Über Margen redet niemand gerne. Diese Erfahrung mussten auch Jean Busché und Sandra Imsand des Westschweizer Konsumentenverbandes (Fédération romande des consommateurs FRC) machen.

2 Rappen für eine Gurke

Für eine Studie nahmen sie die Preispolitik von Coop und Migros beim Schweizer Gemüse unter die Lupe. Sie berechneten unter anderem, dass ein Schweizer Gemüsebauer an einer Gurke, die im Laden durchschnittlich 1.80 Franken kostet, nach Abzug aller Kosten gerade mal ein paar Rappen verdiene. Im Jahr 2021 blieben ihm davon durchschnittlich 13 Rappen – 2022 seien es aufgrund der gestiegenen Preise für Treibstoff und Dünger sogar lediglich zwei Rappen.

Von Pontius zu Pilatus

An die Zahlen zu kommen, gestaltete sich für Busché und Imsand allerdings schwierig – sie wurden von Pontius an Pilatus verwiesen. Von Interessengruppen über den Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) bis hin zur Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau hiess es, diese Zahlen seien (fast) nicht vorhanden. Auch der Bund liess verlauten: «Wir können keine Informationen über Bruttomargen geben.»

«Schlechte Idee, sich damit zu befassen»

Das BLW veröffentlicht zwar Erhebungen zu den durchschnittlichen Konsumentenpreisen beim Gemüse, es gibt aber keine Infos darüber, welchen Anteil das Sortieren, Waschen, Verpacken, Transportieren, Lagern oder Verteilen am Endpreis hat. Statistiken über die Produzentenpreise fehlten ebenfalls, bemängeln die Studienautoren. Bei der Fenaco sei auch nichts zu erfahren gewesen, ein Verantwortlicher habe ihnen sogar gesagt: «Es ist eine schlechte Idee, sich mit diesem Thema zu befassen.»

Gemüseproduzenten waren vorsichtig

AboGemüsebauEine Studie prangert die Margen im Gemüsebau an – Produzenten fordern höhere PreiseMontag, 31. Oktober 2022 Also beschlossen die beiden, auf Gemüseproduzenten zuzugehen. Einfach war auch das nicht: «Jeder, mit dem wir gesprochen haben, kennt den Fall eines Produzenten, dessen Bestellungen plötzlich einbrachen, nachdem er es gewagt hatte, sich öffentlich über das System zu beschweren», schreiben sie in der Studie.

Es habe viel Zeit, Geduld und Durchsetzungsvermögen gebraucht, aber nachdem ein Vertrauensverhältnis aufgebaut gewesen sei, hätten sich die Gemüsebauern bereit erklärt, ihre Produktionskosten offenzulegen. Kein Landwirt war aber dazu bereit, namentlich genannt zu werden. Ausserdem rundeten die Autoren die zur Verfügung gestellten Preise leicht ab, um ihre Quellen zu schützen.

Detailhändler schweigen sich über Margen aus

Kommen wir zurück zu den Studienresultaten, nach denen die Produktionskosten einer Gurke, die in der Migros 1.80 Franken kostet, 96 Rappen betragen. Zwischenkosten wie etwa für den Transport schlagen mit 28 Rappen zu Buche. Der Nettoverdienst des Gemüsegärtners beträgt wie erwähnt zwei Rappen. 54 Rappen bleiben also für die Migros übrig. Wie hoch die Marge darauf ist, darüber schweigt sich der orange Riese gegenüber den Studienautoren aus. Auch Coop will sich nicht zu seinen Margen äussern.

Kosten variieren stark

Dafür, dass es ohne Bauern gar keine Gurken zu kaufen gäbe, ist zwei Rappen sehr wenig Geld. Fakt ist: Der Gemüsebauer muss vom Kauf des Saatguts bis zur Ernte eine Vielzahl unterschiedlicher Kosten tragen. Sie variieren stark von Betrieb zu Betrieb und von Kultur zu Kultur. Wenn sich der Betrieb auf eine gewisse Kultur spezialisiert hat, kann er Grössenvorteile nutzen und seine Kosten senken. Baut er viele verschiedene Kulturen an, werden seine Kosten stärker gestreut sein.

Dünger 60 Prozent teurer

In der letzten Zeit sind die Produktionskosten durch die aktuelle Konjunkturlage und die grossen Krisen wie Corona und den Krieg in der Ukraine stark gestiegen. Düngemittel sind 60 % teurer als im Vorjahr, Diesel und Gas, zum Heizen der Gewächshäuser, sind deutlich teurer geworden. Die von der BauernZeitung zur Situation befragten Gemüseproduzenten sagen unisono, dass ihre Kosten gestiegen seien und eine Anpassung der Produzentenpreise nach oben angezeigt wäre.

«Es kann nicht sein, dass die Bauern das ganze Risiko haben, aber fast nichts an ihren Produkten verdienen», sagte Sophie Michaud Gigon, Nationalrätin der Grünen und Geschäftsführerin des welschen Konsumentenverbandes, gegenüber «Blick» hinsichtlich der Studie.

Beim Labelfleisch sind Margen schon länger Thema

UniterreParlamentarische Initiativen legen das Thema Margen auf den TischDonnerstag, 6. Oktober 2022 Auch wenn die Detailhändler und scheinbar in Teilen auch die Branche lieber über das Thema Margen schweigen, so ist es doch gut, dass dieses auf den Tisch kommt – nicht nur beim Gemüse. Beim Labelfleisch etwa läuft schon länger eine Diskussion darüber, initiiert unter anderem vom Schweizer Tierschutz.

Auch die Politik interessiert sich vermehrt für das Thema. Die grünen Nationalrätinnen Isabelle Pasquier-Eichenberger (GE) und Valentine Python (VD) haben in Zusammenarbeit mit Uniterre zwei parlamentarische Initiativen eingereicht. Angestrebt werden mehr Transparenz bei der Preisbildung und den Margen. Ausserdem soll eine Ombudsstelle eingerichtet werden, die gegen unlautere Handelspraktiken vorgeht.

Grosses Fragezeichen

Ob diese Diskussionen und Anstrengungen reichen, um mehr Transparenz in das System zu bringen und irgendwann fairere Produzentenpreise zu erreichen, bleibt ein grosses Fragezeichen.