Es ist Ende August. Ein warmer Sommerabend. Die fünfjährige Mona klagt nach dem Besuch im Freibad über Durchfall. Stündlich muss sie auf die Toilette. Tags darauf scheint es ihr etwas besser zu gehen. Doch bereits in der darauffolgenden Nacht verschlechtert sich ihr Zustand rasant. Ihre Mutter Sabine Bobst aus Aedermannsdorf ging bislang von einer gewöhnlichen Magendarmgrippe aus, wie sie sie zu dieser Jahreszeit zuhauf gibt. Als am Sonntagmorgen Blut im Stuhl des Mädchens ist, wird der dreifachen Mutter bewusst: «Ich brauche Hilfe.»


Mona erkrankte an HUS


Die BauernZeitung ist zu Besuch in Aedermannsdorf SO. Am Boden spielt die kleine Mona mit dem Lego, das ihr grosser Bruder gestern zum Geburtstag erhielt. Das blasse, leichtgewichtige Mädchen wirkt etwas müde, aber aufgestellt.  Ihre Mutter Sabine Bobst erzählt, was sich diesen Sommer in ihrer Familie ereignet hat.

Mona erkrankte am 26. August am hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), einer Krankheit der kleinen Blutgefässe, durch die die Nierenfunktion geschädigt wird. Zuerst schickt man die besorgten Eltern via Notfalltelefon mit ihrer Tochter nach Aarau ins Krankenhaus. Dort folgen zahlreiche Untersuchungen. In erster Linie werden Salmonellen als Grund für den Durchfall vermutet. Als auch der Urin blutig wird, ist klar, das Kind muss ins Spital Insel nach Bern verlegt werden. «Dann hat sich das Krankenauto verfahren», erzählt die kleine, blonde Prinzessin strahlend.


Das Mädchen wirkt gesund


Mona hat viele Erinnerungen an diese Wochen im Spital. Wochen, die durch Unsicherheit geprägt waren, wie Sabine Bobst erzählt. «Ihre Nieren wurden komplett angegriffen», erzählt die Bauersfrau. Obwohl das Mädchen heute wieder als gesund empfunden wird, bleibt eine Restungewissheit. «Wir wissen auch heute noch nicht, wie es genau ist, wie der Verlauf sein wird, wie es sich entwickeln wird», so Bobst.

Die 35-jährige Frau wirkt stark. All die unwichtigen Dinge des Alltags rückten für sie in den Hintergrund. «Ihr Leben hing an einem seidenen Faden», weiss Monas Mutter. Es begleitet sie bis heute. Der Zeitpunkt, an dem man nicht mehr daran denkt, werde sicher kommen. Im Moment allerdings sei alles noch sehr präsent.

Ein grosser Wunsch der Mutter ist es, sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können (siehe Kasten). Mit anderen Eltern von HUS-Kindern sprechen zu können. In Erfahrung zu bringen, wie es ihnen ergangen ist. Am liebsten mit Eltern, deren Kinder einen ähnlichen Verlauf der Krankheit erlebten. Die grosse Schwierigkeit, mit der Sabine Bobst dabei konfrontiert ist, ist die Seltenheit der Krankheit. Ganz wenige Kinder sind betroffen und nur in den Sommermonaten. Oft stammen sie von Bauernhöfen, wo das beteiligte Bakterium E. oli vermehrt auftritt. 

«Mit dieser Krankheit kann man niemanden wachrütteln, wie beispielsweise mit Leukämie», ist sich die dreifache Mutter sicher. Und irgendwann habe man Monas Geschichte dem Umfeld erzählt. Die Menschen in der nahen Umgebung wüssten, was passiert sei. Die Betroffenheit war gross. Aber die Zeit vergeht. Und Mona ist ja wieder gesund. Oder das scheint sie zumindest.


Sechs Wochen im Spital


Wie der Verlauf der Krankheit sein wird, weiss niemand. Das konnte man Sabine und ihrem Mann Andreas Bobst auch im Inselspital in Bern nicht sagen. Dort lag das kranke Mädchen während sechs Wochen. Drei davon nur im Bett. Schwach und müde. Eine Bauchfelldialyse reinigte während drei Wochen die Körpersäfte des noch 18 Kilo schweren Geschöpfes.

In den ersten beiden Wochen zeigten die Blutwerte täglich eine Verschlechterung. Die Niere schien stark angegriffen. Ess-Therapien sollten Mona animieren, mehr Nahrung zu sich zu nehmen. Therapiehund Edi gelang es schliesslich, das Mädchen zu motivieren, das Bett zu verlassen und wieder auf seine Füsse zu stehen. Auf den Bildern, die Mutter Sabine in ein Buch zur Verarbeitung geklebt hat, ist die Erschöpfung der Fünfjährigen deutlich sichtbar. Das Buch hilft allen Beteiligten, das Erlebte zu verarbeiten.


Es bleibt die Ungewissheit


Nach dem sechswöchigen Leben der Bauernfamilie aus Aedermannsdorf in zwei Welten kehrt Mona wieder zurück nach Hause. Mit ihr der Alltag. Von aussen mag das so sein. Die Nierenwerte sind gut. Das Mädchen trägt zwar jeden Husten, der sich im Kindergarten verbreitet, mit nach Hause, sie wirkt aber gesund. Geheilt. Ob dem wirklich so ist, weiss niemand. Für Sabine und Andreas Bobst bleibt die Ungewissheit. Manchmal klagt Mona über Rückenschmerzen. Dann vermutlich, wenn sich die Niere wieder einmal bemerkbar macht und davon erzählt, was sie diesen Sommer durchmachen musste. Die Wahrnehmung der Eltern hat sich verändert. Ebenso das Wissen, was im Leben zählt, und was weniger.

Simone Barth


Weitere Informationen: www.bag.admin.ch/ehec