Am 17. Mai fand in der Arena Cazis eine Informationsveranstaltung des Vereins Lebensräume ohne Grossraubtiere Graubünden statt. Mit von der Partie waren der Bündner Bauernverband, der Bündner Schafzuchtverband, der Bündner Ziegenzuchtverband und der Bündner Älpler- und Älplerinnenverein. Rund 400 Personen besuchten den Anlass, der von Christian Beglinger, Landwirt und Älpler in Mollis GL, moderiert wurde.

Stadt-Land-Graben

Nationalrat und Vizepräsident des Bündner Bauernverbands, Duri Campell, war bei der emotionsgeladenen Debatte in Bern dabei. Dort stellte er fest, dass sich bei den Diskussionen ein Graben zwischen Stadt- und Landbevölkerung aufgetan habe. Er sei der Meinung, dass man die Strategie überdenken müsse und man sich mit den Städtern einigen solle, dass man den Wolf nicht ausrotten wolle, sondern versuchen werde, mit ihm zu leben. "Es ist aber auch wichtig, dass die Kompetenz für Wolfsabschüsse bei den Kantonen und nicht mehr beim Bund liegt", so Campell.

Bestossung ist wichtig

Duosch Stäbler, Präsident Bündner Schafzuchtverband und Alpbestosser, zeigte auf, dass die Schafalpen nicht so einfach zu bewirtschaften sind. Herdenschutz mit Hunden, Hirten und Pferchen sei in der Praxis zum Teil alles andere als einfach. Dass es Probleme mit Herdenschutzhunden und Touristen/Bikern gebe, sei unterdessen bekannt. "Die Folge des riesigen Aufwandes wird sein, dass Alpen nicht mehr bestossen werden", warnte er.

Bei den Vorzeigealpen Ramoz und Trin, im Einzugsgebiet des Calanda-Rudels, müsste man die effektiven Kosten offenlegen, findet er. Den Bündner Ziegenzuchtverband vertrat das Vorstandsmitglied Abraham Lötscher. Er wies darauf hin, dass immer weniger Ziegenhalter bereit seien, ihre Ziegen zu alpen. Denn der Arbeitsaufwand und die Mehrkosten – vor allem wegen des Wolfes, der ja überall auftauchen könne – seien sehr hoch und nicht gedeckt. Zudem sei der Wolf wegen des absoluten Schutzes nicht mehr menschenscheu.

Eine latente Gefahr

Cornelia Aliesch vertrat die Älpler, welche wegen der ständigen latenten Gefahr "Wolf" ebenfalls viel mehr Arbeit haben. "Wenn auf einer Alp Tiere vom Wolf gerissen werden, ist das für den Älpler ein grausiger Fund und nicht für jeden verkraftbar", hob sie hervor. Langjähriges Alppersonal würde zum Teil wegen des Wolfes künden, da sie sich nicht mehr sicher fühlten auf den Alpen.

Rico Calcagnini wies darauf hin, dass es 2018 in der Schweiz 513 Wolfsrisse gegeben hat, in Graubünden allein 115. "Wenn es mehr Wolfsrudel gibt, wird es auch mehr Risse geben", so seine Schlussfolgerung. Die DNA-Analysen würden zu lange dauern, zudem würden die drei Analyselabors zusammenarbeiten und sie würden die Referenz-DNA nicht herausgeben. "Das lässt den Schluss zu, dass sie von Wolfshybriden stammen und Hybriden müssen abgeschossen werden", so Calcagnini.

Alpen als Drehscheibe

Nadir Pedretti, Bergbauer aus Viano, schilderte, wie er den Bärenangriff auf seine Schafherde erlebt hat. Die getöteten Tiere wurden entschädigt. Die Tiere aber, die unauffindbar verschwunden waren, die vielen Stunden, die er nach ihnen gesucht habe, der Mehraufwand, all das sei nicht entschädigt worden. Er fühlte sich alleine gelassen mit all seinen Sorgen und Nöten – er wurde krank. Keine Hilfe, keine Unterstützung seitens der Verantwortlichen.

Georges Stoffel, Bergbauer aus Avers, hatte sich schon mit den Grossraubtieren im In- und Ausland beschäftigt und viele Informationen gesammelt. In Frankreich habe man am meisten Erfahrungen mit Herdenschutz und man musste feststellen, dass es immer wieder Wolfsrisse gebe. "Wölfe lernen und finden immer wieder neue Wege, ihr Beutetier zu reissen", sagte er. In der Schweiz gibt es rund 40 Wölfe und 200 Herdenschutzhunde "und trotzdem hat es über 500 Risse von Haustieren gegeben", ärgert sich Stoffel. Wölfe würden zudem auch Wildtiere reissen. Bei der Einwanderung der Wölfe in Europa seien die Alpen quasi die Drehscheibe.

"Schutz muss fallen"

Adrian Arquint ist seit einem Jahr Leiter des Amtes für Jagd und Fischerei. Sie würden vor allem das Monitoring durchführen, für den Herdenschutz und Beratung sei der Plantahof in Landquart zuständig, erklärte er. Aufgrund der Feststellungen müsse man heute im ganzen Kanton Graubünden mit dem Vorkommen des Wolfes rechnen und sich dementsprechend verhalten und schützen.

Anhand des Wolfes M75 zeigte er auf, wie langsam die Mühlen mahlen würden, wenn es um die Abschussbewilligung eines Wolfes ginge. Dieser Wolf wanderte durch verschiedene Kantone, riss Nutztiere. Die Abschussbewilligungen galten jeweils nur für den zuständigen Kanton, doch bis die eintrafen, war der Wolf schon im nächsten Kanton. Deshalb müssten die Kantone wenn nötig selbst und schnell handeln können. Luigi Crameri, Vorstandsmitglied des Vereins Lebensraum ohne Grossraubtiere, machte einen Exkurs in die umliegenden Länder, wie es dort mit den Wölfen stehe. Er forderte, der Schutz für den Wolf müsse fallen.

Realität statt heile Bergwelt

Nach den Vorträgen kamen aus dem Publikum verschiedene Fragen. Zum Beispiel, warum man nicht schneller erfahre, wenn ein Wolf in der Gegend sei. Warum man im Falle eines Angriffs durch Grossraubtiere nicht besser unterstützt und auch entschädigt werde. Man verliere nicht nur den "Fleischwert" eines Tieres, sondern viel mehr, so der Tenor im Publikum.

Duri Campell stellte fest, dass Touristen hier Ferien machen, dass sie sogar gerne Grossraubtiere sehen würden. "Sie können sich kaum vorstellen, was es heisst, wenn ein Raubtier in einer Herde gewütet hat", bemerkte Campell. Diese Bilder müsste man veröffentlichen, findet er. "Man muss zeigen, womit die Bergbauern zu kämpfen haben, dass sie wirklich nicht in einer heilen Welt leben." Doch welche Tourismusorganisation würde mit solchen Bildern statt mit schönen Landschaften, glücklichen Menschen und Tieren werben?