«Es ist eine Chance», sagt Verena Wüthrich-Peter über den Nutzen ihrer Tätigkeit. Sie ist diplomierte Berufs- und Laufbahnberaterin an der Infostelle Frau und Arbeit im thurgauischen Weinfelden. «In der Laufbahnberatung gilt es oft, neue Schritte zu wagen, Veränderungen zuzulassen.» Sie berät Frauen aus verschiedenen Berufen und jeden Alters, immer wieder auch Bäuerinnen.

Ihr Bruder führe einen Landwirtschaftsbetrieb, sagt die Fachfrau. «Daher habe ich einen gewissen Einblick in die Rahmenbedingungen für die bäuerlichen Familien und ein Sensorium für ihre besonderen Anliegen.» Sie wisse auch, dass einige Familienbetriebe in existenzielle Krisen gerieten, als der Milchpreis über längere Zeit so tief war. Finanzielle Überlegungen seien ein Grund, warum Bäuerinnen den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben planen.[IMG 2]

Wieder auswärts arbeiten

Sie nimmt als Beispiel eine Bäuerin, die wir hier Anna nennen. Anna ist Mutter von fünf Kindern, von denen das Jüngste damals in der Oberstufe war. Sie wusste, dass sie auf dem Hof nicht alt werden wollte. Doch sie fühlte sich stark für alle Belange der Familie verantwortlich. «Ich thematisierte daher in der Beratung, wie wichtig es ist, sich abzugrenzen, um Zeit für sich zu haben.»

Anna hatte beruflich einen hauswirtschaftlichen Hintergrund. Sie fand jedoch keine ihr zusagende Stelle, da sie mittags zu Hause sein wollte, um für ihre Familie zu kochen.

«Bäuerinnen haben einen Bonus.»

Verena Wüthrich-Peter zum Thema Wiedereinstieg

Selbstständigkeit einfordern

Hier ging es zunächst auch darum, dass Anna mit ihrem Mann das Gespräch suchte und klärte, inwieweit er bereit war, sich im Haushalt einzubringen. Verena Wüthrich empfahl Anna zudem, bei einem Betrieb anzufragen, ob sie für einen halben Schnuppertag Einblick in ihre Wunschtätigkeit erhalten kann. «Das reicht, um sich über die aktuellen beruflichen Anforderungen Klarheit zu verschaffen.»

Bei Anna stand der eigene hohe Anspruch an die Familienbetreuung dem beruflichen Wiedereinstieg im Wege. «Es kann auch Angst auslösen, Selbstständigkeit einzufordern. Häufig machen sich Frauen Gedanken darüber, ob sie noch eine gute Mutter sind, wenn sie mehr auswärts arbeiten.»

Erst mal die Fühler ausstrecken

Unter anderem an Anlässen des Thurgauer Landfrauenverbandes macht Verena Wüthrich auf die Angebote der Infostelle aufmerksam. Nach solch einem Anlass kam eine Bäuerin auf sie zu und berichtete, sie habe «ihre Fühler ausgestreckt» und lese nun regelmässig Stelleninserate. Später kam sie zur Beratung an die Infostelle, um ihren Wiedereinstieg konkreter anzugehen. Ihre Chancen stehen gut. «Bäuerinnen haben einen Bonus beim Wiedereinstieg», weiss die Fachfrau. «Frauen aus der Landwirtschaft gelten als tatkräftig, lebenspraktisch und werden geschätzt.»

Ein Standbein im Beruf

Laufbahnberatung habe sehr viel mit Reflektieren zu tun, weiss Verena Wüthrich. Es geht darum, Wünsche zu formulieren und diese zu konkretisieren. Dabei könne hilfreich sein, den Wunsch – symbolisch – in kleine Teile zu zerbröckeln. Dann stellt sich die Frage, ob man bereit ist, etwas zu verändern – oder ob man Angst davor hat.

Heute steigen viele Frauen, auch Bäuerinnen, nie ganz dem Erwerbsleben aus. Verena Wüthrich nennt das Beispiel einer Bäuerin, die als Sachbearbeiterin Rechnungswesen tätig ist. Dieser Arbeit kann sie im Homeoffice auf dem Hof nachgehen. Eine andere Bäuerin ist gelernte Hebamme, die wechselnden Dienste lassen sich gut mit der Arbeit auf dem Bauernbetrieb verbinden.

Informationen und Online-Fragebögen zum Thema Laufbahn: www.laufbahn.berufsberatung.ch

Infostelle Frau und Arbeit:  www.frauundarbeit.ch

Berufliche Standortbestimmung für Menschen ab 40: www.viamia.ch