Zum Podium eingeladen hatten die Bezirksparteien von Grüne und SVP Frauenfeld. Moderator Matthias Frei startete mit einer Frage, die man sich bei Podien eher als Schlussfrage gewohnt ist. «Was geschieht, wenn die Biodiversitätsinitiative abgelehnt wird?», wollte Frei von den Befürwortern wissen. Roland Lenz antwortete: «Es wäre einmal mehr eine verpasste Chance, in einem gesellschaftlichen Kontext etwas zu erreichen.» Für Manuel Strupler, der sich zur Gegenfrage äussern musste, ist hingegen klar: «Es bedeutet mehr Einschränkungen und mehr Bürokratie, wenn die Biodiversitätsinitiative angenommen würde.» Andreas Elliker warnte gar vor einer «Blackbox». Die 3,5% Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf Ackerflächen, welche das Parlament im Frühjahr 2024 wieder gestrichen hat, hätten gezeigt, dass es nicht funktioniere, wenn die Ämter von oben etwas diktierten, das noch nicht gesetzlich verankert sei. Dasselbe drohe mit der Biodiversitätsinitiative, glaubt Elliker.
Scharfe Worte von beiden Seiten
Die erste Umfrage des Forschungsinstituts GFS Bern zur Abstimmung über die Biodiversitätsinitiative am 22. September 2024 zeigte, dass derzeit 51 Prozent der Befragten ein Ja in die Urne legen wollen. Aber laut SRF könnte sich der Vorsprung als zu knapp erweisen und die Initiative drohe zu scheitern. Umso mehr engagieren sich Gegner und Befürworter und die Diskussion beim Forsthof Heerenberg in Frauenfeld rasch Fahrt auf.
Grünen-Kantonsrat Mathis Müller warf den Gegnern der Initiative vor, die von ihnen vorgebrachten Argumente seien allesamt Fakenews: «Die Initiative macht in keiner Weise Flächenvorgaben. Auf naturnahen Flächen kann weiterhin Landwirtschaft betrieben werden», so Müller. Auch Roland Lenz sprach von Fakenews der Gegenseite. Er spielte den Ball Manuel Strupler zu, indem er sagte: «Die Ausarbeitung des Gesetzestextes ist Sache von Bundesrat und Parlament – und die Landwirtschaft ist im aktuellen Parlament gut vertreten.» Strupler liess den Vorwurf der Verbreitung falscher Tatsachen nicht auf sich sitzen: «Die Initianten sprechen von 30 Prozent der Landesfläche, die als unantastbare Schutzobjekte behördenverbindlich ausgeschieden werden sollen. Das hat Nutzungseinschränkungen für die Landwirtschaft, den Tourismus, die Bautätigkeit und die Stromproduktion zur Folge.»
SBB und Gemeinden in die Pflicht nehmen
Fakt sei, dass Produktion und Artenvielfalt schon heute Hand in Hand gehen, entgegnete Manuel Strupler Mathis Müllers, der vor einer weiteren Verschlechterung der Biodiversität in der Schweiz warnte. Fakt sei auch, dass die Bauernfamilien bereits heute 19 Prozent der Landwirtschaftsflächen ökologisch bewirtschaften, so Strupler. «Wir brauchen nicht mehr Ökoflächen, sondern mehr Qualität auf den bestehenden Flächen.» In diesem Punkt waren sich Befürworter und Gegner scheinbar einig. Roland Lenz dazu: «Wir müssen die Flächen nicht erweitern, sondern geschickter verteilen, vernetzen und qualitativ aufwerten.»
Strupler wüsste schon, wo man ansetzen könnte, nämlich bei der SBB. «Die Flächen entlang des Schienennetzes wären prädestiniert: Vernetzt durch die ganze Schweiz, auf mindestens einer Seite eine Böschung und in der Mitte Schotter.» Der Gartenbauunternehmer stört sich besonders an der heutigen Art der Pflege der Böschungen entlang von Schienen und Autobahnen. «Alles wird gemulcht und die Insekten mit einem Staubsauger eingesaugt – da bleibt wirklich keine Biodiversität mehr übrig.»
Andreas Elliker sagte an Müller und Lenz gewandt: «Mit der Schaffung von Biodiversitätsflächen ist es nicht getan. Diese Flächen benötigen auch Pflege, damit die Qualität hoch bleibt.» Dafür brauche es viel Selbstdisziplin von den Gemeinden und Schulungen des Personals. «Das kostet. Und zwar mehr als die vom Bund berechneten jährlichen Mehrausgaben von 375 bis 440 Mio. Franken bei Annahme der Biodiversitätsinitiative.» Vor Mehrkosten warnte auch Lenz, sollte die Initiative abgelehnt werden: «Ein Nicht-Handeln und weiterer Verlust der Lebensgrundlagen würde uns 14 bis 16 Milliarden Franken pro Jahr kosten.»
Uneinig bei erneuerbaren Energien
Mathis Müller anerkannte zwar die Anstrengungen der Landwirtschaft in Sachen Biodiversität, doch er ging mit den Bäuerinnen und Bauern hart ins Gericht. Bei vielen stehe die Ökonomie im Vordergrund und nicht die Natur. Manuel Strupler wehrte sich vehement gegen diesen Vorwurf und erinnerte Müller daran, dass Artenvielfalt durch die Landwirtschaft entstanden und gefördert worden sei mit verschiedenen Elementen wie Ackerflächen, Wiesen, Blühstreifen, Buntbrachen, Hecken, Obstanlagen usw. «Es gibt Probleme bei der Artenvielfalt», räumte Strupler ein. «Aber daran sind nicht primär die Bauern schuld, sondern unser Infrastrukturbedarf und unser Ressourcenverbrauch.» Hier war Roland Lenz für einmal gleicher Meinung: «Genau deshalb braucht es die Biodiversitätsinitiative. Unsere Gesellschaft ist nicht von sich aus bereit, dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen Sorge zu tragen.»
Mehrfach versuchte Moderator Matthias Frei das Gespräch auch auf andere Bereiche zu lenken, wie etwa die Energieproduktion. Strupler warnte, dass der Ausbau von neuen oder bestehenden Anlagen verunmöglicht würde. Bei Interessenskonflikten werde die Biodiversität immer höher gewichtet als die Energieproduktion, ist er überzeugt. «Anstatt unabhängiger, werden wir abhängiger von fossilen Brennstoffen und Energieimporten.» Roland Lenz widersprach: «Es gibt unzählige Dächer, Fassaden usw., auf denen Solaranlagen realisiert werden können. Die Behauptung, die Energiewende sei gefährdet, stimmt nicht und ist Angstmacherei.» Sein eigener Betrieb sei seit zehn Jahren energieautark, hob Lenz hervor – womit die Diskussion wieder bei der Landwirtschaft angelangte.
Düstere Aussichten für die Landwirtschaft
Matthias Frei wandte sich schliesslich an Mathis Müller und wollte wissen, ob es für eine Aufwertung der Flächen wirklich einen neuen Artikel in der Bundesverfassung brauche oder ob es eine Gesetzesrevision oder ein Anreizsystem nicht auch täten. Müllers Antwort lautete wenig erstaunlich «Nein». «Biodiversität ist ein zentraler Begriff, der in die Verfassung gehört.» Manuel Strupler hielt dagegen: «Diese Initiative kommt mit einem Hammer. Sie bringt neue Verbote, Einschränkungen und Auflagen.» Er unterstrich abermals, dass eine Förderung der Biodiversität auch ohne die Biodiversitätsinitiative erreicht werden kann.
«Diese Initiative kommt mit einem Hammer.»
Manuel Strupler
Die Voten aller vier Redner deuteten darauf hin, dass die Zukunftsaussichten für die Landwirtschaft düster sind. Mathis Müller und Roland Lenz äusserten ihre Bedenken, die Landwirtschaft gehe vor die Hunde, wenn weiterhin nichts für die Biodiversität getan werde. Manuel Strupler und Andreas Elliker hingegen sind der Meinung, dass die Schweizer Lebensmittelproduktion und mit ihr die hiesige Landwirtschaft vor die Hunde gehen, sollte die Initiative angenommen werden.