Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative«Wir schützen, was wir lieben – mit einem klaren Ja zum Klimaschutzgesetz»Dienstag, 9. Mai 2023 Viereinhalb Stunden dauerte die erste Runde der Differenzbereinigung am 1. Juni 2023 in der kleinen Kammer – und das Geschäft konnte nicht einmal wie geplant zu Ende beraten werden. In der vorberatenden Kommission waren neunzig neue Anträge diskutiert sowie 14 Abklärungsaufträge an die Verwaltung erteilt worden, was auf die Komplexität des Geschäfts schliessen lässt.

Ziel: Verabschieden im Herbst 

Kommissionssprecher Beat Rieder (Mitte/VS) machte bereits zu Beginn der Debatte klar, dass am Ende kaum ein perfektes Gesetz resultieren werde, mit dem alle zufrieden seien. Dennoch sei das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien – Energie-Mantelerlass genannt – dringlich.

Insbesondere im Winter ist der Strom in der Schweiz knapp. Um eine Strommangellage zu vermeiden, lockerte der Bundesrat im vergangenen Jahr die Restwasservorschriften für Wasserkraftwerke, forcierte ein Gaskraftwerk im aargauischen Birr, richtete Sparappelle an die Bevölkerung und schuf eine Energiereserve. Für Energieminister Albert Rösti ist es oberstes Ziel, die Gefahr einer Mangellage möglichst rasch zu beseitigen, wie er im Ständerat sagte. Der Energie-Mantelerlass solle deshalb möglichst im Herbst von den Räten verabschiedet werden.

Keine umfassende Solarpanel-Pflicht

Weiter kippte der Ständerat die insbesondere von den Bürgerlichen kritisierte Solarpflicht für sämtliche Neubauten aus dem Gesetz. Es handle sich dabei um einen zu starken Eingriff ins Privateigentum und die Hoheit der Kantone, so der Tenor. Stattdessen beschloss die kleine Kammer, die verpflichtende Nutzung von Solarenergie auf Gebäuden ab einer Fläche von 300 Quadratmetern unbefristet ins geltende Recht zu überführen.

Bundesgesetz über sichere StromversorgungIm Parlament wird gefeilscht, wo Solar Pflicht sein sollMontag, 15. Mai 2023 Anders als der Nationalrat ist der Ständerat gegen eine Pflicht, Fahrzeugabstellflächen ab einer bestimmten Grösse mit Solarelementen zu überdachen. Die Mehrheit warnte vor einem Eingriff in kantonale Kompetenzen. Die Ratslinke wollte eine umfassende Solarpflicht wie der Nationalrat durchsetzen, scheiterte aber mangels Unterstützung aus der Mitte des Rates. Für Lisa Mazzone (Grüne/GE) rückt damit eine Solar-Volksinitiative näher. Ansonsten drohe man auf dem halbem Weg der Energiewende stehenzubleiben.

«Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte.»

Bundesrat Rösti betont die Wichtigkeit des Energie-Mantelerlasses

Ökonomie versus Ökologie

Ob dies realistisch ist, scheint zumindest fraglich. Wie die Wasser-, Wind- und Solarkraft konkret gefördert werden soll, ist umstritten. Alleine die Diskussion über die sogenannten Restwasserbestimmungen dauerte in der kleinen Kammer fast zwei Stunden.

Schliesslich setzte sich ein Einzelantrag von Stefan Engler (Mitte/GR) hauchdünn durch. Demnach soll der Bundesrat zur Erreichung der Produktions- und Importziele sowie bei einer drohenden Mangellage die Betreiber von Wasserkraftwerken verpflichten können, ihre Stromproduktion befristet zu erhöhen. Gelten würden nur noch die minimalen Restwassermengen nach aktuellem Gewässerschutzgesetz.

Der Nationalrat hatte im Frühling beschlossen, die Restwasservorschriften für bestehende Wasserkraftwerke zu sistieren, bis genügend Winterstrom vorhanden ist. Dies sorgte bei Umweltschützern für Empörung. Die zuständige Ständeratskommission beantragte deshalb, dass die Restwasserbestimmungen weiter uneingeschränkt gelten sollen. Der Antrag unterlag jedoch dem Vorschlag von Engler, der auch im Nationalrat zu reden geben dürfte. Roberto Zanetti (SP/SO) bezeichnete jegliche Lockerungen bei den Restwasserbestimmungen als «ökologischen Nonsens».

Rösti appelliert an die Vernunft

In einem anderen Punkt entschied der Ständerat dagegen im Sinne der Umweltschützer. Wie auch vom Nationalrat beschlossen, sollen Kraftwerke in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten weiterhin ausgeschlossen sein. In neu entstehenden Gletschervorfeldern und alpinen Schwemmebenen sollen solche jedoch grundsätzlich infrage kommen.

In zahlreichen weiteren Punkten gibt es Differenzen zwischen den Räten. Die Vorlage geht nach Abschluss der Debatte dann zurück an den Nationalrat. Energieminister Rösti zeigte sich überzeugt, dass am Ende ein guter Kompromiss gefunden werde. Im März hätte Rösti davor gewarnt, die Vorlage zu überladen: «Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte.»