Im Nationalrat ging es emotional zu und her. Gleich zu Beginn der Debatte fand Pierre-André Page (SVP/ FR), der den aktuellen Vorschlag für die Revision des Jagdgesetzes vorstellte, deutliche Worte: «Der Wolf ist unter uns. Die Population wächst. Die Gebiete, in denen es Angriffe gibt, entwickeln sich bis vor unsere Türen.» Daher müsse proaktiv gegen die Grossraubtiere vorgegangen werden, appellierte er eindringlich.

Der Wolf als Schädling und Nützling

Es entspann sich ein zähes Hin- und Her, bei dem die Redner(innen) nicht selten auf persönlicher Ebene argumentierten. So wurde der Zürcher Grünen-Nationalrat Bastien Girod gefragt, ob er eigentlich schon mal mit einem Landwirt über den Wolf gesprochen habe. Dies, nachdem Girod den Nutzen des Wolfes für den Wald betont hatte. Beim Abschuss müsse darauf geachtet werden, gezielt problematische Wölfe zu erlegen und nicht in unauffällige Rudel einzugreifen, so seine Meinung. Man solle eine sinnvolle Lockerung unterstützen, die nicht übers Ziel hinausschiesse. «Manchmal ist der Wolf ein Schädling, aber es gibt eben auch gewisse Wölfe, die Partner beim Schutze des Waldes sind», fasste Girod zusammen.

Forstverein bleibt ungehört

Die Funktion der Grossraubtiere beim Schutz der natürlichen Waldverjüngung wurde mehrmals genannt. Trotz des Protests des Schweizerischen Forstvereins im Vorfeld der Nationalrats-Debatte blieb man aber dabei, den Erhalt regional angepasster Wildbestände als eine mögliche Rechtfertigung für die Wolfsregulation im neuen Jagdgesetz zu verankern. Hingegen fand die Sicherung der Waldverjüngung nicht Eingang in die Vorlage.

Durch Regulation «Schaden» verhindern

Die vom Nationalrat angenommene Version des Jagdgesetzes nennt folgende Punkte, die als Gründe für Regulierungen von Wölfen (und Steinböcken) gelten sollen:

  • Lebensräume schützen oder die Artenvielfalt erhalten; oder
  • das Eintreten eines Schadens oder einer Gefährdung von Menschen zu verhindern, sofern dies durch zumutbare Schutzmassnahmen nicht erreicht werden kann; oder
  • regional angemessene Wildbestände zu erhalten.

Für Wölfe ist eine Jagdzeit zur Bestandsregulierung vom 1. September bis 31. Januar vorgesehen. Der Antrag einer Minderheit, die Schonzeit zu streichen, fand keine Mehrheit. Mit dem beschränkten Zeitraum will man verhindern, Muttertiere von noch abhängigen Jungwölfen zu schiessen. Das sei eine ethische Frage, erklärte Stefan Müller-Altermatt (EVP/SO).

Herdenschutz bleibt wichtig

Die Bestandsregulierung ist demnach an den Herdenschutz geknüpft (siehe Punkt zwei oben): Nur wenn damit Schaden nicht verhindert kann oder entsprechende Massnahmen als nicht zumutbar gelten, darf geschossen werden. Im Nationalrat sorgte es allerdings für Diskussionen, dass im Gesetzestext nur von «Schaden» und nicht von «grossem Schaden» die Rede ist. Müller-Altermatt gab zu bedenken, schon gemäss der Berner Konvention werde ein grosser oder erheblicher Schaden für Abschüsse vorausgesetzt und es komme daher nicht auf diese Formulierung an.

Abschüsse in Rudeln wären grundsätzlich ganzjährig möglich

Nach den Entscheiden von Nationalrat und Ständerat sind Eingriffe in Wolfsrudel aber auch weiterhin im Sommer möglich, also ausserhalb des Zeitfensters zur Bestandsregulierung. Dafür muss ein Rudel aber für aussergewöhnliche Risse verantwortlich gemacht werden können, z. B. von Rindern oder Pferden. Ausserdem braucht es dafür die Zustimmung des Bundesamts für Umwelt.

Wegen noch offener Details geht die Revision des Jagdgesetzes noch einmal in den Ständerat. Die Beratungen sind für den 12. Dezember 2022 geplant.

 

SBV ist mehrheitlich zufrieden
In einer Mitteilung begrüsst der Schweizer Bauernverband (SBV), dass künftig der Wolfsbestand reguliert werden soll, bevor Schäden an Nutztieren entstehen. Einige wichtige Minderheitsanträge seien aber nicht angenommen worden, heisst es weiter. Dennoch hofft der SBV, dass die Revision des Jagdgesetzes in dieser Wintersession fertig beraten und verabschiedet wird, damit die neuen Regeln möglichst rasch in Kraft treten.