Erster nationaler Bürger(innen)ratJetzt sagt die Schweizer Bevölkerung, wie die Ernährungspolitik aussehen sollDienstag, 17. Mai 2022 Nachdem das Konzept des Bürger(innen)rats für Ernährungspolitik von Biovision, Landwirtschaft mit Zukunft und dem Netzwerk für Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung (SDSN) vorgestellt worden ist, sind die Reaktionen kontrovers. Obwohl die Verantwortlichen das neuartige Gremium als interessante Ergänzung für die Schweizer Demokratie verstehen, sagt z. B. Nationalrat Leo Müller (Mitte/LU) in der Berner Zeitung (BZ): Es gebe genügend politische Instrumente, um Forderungen in die Politik zu tragen. In landwirtschaftlichen Kreisen gehen die Meinungen auseinander, wie eine Nachfrage beim Schweizer Bauernverband und der Agrarallianz zeigt.

Der SBV war von Anfang dagegen

Beim Schweizer Bauernverband (SBV) hat man keine Freude am Bürger(innen)rat. «Wir haben den Initianten von Anfang an gesagt, dass wir die Idee kritisch sehen und bezweifeln, dass es ein solches Gremium braucht», sagt SBV-Direktor Martin Rufer auf Anfrage der BauernZeitung. Auch dass der Bund den Rat mitfinanziert – mit 400'000 Franken, wie die BZ schreibt – findet der SBV problematisch. Da das Vorhaben nun doch umgesetzt wird, werde man als Vertreter der Stakeholder-Gruppe Produktion insofern beteiligen, als dass die Sichtweise des Verbands den Bürger(innen) dargelegt wird. «Unterstützt haben wir den Rat aber nie», stellt Martin Rufer klar. 

Die Agrarallianz sieht eine Chance

Biovision ist Mitglied der Agrarallianz, die ihrerseits als zweite Vertreterin der Stakeholder-Gruppe Produktion im Bürger(innen)rat auftritt. «Das ist ein Format, mit dem versucht wird, einmal auf eine andere Weise eine Antwort auf die Frage nach einer guten Ernährungspolitik zu finden und einen Schritt weiterzukommen. Insofern ist das spannend», umreisst Hansjürg Jäger, Geschäftsführer der Agrarallianz, seine Sicht. Für ihn ist es eine grosse Chance, dass sich so viele – auch junge oder Landwirtschafts-ferne – Menschen für das Thema interessieren und sich beteiligen. «Die Erwartung ist schon, dass man mit einem solchen Rat eher weitergehende Lösungen findet», fährt Jäger fort. Das habe sich auch im Ausland gezeigt. «Die Frage ist dann, wie weit die Politik in der Interessenabwägung diesen Vorschlägen entsprechen kann.» In jedem Fall begrüsst der Geschäftsführer der Agrarallianz, dass auch der SBV seine Perspektive für eine nachhaltige und gesunde Entwicklung der Landwirtschaft darlegen wird.  

Ein Interesse an der Meinung von Bürgern

Gegenüber der BZ rechtfertigt sich das Bundesamt für Landwirtschaft, das – neben jenem für Umwelt und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen – am Bürger(innen)rat beteiligt ist. Der Bund habe ein Interesse daran, zu erfahren, was eine repräsentative Gruppe der Bevölkerung über nachhaltige Ernährungssysteme denke bzw. was sie der Politik empfehle. Ausserdem eröffne das Projekt die Chance, die Deblockierung in politischen Debatten zu unterstützen.