Der starke Regen der vergangenen Tage hat ihnen zugesetzt, den feinen, kleinen Beeren, die erst vereinzelt an den stacheligen Ästen der hoch aufgeschossenen Goji-Pflanzen wachsen. Im Gegensatz zu vielen runden Beeren, die ebenfalls auf den 25 Hektaren grossen Beerenplantagen der Familie Räss im zürcherischen Benken wachsen, sind die Gojis eiförmig und mit einer Länge von ungefähr 1,2 Zentimeter eher klein.

Auffällig ist, dass nicht alle Goji-Beeren zur selben Zeit reif sind. So sieht man neben orange-roten Früchten auch blasse, kleine Beeren, die noch ein paar Tage Sonnenschein nötig haben. Aber auch feine zart-violette Blüten hängen noch rispenartig an den stacheligen Ästen, die bis zu vier Meter hoch werden können.

Ernte von Juni bis November

Für die Familie Räss ist das praktisch, so lassen sich die Beeren von Juni bis November ernten, was die Kundschaft freut. Die reifen Früchte schmecken süss mit einem leicht bitteren Nachgang. Oft werden sie ähnlich einer Mischung aus Cranberrys und Sauerkirschen beschrieben.

Sie peppen besonders Müeslis, Joghurt, Quark und auch Salate jeglicher Art auf. Ähnlich wie Preiselbeeren passen sie zu herzhaften Fleischgerichten, besonders zu Wild. Aber auch Kuchen und Torten verleihen sie eine besondere Note.

Kein Superfood, aber sehr gesund

Während Gojis in den vergangenen Jahren als Wunderbeeren mit einem sehr hohen gesundheitlichen Wert angepriesen wurden, warnen Skeptiker vor zu vielen Schadstoffen. Doch Schlagzeilen von der einen und der anderen Sorte wechseln sich ab. Was für die einen als Powerfood gilt, wird von anderen als überteuertes und überschätztes Lebensmittel klassiert.

Ursprünglich kommt die Pflanze aus dem asiatischen Raum und wird grösstenteils im Nangxial-Tal in China angebaut. In der chinesischen Medizin werden die Beeren seit 6000 Jahren wegen ihrem hohen Gehalt an Mineralien und Vitaminen geschätzt. So sollen diese gut für die Augen sein, das Immunsystem stärken und für eine ausgeglichene Darmflora sorgen.

Doch was gilt nun wirklich? David Fäh, Dozent für Ernährung und Diätetik an der der Berner Fachhochschule, sagt, dass Goji-Beeren zur Gattung der Bocksdorne und damit zu den Nachtschattengewächsen gehören und die Beeren eine relativ hohe Dichte an antioxidativ wirksamen Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen aufweisen.

Seines Erachtens können es einheimische Beeren, vor allem die Himbeeren, betreffend gesunden Inhaltsstoffen, gut mit den Gojis aufnehmen. Je stärker die Beeren verarbeitet werden, desto eher gehen wertvolle Inhaltsstoffe verloren. Auch beim Trocknen gehe Flüssigkeit und damit Sättigungspotential verloren und Kalorien werden verdichtet.

Gemäss Fäh haben einheimische Beeren teilweise sogar höhere Konzentrationen an Nährstoffen zu bieten. Speziell dann, wenn sie saisonal und regional produziert werden, was Fäh als grosses Potenzial bezeichnet.

Sehr gute Zukunftsaussichten

Hans Räss (58) und seine beiden Söhne Simon (28) und Christoph (24) stehen vor grossen Herausforderungen. Der landwirtschaftliche Betrieb mit rund 50 Hektaren Produktionsfläche wurde früher mit konventioneller Milchwirtschaft betrieben. Später hat sich Hans Räss auf die Produktion von Kartoffeln spezialisiert. Nun steht die familieninterne Nachfolge durch Christoph und Simon an, dazu gehört aber auch eine strategische Neuorientierung. Weg vom Kartoffelhersteller, hin zum biologischen Wildbeerenproduzenten, lautet das Ziel mit einer klaren Nischenausrichtung.

Die beiden Söhne und der Vater, der auch in Zukunft mit der langjährigen Erfahrung zur Verfügung steht, sind zuversichtlich und glauben mit der Wildbeerenproduktion aufs richtige Pferd zu setzen. Zumal sich ihr Betrieb bereits im zweiten Umstellungsjahr befindet und sich auch durch eine hohe Innovationskraft deutlich von der Konkurrenz im In- und Ausland abhebt.

Biologisch angebaute Goji-Beeren werden weltweit nur marginal angepflanzt und deshalb erkennen die zukünftigen Betriebsleiter ein erhebliches Potenzial. Sie möchten sich primär auf die Herstellung der zukunftsträchtigen Aronia- und Goji-Beeren konzentrieren. Bei den Aronia-Beeren zählen sie heute schon zu den zwei grössten Produzenten in der Schweiz und die Wertschöpfung liege so entsprechend hoch, sagt Simon Räss, der in Zollikofen Agronomie studierte und im vergangenen Jahr auch das Masterstudium in Betriebswirtschaft in St. Gallen abgeschlossen hat.

Verlässliche Partner

Als Handelspartner hat sich die Familie Räss die Landi Hüttwilen ausgesucht. "Wir fühlen uns gut aufgehoben und können von der grossen Erfahrung des Geschäftsführers Jürg Weber und dessen Team profitieren", sagt Simon Räss.

Als erste Medienberichte über den biologischen Anbau der Wildbeeren im Weinland publiziert wurden, seien die Grossverteiler schnell zur Stelle gewesen und suchten die Zusammenarbeit mit ihnen, sagt Räss weiter. Man wählte dann die Zusammenarbeit mit dem Grossverteilern via Landi Hüttwilen, die ihnen bei der Vermarktung der zukunftsträchtigen Bio-Beeren zur Seite steht.

Jürg Weber von der Landi sieht in der Produktion der Familie Räss hohes Potenzial. Der Betrieb falle durch Professionalität und eine hohe Sach- und Sozialkompetenz auf, das Vertrauen sei vorhanden und die Zusammenarbeit äusserst positiv. Weber rechnet mit ungefähr 500 Kilogramm, die er frisch an Migros und eventuell auch Coop weiterverkaufen kann.

Hohe Investitionen

Heute wachsen in Benken auf rund 25 Hektaren biologische Wildbeeren. Noch machen von den Erntemengen die Heidelbeeren, Cassis und Johannisbeeren den grössten Anteil aus, die Aronias und die Gojis folgen als nächste. Zudem wachsen Sanddorn, Schisandra, Stachelbeeren, Maibeeren und andere seltenere Obstarten wie Indianerbananen, Kiwis und Kakis auf dem Betrieb. Auch ein Rebberg mit pilzwiderstandsfähigen Sorten ist für 2017 geplant. Auf der übrigen Betriebsfläche wird Landwirtschaft mit den herkömmlichen Fruchtfolgeflächen betrieben, welche vorwiegend von den zwei Lernenden im ersten und dritten Lehrjahr, zusammen mit Hans Räss bearbeitet werden.

Zum Betrieb gehören auch 200 Schweine - selbstverständlich werden auch sie in Zukunft wie der ganze Betrieb, nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Simon und Christoph Räss planen, die Wildbeerenkulturen in den nächsten Jahren bis auf 30 Hektaren zu erweitern.

"Die Investitionen sind hoch", sagt Simon Räss. Man spreche schnell von Erstellungskosten zwischen 20'000 bis 200'000 Franken pro Hektare, inklusive Bewässerung und Überdachung. Man sei aber in der glücklichen Lage, den Rhein nur wenige 100 Meter vom nächsten Beerenfeld zu haben. So ist es möglich, die gesamte Produktionsfläche mit Rheinwasser über eine wasserschonende Tropfbewässerung zu bewässern.

Suche nach Know-How

Die Frage nach der Konkurrenz im eigenen Land haben die Jungunternehmer erwartet. Natürlich sei es immer möglich, Nachahmer zu motivieren, es ihnen gleich zu tun. Doch die Schwierigkeit, eine Wildbeerenproduktion im grossen Rahmen auf die Beine zu stellen, sei enorm gross. Sie hätten in den vergangenen Jahren in ganz Europa, zwischen Polen und Bologna, Goji-Produzenten und Baumschulen besucht. Die grösste Herausforderung war, zum richtigen Pflanzmaterial zu kommen.

Ruth Bossert, lid