Während man das Wasser aus der Leitung und der meisten Brunnen in der Schweiz bedenkenlos trinken kann, ist das bei Seen, Flüssen und Bächen bekanntermassen anders. Schliesslich hat das kostbare Nass im Fall dieser Wasserläufe nicht einen langen und reinigenden Weg durch den Untergrund hinter sich. Aber die verschiedenen Wasserwege bilden ein Gesamtsystem, das in einem Bericht «Gewässer in der Schweiz» des Bundesamts für Umwelt (Bafu) zum ersten Mal als Ganzes untersucht worden ist. Das Fazit ist gemischt.

Gewässer verlieren ihre Funktionsfähigkeit

MassnahmenplanBundesrat hat entschieden: 10-%-Toleranzgrenze fällt, 3,5 % Ökofläche im Acker kommtMittwoch, 13. April 2022 «Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gewässer ihre für Menschen und Natur essenziellen Aufgaben nicht mehr überall erfüllen können», schreiben die Autoren. In der Vergangenheit stand meist die Diskussion um Grundwasser als wichtigste Trinkwasserressource im Vordergrund. Mancherorts könne diese wegen Verunreinigungen mit Nitrat und den Metaboliten von Pflanzenschutzmitteln (PSM) nur noch eingeschränkt genutzt werden. Um dem entgegenzuwirken, befindet sich beispielsweise das Bundesgesetz über die Verminderung der Risiken durch den Einsatz von PSM (Absenkpfad Pestizide) in der Umsetzung.

Weiteren Druck auf das Trinkwasser sieht man von anderer Seite als aus der Landwirtschaft: Mit der Ausdehnung der Siedlungsfläche steige das Risiko für Verunreinigungen und es fehlten freie Flächen für Schutzzonen und neue Fassungen.

Schutzzonen und Zuströmbereiche fehlen

Empfehlung an den BundesratProgramme für den Gewässerschutz sollten obligatorisch werden, findet die GPK-NDonnerstag, 30. Juni 2022 Laut dem Bericht sind die Schutzzonen für Grundwasserfassungen mehrheitlich ausgeschieden. Sie umfassen jeweils nur wenige 100 Meter um die Fassung. Im Gegensatz dazu sollten mehr Zuströmbereiche ausgeschieden werden, in denen geeignete Massnahmen bei der Bewirtschaftung den Eintrag von schwer abbaubaren Stoffen wie Nitrat oder PSM-Metaboliten verhindern sollen. Nur für einen Bruchteil der heute belasteten Grundwasserfassungen sei dies bereits geschehen – unter anderem noch nicht bei den meisten Seen mit zu hohem Nährstoffeintrag. «Wo notwendig, muss die landwirtschaftliche Nutzung im Zuströmbereich so angepasst werden, dass sie mit den Anforderungen des Gewässerschutzes vereinbar ist», hält das Bafu fest.

Die Rolle der Kläranlagen

Abwasserreinigungsanlagen (ARAs) stehen zwischen dem Abwasser aus Haushalten, das z. B. mit Reinigungsmitteln, Kosmetika und Medikamenten belastet ist, und dem Gewässersystem. Ihrer Reinigungsleistung kommt daher eine entscheidende Rolle zu. Man bezeichnet die Leistung von Kläranlagen als Erfolgsgeschichte, gehörten doch Schaumberge auf Flüssen und extrem überdüngte Seen der Vergangenheit an. Ausgewählte grosse ARAs werden heute ausgebaut, um noch mehr Stickstoff zurückhalten zu können und auch Mikroverunreinigungen auszufiltern. «Beispiele ausgebauter ARAs zeigen, dass die betroffenen Gewässer deutlich entlastet werden», heisst es dazu im Bafu-Bericht.

In grossen Flüssen überschreiten demnach einzelne Arzneimittel ihre ökotoxikologischen Grenzwerte und werden damit zur Gefahr für empfindliche Tier- und Pflanzenarten. In kleinen Bächen seien es in erster Linie PSM, die in für die Umwelt zu hohen Konzentrationen vorliegen. Sie werden stärker von der Landwirtschaft geprägt als grosse Flüsse, in die das Abwasser nach der Behandlung in einer Kläranlage fliesst.

Wie gross ist der Stickstoffeintrag via Abwasser?

Manche Verunreinigungen lassen sich einigermassen klar zuordnen: PSM stammen in der Regel aus der Landwirtschaft, Rückstände von Kosmetika, Medikamenten und Putzmitteln aus ARAs, Pneuabrieb von Strassen. Stickstoff kommt aber nicht nur in landwirtschaftlich genutztem Dünger vor, sondern ebenso im Abwasser – auch nach der Reinigung. ARAs können nach Angaben des Bafu etwa 90 Prozent der Phosphorfracht aus dem Abwasser entfernen, aber nur die Hälfte des Stickstoffs. Wenn ein Gewässer einen hohen Anteil an gereinigtem Wasser enthalte, könne die Nährstoffkonzentration als Folge davon stellenweise zu hoch sein.

Auch wenn Abwasserreinigungsanlagen und Landwirte im Umgang mit Gülle mit einem ähnlichen Rohstoff arbeiten, lassen sich die beiden Systeme nur sehr bedingt vergleichen. (Bild Pixabay)StickstoffWieviel Ammoniak kommt aus Kläranlagen?Montag, 6. Juli 2020Gemäss dem Verband der Schweizerischen Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) gelangen heute 20'000 t Stickstoff pro Jahr via ARAs in Schweizer Gewässer. Der VSA sieht sich aber nicht als Hauptverantwortlicher für zu hohe Nährstoffkonzentrationen in Flüssen und Bächen. Schliesslich trage die Landwirtschaft über 100'000 t Stickstoff pro Jahr ein, die zudem direkt ins sensible Grundwasser gelangen könnten.

Besser schützen und revitalisieren

Alles in allem zeigen die Daten des Bafu, dass der Gewässerschutz funktioniert. Gleichzeitig müssten weitere gemeinsame Anstrengungen von allen Akteuren – Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft, Verbände und Behörden – unternommen werden. Auch aufgrund des Klimawandels, der bestehende Probleme verschärft.

Die Autoren des Berichts messen neben dem Schutz auch der Revitalisierung von Schweizer Gewässern eine grosse Bedeutung bei. Natürlichere Wasserwege bieten Lebensräume für mehr Arten, tragen zum Hochwasserschutz bei, sind resilienter und kommen besser mit dem Klimawandel zurecht. Zusammenfassend sieht das Rezept des Bafus eine Senkung der Einträge von Nährstoffen und PSM in Gewässer ebenso vor, wie die naturnahe Gestaltung von Flüssen und Seeufern.

 

Ungutes schwimmt in Schweizer Gewässern
Mit dem Abwasser gelangen die Zutaten von Wasch- und Putzmitteln, Kosmetika und Medikamente in die Kanalisation. Was die ARAs nicht ausfiltern können, fliesst in Flüsse. Hinzu kommt, was die Industrie einleitet. Im Rhein bei Basel gibt es eine Überwachungsstation, die pro Jahr laut dem Bafu total 140 Tonnen organische Mikroverunreinigungen misst. 2020 seien darunter 20 Tonnen EDTA gewesen (ein verschiedentlich eingesetzter Komplexbildner), 17 Tonnen Guanylharnstoff (ein Abbauprodukt von Arzneimitteln), 7 Tonnen des künstlichen Süssstoffs Acesulfam und 8 Tonnen der Industriechemikalie Melamin. Einerseits können solche Einträge eine Gefahr für Tiere und Pflanzen im Rhein sein, aber auch in Gewässer zur Trinkwassernutzung gelangen.

Neben PSM und Nährstoffen finden grössere Mengen Pneuabrieb aus dem Verkehr ihren Weg in Gewässer, im Bafu-Bericht ist die Rede von 2000 Tonnen jährlich. Kunststoffpartikel stammen auch vom Waschen von Kleidern aus Kunstfasern, aus Kosmetika oder Littering. Erstere werden grossmehrheitlich in der ARA zurückgehalten. Mikroplastik in Gewässern (rund 15 Tonnen pro Jahr) sei daher v.a. eine Folge achtlos weggeworfenen Abfalls.

Absenkpfad PestizideSo will Agroscope das Risiko durch Pflanzenschutzmittel berechnenMontag, 17. Januar 2022