AboMitarbeitendeLandwirtschaftliche Angestellte sollen mehr Lohn für weniger Arbeit erhaltenSonntag, 20. März 2022 Ein fünfköpfiges Bündnis aus Mitgliedern der Grünen, SP, GLP und die Mitte hatte die Motion im letzten Jahr im Grossen Rat eingereicht. Darunter sind mit Regina Fuhrer-Wyss (SP) und Christine Bühler (die Mitte) auch zwei Bäuerinnen. Gemeinsam wollten die Grossrät(innen) eine Anpassung des Normalarbeitsvertrags (NAV) für die Berner Landwirtschaft erwirken, um die Arbeitsbedingungen für landwirtschaftliche Angestellte zu verbessern.

Namentlich sollte ein verbindlicher Mindestlohn von 4000 Franken brutto pro Monat eingeführt, die Wochenarbeitszeit schrittweise zuerst auf 49,5 und später auf 45 Stunden gesenkt und die Landarbeit dem Arbeitsgesetz unterstellt werden.

Das Problem nicht nach unten weitergeben

«Auch viele Bauernfamilien arbeiten lange und hart für unsere Ernährungssicherheit», hielt in der Debatte Grossrätin und Mitmotionärin Dominique Bühler (Grüne) fest. Fakt sei aber, dass rund ein Viertel der Beschäftigten externe Angestellte seien. Damit ist aus ihrer Sicht der Handlungsbedarf auch angesichts des Arbeitskräftemangels und ähnlicher Anpassungen in anderen Kantonen gegeben. Bühler war sich aber auch bewusst, wie sie weiter erklärte, dass ihre Vorschläge für viele aus Landwirtschaftskreisen zu weit gehen – gerade angesichts der aktuellen Lage.

«Es ist aber nicht die Lösung des Problems, es weiter nach unten zu verschieben», argumentierte die Grossrätin. Die aktuelle Kostensteigerung werde alle treffen und die schlechten Arbeitsbedingungen seien schon seit Langem ein Problem.

Auch eine Frage der Ausstrahlung

Hannes Zaugg-Graf (GLP)  machte klar, dass er – obwohl ebenfalls Mitmotionär – ein Vorgehen in kleineren Schritten begrüsst hätte. Das gelte auch für die GLP-Fraktion, die nur dem ersten Punkt zustimme. Beim Punkt drei, der Arbeitsrechts-Unterstellung sei es sogar so, dass die Vorschriften auch in anderen Gewerben nicht immer eingehalten werden. «Ich persönlich arbeite auch zu Zeiten, zu denen ich es eigentlich gar nicht tun dürfte», so der Unternehmer.

«Die Landwirtschaft drückt sich mit so schlechten Arbeitsbedingungen selbst den M-Budget-Stempel auf – für eine anspruchsvolle Arbeit und wertvolle Produkte», warnte Christine Bühler. Das Anliegen habe für sie daher nicht nur den gewerkschaftlichen Aspekt, sondern es gehe auch um die Ausstrahlung. Bei Spezialkulturen seien die hohen Arbeitskosten im Übrigen im Produktpreis enthalten. Dass in der Antwort des Regierungsrats Arbeitnehmer und -geber auf eine Ebene gestellt werden, verstehe sie nicht ganz. «Jeder Selbstständigerwerbende teilt sich seien Arbeitszeit selbst ein, Angestellte können das nicht», gab sie zu bedenken.

Zu wenig flexibel und ein Wettbewerbsnachteil

Die FDP könne diese Forderungen nicht unterstützen, führte Michael Elsaesser (FDP) aus. Dies aus vier Gründen:

  1. Die grossen saisonalen Schwankungen beim Arbeitsanfall in der Landwirtschaft erfordern Flexibilität. Diese würde durch eine kürzere Wochenarbeitszeit eingeschränkt.
  2. Es gebe bei den Anstellungsbedingungen wenig kantonale Unterschiede und eine Verschärfung im Kanton Bern sei daher eine Verzerrung des Wettbewerbs.
  3. Mindestlöhne gebe es bereits für Menschen mit sehr geringem Fachwissen oder beschränkter Arbeitsfähigkeit.
  4. Der technische Fortschritt werde die Arbeitszeit tendenziell senken.

Vergleichbar mit der restlichen Wirtschaft

Beat Bösiger, selbst Gemüsebauer und SVP-Grossrat, betonte die bisherigen Entwicklungen der Landwirtschaft in Sachen Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen. So gebe es verschiedene Kategorien von in der Landwirtschaft tätigen Personen, wie Landwirt(innen) EFZ, Lernende, gelernte und ungelernte Arbeitskräfte (meist ausländische Gastarbeiter). Gelernte Angestellte seien sehr gesucht und Löhne sowie Arbeitszeit vergleichbar mit der restlichen Wirtschaft. «Lernende wissen, worauf sie sich einlassen», fuhr Bösiger fort, «für sie ist es eine Berufung». Wenn man heuen müsse, müsse man heuen.

Vorteile für Gastarbeiter in der Landwirtschaft

Petition «55 Stunden sind zu viel»Maximal 45 Stunden pro Woche und mindestens 4000 Franken pro MonatDienstag, 19. Oktober 2021 Ungelernte und Gastarbeiter würden mit dem Minimallohn einsteigen, gute Mitarbeiter aber schnell gefördert und auch besser entlohnt. Mehr Lohn bei geringerer Arbeitszeit hätte laut Beat Bösiger eine grosse Wirkung auf die Produktpreise. «Gastarbeiter werden bei uns integriert und ausgebildet, oft lernen sie auch noch die Sprache.» Er betonte die Vorteile ihrer Unterbringung auf dem Betrieb, wie kein Arbeitsweg sowie Kost und Logis – damit sei der Nettolohn am Ende gar nicht so schlecht. Im Übrigen würden sie viel mehr verdienen als im Ausland und die Jahresarbeitszeit sei eine gute Lösung. Wegen des grossen Aufwands im Biolandbau befürchtet der FDP-Grossrat weiter negative Auswirkungen einer Annahme der Motion auf die Berner Bio-Offensive. «Belasten wir unsere Bauernbetriebe nicht noch weiter und lehnen den Vorstoss ab», so sein Aufruf ans Plenum.

Klares Nein im Endergebnis

Wie angekündigt stimmten die anwesenden SVP- und FDP-Grossrät(innen) sowie die EVP und EDU geschlossen gegen alle drei Forderungen der Motion, SP-JUSO und Grüne (fast) sämtlich dafür. Ein Nein gab es für die Ziffern 2 und 3 auch von GLP, während einzelne GLP-ler einer Erhöhung des Mindestlohns zustimmten. Christine Bühler war in ihrer Mitte-Partei die einzige Unterstützerin des Vorstosses, wobei sie sich beim dritten Punkt enthielt. Es resultiert ein Gesamtergebnis von 86 Nein- zu 52 Ja-Stimmen bei 7 Enthaltungen.

Die Aufzeichnung der Debatte im Grossen Rat finden Sie hier.