«Der Bund unterstützt Strukturverbesserungen, um ... die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken...». So steht es im Landwirtschaftsgesetz. Auswertungen zeigen, dass Bund und einige Kantone das Landwirtschaftsgesetz im Bereich Investitionskredite oft nicht vollziehen und immer wieder Investitionen von Landwirtschaftsbetrieben mitfinanzieren, welche die Betriebe wirtschaftlich schwächen und zu deutlich vermindertem Einkommen führen. Gemäss einer statistischen Auswertung einer vom BAFU in Auftrag gegebenen Studie reduzierte im Jahr 2020 jeder Franken, den Bergbetriebe investierten – zu einem guten Teil mithilfe öffentlicher Kredite aus dem Topf der Strukturhilfe – ihr Einkommen um durchschnittlich fünf Rappen.
Das Zünglein an der Waage
Die staatliche Kreditvergabe trotz fehlender Wirtschaftlichkeit ist nur möglich, weil bei den Tragbarkeitsrechnungen regelmässig nicht korrekt gerechnet wird, um überteuerte, nicht tragbare Projekte realisieren zu können. Zum Beispiel wird die Arbeitskraft des pensionierten Vaters ohne Entschädigung eingesetzt, das Einkommen der Ehefrau als betriebliches Einkommen gerechnet, oder es werden Vorsorgegelder zur Finanzierung verwendet. Das kann zur Folge haben, dass vor allem Ehefrauen ihre Altersvorsorge gefährden oder zumindest stark beschneiden, nur um ein überdimensioniertes Vorhaben zu realisieren. Wenn es dann immer noch nicht reicht, werden, wie Beispiele zeigen, einzelne Kostenstellen einfach weggelassen. Ohne Bundeshilfe wären solche problematischen Projekte gar nicht realisierbar. Und wenn alle Kniffe nicht zum Ziel führen, springen noch Stiftungen wie die Berghilfe oder Coop Patenschaft für Berggebiete ein und spielen das Zünglein an der Waage.
Weltweit höchste Verschuldung
Das Resultat ist eine Schweizer Landwirtschaft, die heute weltweit am höchsten verschuldet ist. Immer mehr Landwirtschaftsbetriebe werden so mithilfe von Bundes- und Stiftungsgeldern über Jahrzehnte unter massiven wirtschaftlichen Druck gesetzt und kommen z.T. auch psychisch an die Grenzen. Es gibt viele Gründe, warum wirtschaftlich hochproblematische Investitionen in der Landwirtschaft so verbreitet sind. Neben dem fehlenden Vollzug bei der Gewährung der staatlichen Investitionshilfen spielt das Beratungswesen eine entscheidende Rolle.
In der Regel werden Bauprojekte von ausführenden Firmen kostenlos erstellt. Sie haben kein Interesse an kostengünstigen Lösungen, sondern wollen ihre Produkte verkaufen. Je grösser gebaut wird und je mehr technische Lösungen eingebaut werden, desto besseres Geld verdienen sie. Was in anderen Branchen vor grösseren Investitionen selbstverständlich ist, nämlich strategische Abklärungen sorgfältig zu treffen und Varianten durchzuspielen, um die beste Lösung zu finden, ist in der Landwirtschaft praktisch unbekannt. Es wird meist von Beginn weg auf eine einzige, zudem auch strategisch oft wenig durchdachte Karte gesetzt, und diese besteht aus dem Projekt, welches die beratende Firma ausgearbeitet hat.
Die IG NLB füllt die Lücke
Die Interessengemeinschaft nachhaltiges landwirtschaftliches Bauen (IG NLB) füllt hier eine Lücke. Sie bietet mit Beratern mit jahrzehntelanger Erfahrung diese zentrale Strategieberatung an. Sie treten als unabhängige Berater auf, die keine Eigeninteressen verfolgen, da sie nicht über die Baukostenanteile finanziert sind. Die IG hilft den bauwilligen Bauernfamilien, die betriebliche Situation umfassend zu analysieren und verschiedene Varianten durchzurechnen, bevor ein Detailprojekt ausgearbeitet wird.
Nicht selten wird die IG auch beigezogen, wenn ein Projekt bereits fertig geplant ist und wegen Bewilligungs- oder Finanzierungsproblemen ins Stocken gerät. An diesem Punkt wieder einen Schritt zurück zu machen und die Situation neu und unvoreingenommen nochmals anzuschauen, ist für die Bauernfamilien oft sehr schmerzlich. Denn in der Regel ist jahrelange Arbeit in das Projekt geflossen und eine starke Identifikation damit entstanden. Wir möchten deshalb bauwilligen Bäuerinnen und Bauern auffordern, sich frühzeitig an die IG zu wenden, um diese wichtigen Vorabklärungen vor ihrem Investitionsentscheid sorgfältig zu erarbeiten.
Neben der Beratungstätigkeit setzt sich die IG auch auf politischer Ebene für einen Vollzug der an sich guten gesetzlichen Grundlagen ein. Die IG NLB bringt sich mit im Rahmen der AP 2030+ ein und erarbeitet Vorschläge für eine bessere Investitionstätigkeit der Betriebe. Wir wünschen uns, dass auch der Bauernverband die Fehlentwicklung bei den Investitionshilfen des Bundes und die teils gravierenden Folgen für die Bauernfamilien vermehrt ernst nimmt. Im Gegensatz zum Agrarmarkt, wo der Bauernverband seit Jahrzehnten weitgehend erfolglos versucht, bessere Produzentenpreise zu verhandeln, wären klügere Investitionen und konsequente Kostensenkung zwei Hebel, der den Bauernfamilien sofort helfen würde, die Einkommenssituation zu verbessern.
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