Frage:Ich (25) bin in der Stadt aufgewachsen und lebe und arbeite immer noch dort. Seit meinem fünften Lebensjahr träume ich davon, Bäuerin zu werden. Doch ich habe Primarlehrerin gelernt und mein Beruf gefällt mir. Jetzt habe ich einen jungen Bauern kennengelernt. Einerseits wird ein Traum wahr und andererseits erkenne ich da auch andere Realitäten. Soll ich meinem Traum nachgehen oder soll ich auf meine Umgebung hören, die mir abrät.[IMG 2]

Antwort:Ich kann Ihren Traum zwar nur erahnen. Aber vermutlich sieht die Realität schon anders aus als Ihr Traum. In den «guten» Träumen haben wir nämlich die Tendenz, nur das Positive zu sehen. Und in der Realität hat es immer beide Seiten. Aber das ist in allen Berufen so – auch im Beruf der Bäuerin.

Sie haben schon recht. Vieles auf einem Bauernhof oder in einer Landgemeinde läuft anders als in der Stadt. Wenn Tiere betreut werden, dann ist man nie sicher vor Notfalleinsätzen (wie Geburten oder auch Krankheiten). Im Sommer bestimmt das Wetter oft das Tagesprogramm und nicht selten bringt es Hektik in den Arbeitsalltag.

Wachsender Unterschied

Es ist auch so, dass der Unterschied zwischen dem Beruf Bauer und den meisten anderen Berufen in den letzten Jahrzehnten immer grösser geworden ist. Ich habe einen Betrieb in einem Dorf mit vielen Hochstammbäumen bewirtschaftet. Als ich selber Kind war, haben in den Herbstferien alle Kinder im Dorf den Bauern bei der Obsternte geholfen. Als meine Kinder zur Schule gingen, haben die Kinder der «Nicht-Bauern» nach den Herbstferien erzählt, wohin sie in die Ferien geflogen sind.

Selbstverständlich hat das Leben auf dem Bauernhof auch viele Vorteile: Man arbeitet in der freien Natur, die Kinder können eng und sinnvoll mit den Eltern aufwachsen.

Das Wichtigste: der Partner

Lassen Sie sich genug Zeit, Ihren Partner, den Betrieb und die Familie genau kennenzulernen. Arbeiten Sie in den Ferien mehrmals wochenweise mit ihm auf dem Betrieb. Versuchen Sie, die Arbeiten und die Atmosphäre auf dem Betrieb zu erspüren.

Wie hoch ist die Arbeitsbelastung? Sind die Menschen auf dem Hof auch fähig, frei zu machen und diese Freizeit zu geniessen? Wie ist der Umgang untereinander? Redet man nur über die Arbeit oder ist man auch offen für andere Themen? Herrscht eine positive Lebenseinstellung oder wird nur über alles «geschimpft»? Haben Frauen auch ein Mitbestimmungsrecht oder sind sie nur billige Arbeitskräfte?

Bei all diesen Fragen ist Ihr Partner die wichtigste Person. Er muss Ihre Träume verstehen und bereit sein, mindestens einen Teil dieser Träume mit Ihnen zu verwirklichen.

Er muss die Vorteile Ihrer Lebenserfahrungen erkennen und bereit sein, diese in Ihr gemeinsames Leben einzubauen. Er muss bereit sein, zu Ihnen zu stehen, falls nicht alle in der Hofgemeinschaft Ihre Träume teilen. Sie heiraten ja nicht die Hofgemeinschaft. Und trotzdem darf sie nicht unterschätzt werden. Falls die Eltern auch nach der Hofübernahme noch auf dem Hof mitarbeiten oder sogar auf dem Hof wohnen, wird das Familiensystem Ihres Partners mehr Gewicht in eurem gemeinsamen Leben einnehmen als Ihre Herkunftsfamilie. Und da müssen Sie genau hinsehen, ob Sie sich wohl fühlen und ob Ihr Partner im Zweifelsfalle zu Ihnen oder zu seinen Eltern steht.

Weitere Informationen: www.cornelrimle.ch