zur Umfrage «Wie sollen die Schweizer Bauern auf die Marktöffnung reagieren?»

Die Exportsubventionen sind innerhalb der WTO im Moment der kleinste gemeinsame Nenner. Dass sie deshalb nun in Nairobi an der 10. Ministerkonferenz offiziell abgeschafft wurden, war zu erwarten. Dass die Schweiz mit dem Schoggigesetz einen Sonderweg geht, haben auch die übrigen WTO-Mitgliedsländer verstanden. Ausdruck dieses Verständnis ist die Fristerstreckung bis 2020, die der Schweiz gewährt wird um ihre Exportsubventionen abzuschaffen. Mehr war nicht zu holen, sagt Staatssekretärin und Handelsdiplomatin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch im Interview, das Sie am 24. Dezember in Ihrer „BauernZeitung“ finden.

Allerdings reicht es nicht, nur die Exportsubventionen abzuschaffen, damit der Warenhandel auf der Welt fairer und gerechter werden kann. Nur sind die Fragen, wie mit der öffentlichen Lagerhaltung, den Exportkrediten und der Lebensmittelhilfe umgegangen werden soll, noch zu heiss für die WTO-Minister. Die Meinungen gehen noch zu weit auseinander, als dass ein Konsens gefunden werden könnte.

Die Wirtschaft schafft Tatsachen, die Politik schaut zu

Während sich die WTO-Minister in endlosen Diskussionen zu politischen Prozessen selbst gegenseitig blockieren, schafft die Wirtschaft derweil Tatsachen. Dabei entscheidet die Unternehmensgrösse wesentlich darüber, wer wie viel vom globalen Handelskuchen erhält. Der Handel ist dabei ein Nullsummenspiel – des einen Gewinn ist des anderen Verlust. Mit den Mega-Unternehmen wie den Nahrungsmittelkonzernen Nestlé, Unilever, den Agrarrohstoffhändlern Cargill oder Dreyfus, den Saatgutspezialisten Monsanto und Syngenta, findet ausserdem eine Monopolisierung statt. Während die grossen Firmen die Gewinne für sich behalten können, verlieren viele kleine nicht nur den Zugang zu den Rohstoffen, sondern auch zu den Absatzmärkten. Man nennt das Wettbewerb, meint damit aber oft die Nutzung von natürlichen Ressourcen, die der Gemeinschaft gehören müssten, aber privatisiert werden. Die Konsumenten gehen den Weg des geringsten Widerstandes und kaufen bei den Grossen ein. Nirgends sonst ist das Angebot so schön breit.

Auch der WTO haftet der Ruf an, dass es nur die Grossen sind, die sagen, wie der Hase zu laufen hat. Tatsächlich sind die fünf grössten Handelsnationen – derzeit sind das USA, Brasilien, Indien, China und die EU – auf die Stimmen der kleineren Länder angewiesen. Zwar sind sich die US-Amerikaner nicht zu schade, das Hormonfleischverkaufsverbot der EU vor den WTO-Schiedsgerichten als Handelshemmnis einzuklagen. Die dabei erlittene Schlappe haben die USA allerdings hingenommen und akzeptiert. Hormonfleisch wird offiziell nicht mehr in der EU verkauft. Hätte George W. Bush Junior bei der zweiten Invasion im Irak auf die WTO statt den UNO-Sicherheitsrat hören müssen, hätten wir vielleicht heute nicht das heillose Durcheinander im Mittleren Osten, die ertrinkenden Flüchtlinge im Mittelmeer und die gigantischen Migrationsbewegungen, sondern tatsächlich eine friedliche, freie und demokratischere Welt. Stattdessen ging und geht es in der globalen Politik nur um die Sicherung der eigenen Position. Auch die regionalen Freihandelsabkommen (transatlantische (TTIP) und transpazifische Partnerschaft (TPP)) sind von diesem Geist geprägt.

Die WTO ist anders - eigentlich

Die WTO ist eigentlich anders. Es geht um den gemeinsamen Konsens, wie der Austausch von Gütern und Dienstleistungen dazu beitragen kann, dass die Welt gemeinsam schöner, freier, friedlicher und besser gemacht werden könnte. Bei regionalen Handelsabkommen geht das weniger. Sie schliessen automatisch Dritte aus. Sie sind aber weniger störungsanfällig wie die Prozesse innerhalb der WTO, können deshalb meist rascher abgeschlossen werden.

Es ist vor diesem Hintergrund gut, dass die Schweiz die Exportsubventionen abschafft und damit als WTO-Mitglied glaubhaft bleibt. So können wir weiter mitreden und mitgestalten und auch das Tempo der Marktöffnung leicht zu unseren Gunsten beeinflussen. Bei der transatlantischen Partnerschaft können wir das nicht. Die Schweiz muss da nehmen, was übrig bleibt. Egal wann der Abschluss kommt. Und das ist für unsere Wirtschaft eine denkbar schlechte Position.

Eine Zukunftsstrategie - aber für was genau?

Natürlich können wir gegen die Grenzöffnung und Handelsliberalisierung sein. Es ist unser gutes Recht als souveräner Nationalstaat über unsere Grenzen zu bestimmen. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass unser Handeln auch auf andere Länder auswirkt, wir in der Folge auch Rechenschaft ablegen müssen. Und das gilt auch für die übrigen Länder dieser Welt, die selbst auch mehr wollen. Mehr Wohlstand, mehr Einkommen, mehr vom globalen Handelskuchen.

Es ist aus meiner Sicht deshalb eine Frage der Zeit, bis die übrigen Massnahmen im Exportwettbewerb stärker diszipliniert werden. Das Schoggigesetz war erst der Anfang und wir alle müssen uns in der globaleren Welt zurechtfinden.

Eine Zukunftsstrategie tut not. Doch wie soll diese aussehen? Und wer soll diese gestalten? Der Bund? Die Konsumenten? Die Bauern? Die Jungen? Oder die Alten? Oder doch alle zusammen. Im Konsensverfahren? Und bis wann? Erleben wir die offenen Märkte überhaupt? Und welche Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit eines einzelnen Landes sind damit verbunden? Welche Rolle spielt die Gesellschaft? Und was passiert mit der lokalen Kultur, wenn der Handel freier wird? Über kurz oder lang muss sich damit nicht nur die Politik auseinandersetzen, sondern auch die (Land-)Wirtschaft, die Verbände und die Menschen.

Hansjürg Jäger