Du spekulierst wohl mit meinem Tod», hörte ich vor einigen Monaten einen Mann mit Spott in der Stimme sagen. Dies, als seine Frau nach der Geburt des zweiten Kindes von ihrem Wunsch nach sozialer Ab-sicherung sprach.

Leider kein Einzelfall. Wir meiden schwere Themen, wir träumen lieber von der Idylle. Wir schwärmen von der grossen Liebe, die so ganz anders ist als bei allen andern. Mag sein. Doch die Scheidungsrate in der Schweiz liegt nun mal bei 40 Prozent, auch in der Landwirtschaft.

«Mir passiert schon nichts»

Oft halten wir uns auch für unverwundbar. Zwei aktuelle Beispiele aus dem Umfeld zeigen ein anderes Bild. Da ist der 53-Jährige, der einen Schlaganfall erlitt. Er wird nie wieder in seinem Beruf arbeiten können. Eine schwere Krebserkrankung bei einem 37-Jährigen. Acht Monate lag der Fokus bei Behandlung und Genesung. Für den eigenen Betrieb fehlte die Kraft.

Wir neigen zudem dazu,uns auch als Erwachseneans «magische Denken» zu klammern, das uns aus der Kindheit vertraut ist. Überspitzt ausgedrückt heisst das: Wir hoffen insgeheim, dass uns nichts Schlimmes passiert, wenn wir nur genug Gemüse essen, immer positiv denken und die Steuern pünktlich bezahlen. Dann braucht es auch keine Versicherung.

Geld in anderes investieren

Oder das Betriebsleiterpaar entscheidet, dass das Geld für die Versicherung woanders besser investiert ist. Sieht so langfristiges unternehmerisches Denken aus? Vielleicht wollen wir als Frauen auch nicht «materialistisch» wirken, und «schon wieder» über soziale Absicherung reden. Lieber sind wir lieb und nett und zuversichtlich.

Die Schweiz ein einig Volk von Versicherten? Offenbar nicht in der Landwirtschaft. Hier arbeiten mehr als 54 000 Frauen, rund 12 000 von ihnen in Vollzeit. Mehr als 43 000 dieser Frauen sind Familienmit-glieder des Bauern, meist Ehefrauen.

Von diesen 43 000 Familienarbeitskräften sind gerade mal 30 Prozent bei der AHV als Arbeitnehmerinnen oder Selbstständige gemeldet. 70 Prozent beziehen also keinen Lohn.

Arbeit mit Wert

Zum einen fehlt so die soziale Sichtbarkeit ihrer Arbeit. Und das obwohl Frauen für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betrieb sehr wichtig sind. Zum anderen fehlt die finanzielle Grundlage für die soziale Absicherung, wie etwa für eine Taggeld-Versicherung.

Der fehlende Lohn rächt sich vor allem später bei der Altersvorsorge. Denn die hat ein Elefantengedächtnis, sie vergisst nichts. Zu viel Sorglosigkeit bezahlt man mit Einbussen: Heutige Rentnerinnen erhalten im Durchschnitt einen Drittel weniger Renten als Männer. Finanzexpertinnen und -Experten plädieren daher seit Jahren dafür, dass Frauen in Hinblick auf die Altersversorgung immer mindestens 70 Prozent erwerbstätig sind.

Veraltetes Denken

Am 15. Oktober ist der internationale Tag der Frauen im ländlichen Raum. Dieses Datum nahmen vier Branchenorganisationen zum Anlass, eine Sensibilisierungskampagne rund ums Thema Soziale Absicherung zu lancieren. Denn die Schweizer Landwirtschaft hinkt hier der Zeit hinterher.

Zu den Zielen der Kampagne gehört unter anderem, dass rund 5000 bis 10 000 Betriebsleiterpaare die Online-Checkliste ausfüllen. Und dass biszu 1000 Paare die Kontaktmöglichkeit für eine unverbindliche und vertrauliche Beratung nutzen.

Ohne Scheuklappen

Das Thema soziale Absicherung geht Männer genausoso an wie Frauen. Sich damit auseinander zu setzen, mag auf den ersten Blick unangenehm sein. Doch diese Artvon Scheuklappen-Denken ist riskant und nicht mehr zeitgemäss. Als 1999 die Gurtenpflicht fürs Auto eingeführt wurde, fanden dies auch viele übertrieben. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit.

Sich über die verschiedenen Aspekte der sozialen Absicherung zu informieren und nüchtern hinzuschauen istein erster Schritt. Dann gehtes darum, allfällige offene Fragen sachlich und möglichst entspannt zu besprechen – gemeinsam als Paar, ohnefalsche Scham oder verklärte Romantik. Denn hierbei geht es durchaus auch um Liebe und Gemeinsamkeit

Tja und dann steht ein gemeinsame Entscheid an. Es heisst Verantwortung zuübernehmen, zu handeln. Versicherungen sind wahrlich nicht «sexy». Doch sie können uns mehr Ruhe in den Alltag bringen, mehr Spielraum nach Krankheit oder Unfall und mehr finanzielle Sicherheitim Alter. Das klingt bei aller Sachlichkeit doch fast schon idyllisch.