Sowohl das Amtsgericht Haldensleben, wie auch das Landgericht Magdeburg, stellten zwar den Tatbestand des Hausfriedensbruches fest, wollten aber wegen Notstand und Versäumnissen bei staatlichen Kontrolle keine Strafe aussprechen. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Magdeburg Revision eingelegt, die nun abgewiesen wurde. Die Freisprüche sind damit rechtskräftig.
«Rechtfertigender Notstand»
Die Richter des 2. Strafsenats am OLG Naumburg (Deutschland) bestätigten mit ihrem Urteil am Donnerstag nach Angaben des Gerichts die Auffassung des Landgerichts in Magdeburg, wonach beim Stalleindringen ein rechtfertigender Notstand vorlag. «Das Tierwohl stelle ein notstandsfähiges Rechtsgut dar, dem durch die von den Angeklagten dokumentierten Missstände dauerhafte Gefahr gedroht habe», stellten die Richter fest.
Die Tat sei zur Abwendung der Gefahr erforderlich gewesen, weil mit einem Eingreifen der zuständigen Behörden nach den zuvor erzielten Erfahrungen nicht zu rechnen gewesen sei. Das von den Angeklagten geschützte Tierwohl sei im vorliegenden Fall deutlich höher zu bewerten als das verletzte Hausrecht. Dabei habe der Senat auch berücksichtigt, dass die Gefahr für das von den Angeklagten geschützte Tierwohl vom Inhaber des Hausrechtes ausgegangen war.
Zugleich betonte der Richter laut Nachrichtenagentur dpa, das Urteil sei «kein Freibrief für tatsächliche oder selbst ernannte Tierschützer». Eine Notstandshandlung dürfe nur dann begangen werden, wenn es keine andere Möglichkeit gebe und massive Rechtsverstösse vorlägen. Laut einem Gerichtssprecher dürfte das Urtel das erste seiner Art sein.
Stark ausgeprägtes Mitgefühl für Tiere
Nach Feststellung des Landgerichtes Magdeburg überstiegen jeweils zwei der Angeklagten in den Nachtstunden des 29. Juni und des 11. Juli 2013 die Umzäunung der Anlage. Sie betraten über geöffnete Türen die Ställe, um dort Filmaufnahmen zu machen. Sie stellten Verstösse gegen die vorgeschriebenen Haltungsbedingungen fest und dokumentierten diese filmisch. Die Angeklagten hätten hierbei aufgrund ihres stark ausgeprägten Mitgefühls für Tiere mit dem Ziel gehandelt, die zuständigen staatlichen Stellen dazu zu veranlassen, auf die Einhaltung der Tierschutzregeln hinzuwirken.
In der Folgezeit legten sie das Filmmaterial den zuständigen Behörden vor und erstatteten Strafanzeige gegen die verantwortlichen Personen des Tierzuchtunternehmens. Im Zuge der hierdurch veranlassten behördlichen Kontrollen in den Stallungen wurden diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung festgestellt.
Kritik vom Bauernverband
Sachsen-Anhalts Bauernverband kritisiert das Urteil scharf. «Das ist untragbar», sagte Sprecher Christian Apprecht laut «Volksstimme.de». Das Urteil ermuntere Nachahmer, in fremdes Eigentum einzudringen. Es stehe allein Behörden zu, Betriebe zu kontrollieren.
Sachsen-Anhalts Agrarministerin, die Grüne Claudia Dalbert, hingegen zeigte sich mit dem Urteil sehr zufrieden. «Implizit ist das die Aufforderung an die Politik, hier endlich konkret tätig zu werden. Es ist jetzt Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen, dass der Tierschutz in den Schweineställen flächendeckend eingehalten wird», zitiert sie die Zeitung.
AgE/jw