnahmen ausräumen, heisst es. Nur so könne das Prinzip der Trennung zwischen Baugebiet und Nichtbaugebiet respektiert bleiben. Nur in diesem Fall käme ein Rückzug der Landschaftsinitiative für die Initiant(inn)en in Frage.