Landwirtschaft muss effizient und wirtschaftlich sein – und eben nachhaltig. Nachhaltigkeit ist eine unumgängliche Bedingung, wenn es um das Klima geht. Die Klimakrise verlangt, dass nachhaltig mit Ressourcen umgegangen wird, um deren Folgen möglichst einzudämmen und zu mindern. Die Folgen der Klimakrise bekommt die Landwirtschaft als eine der ersten Akteure zu spüren: Es liegt also im Eigeninteresse der Landwirtinnen und Landwirte, ihre Betriebe möglichst nachhaltig zu bewirtschaften. Daneben steigen auch die Ansprüche aus der Gesellschaft an die Landwirtschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit stetig: Konsumentinnen und Konsumenten verlangen immer mehr nach nachweislich nachhaltig produzierten Lebensmitteln. Die Thematik hat in der Schweiz mit den beiden vor kurzem zur Abstimmung gekommenen Agrarinitiativen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Stossrichtung ist gegeben

Zwar wurden diese vor allem auf Pflanzenschutz fokussierten Initiativen abgelehnt, die Diskussion verschwindet aber nicht. Mit der Biodiversitätsinitiative, der Massentierhaltungsinitiative und der Landschaftsinitiative sind auf politischer Ebene bereits neue Volksbegehren aufgegleist und auch der «Massnahmenplan Sauberes Wasser» des Bundesrats, der ein Paket von Landwirtschaftsverordnungen im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative «Reduktion des Risikos beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln» enthält, wird in nächster Zukunft die Diskussionen rund um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft nicht verstummen lassen. So befinde sich die Landwirtschaft im Umbruch oder solle «umgebrochen» werden, sagte ZMP-Präsident Thomas Grüter zur Eröffnung des ZMP-Polit-Treffpunkts auf dem Hof Giebel im luzernischen Rothenburg.

Was heisst nachhaltige Landwirtschaft?

Die Diskussionen rund um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zeigen auf, dass eine grosse Diskrepanz besteht, zwischen dem, wie nachhaltig Landwirtschaft wirklich ist, wie Landwirtinnen und Landwirte ihre Nachhaltigkeitsbilanz sehen und wie die Gesellschaft die Landwirtschaft punkto Nachhaltigkeit wahrnimmt. Nachhaltigkeit und folglich die Nachhaltigkeitsbilanz wird deshalb je nachdem unterschiedlich definiert.

Tatsächlich werde die komplexe Thematik Nachhaltigkeit sehr differenziert interpretiert, meinte auch Thomas Grüter zur Eröffnung des Politanlasses. Entsprechend wurde der ZMP-Polit-Treffpunkt im Vorfeld mit einer Hofführung unter dem Titel «Nachhaltigkeit praktisch umgesetzt» lanciert. Landwirt Thomas Renggli führte die Anwesenden über seinen Betrieb mit 40 Milchkühen und 400 Schweinen und erklärte seine Sicht von Nachhaltigkeit: Nachhaltig sei ein Zusammenspiel von Natur und Mensch, meinte er. Es gehe darum, das Gleichgewicht zu finden und zugleich das Optimum herauszuholen. Eine Milchkuh brauche eigentlich gar nicht so viel – gutes Futter und eine gute Beziehung zwischen Mensch und Tier würden grundsätzlich reichen. Aber auch Thomas Renggli investiert mehr in seinen Betrieb: Mit moderner Technik und Ansätzen aus der regenerativen Landwirtschaft.

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Fortschritt zu mehr Nachhaltigkeit nutzen

Rund um die Uhr misst ein Bolus im Pansen wichtige Gesundheitsdaten seiner Milchkühe wie die innere Körpertemperatur und die Bewegungsaktivität und schickt diese in Echtzeit auf das Smartphone von Thomas Renggli. Damit können beispielsweise Krankheiten früher erkannt, der Heilungsprozess früher eingeleitet, Behandlungskosten gespart und die Kuh schneller wieder gemolken werden. Auch über Brunst und über bevorstehendes Kalben wird Thomas Renggli frühzeitig informiert und mit den Daten lässt sich die Fütterung optimieren. Moderne Technik kommt auch beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz – GPS-gesteuerte Feldspritzen applizieren Pflanzenschutzmittel gezielter, was der Umwelt und dem Portemonnaie zugutekommt.

Daneben richtet Thomas Renggli seinen Betrieb nachhaltig langfristig aus und ist überzeugt von der fundierten landwirtschaftlichen Ausbildung in der Schweiz. Er hat eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und der Schweinestall wird mit Bio- und Erdgas beheizt. Im Sinne der regenerativen Landwirtschaft achtet er auf eine schonende Bodenbearbeitung und setzt auf seinem Betrieb sogenannte effektive Mikroorganismen ein und betreibt mit den Betrieben in der Nähe eine gezielte Kreislaufwirtschaft mit Hofdünger. Kurzum, Thomas Renggli sieht sich selber als nachhaltiger Landwirt.

Milchwirtschaft auf gutem Weg

Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), bestätigte den Eindruck, wenn auch vorsichtig zögerlich: Grundsätzlich könne man der Milchwirtschaft in der Schweiz tatsächlich bescheinigen, dass sie sich auf einem guten Weg befinde, meinte er. Die Milchwirtschaft habe zum Teil eigens Nachhaltigkeitsmassnahmen eingeführt, die auch bereits greifen würden. Unter anderem verlange der sogenannte «Grüne Teppich» – der Standard «Swissmilk Green» für Schweizer Milch – zehn Grundanforderungen zu Tierwohl, Fütterung und Ökologie sowie Zusatzanforderungen für Milchproduzenten oder den Nachhaltigkeitsnachweis für Verarbeiter. Stand Ende 2020 seien gut 60 Prozent der Verkehrsmilchbetriebe Teil des «Grünen Teppichs» und weiter erfüllten 89 Prozent der Schweizer Milchviehbetriebe mit 93 Prozent der Milchkühe die Tierwohlanforderungen von BTS (Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) oder RAUS (Regelmässigen Auslauf der Tiere im Freien).

Weiter wie bisher sei aber keine Option, es brauche weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit, so Christian Hofer. Hier setze auch das Verordnungspaket zum «Massnahmenplan Sauberes Wasser» an: In einem ersten Schritt würde so im Bereich Pflanzenschutzmittel und Nährstoffe geschraubt. Aber auch die Thematik Futtermittelimporte sei nicht vom Tisch und zukünftig soll Ackerfläche mehr für die direkte menschliche Ernährung verwendet werden. Das bedeute für die Schweizer Milchwirtschaft eine stärkere Ausrichtung auf Raufutter, erklärte Christian Hofer. Allerdings sei der weitere Weg zu mehr Nachhaltigkeit nicht alleine durch die Landwirtschaft zu beschreiten – alle Akteure seien in der Pflicht.

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Kollektiv nachhaltiges Handeln ist gefragt

Nestlé mache sich schon lange für Nachhaltigkeit stark und verfolge das Ziel, bis 2050 netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen, sagte Daniel Imhof, Leiter Agricultural Affairs von Nestlé Schweiz. Als grösstes Nahrungsmittelunternehmen der Welt habe Nestlé auch die Grösse und den Umfang, um kollektives Handeln zu inspirieren – nicht nur in der Landwirtschaft. Ein Miteinander sei aber Voraussetzung, gerade auch weil beispielsweise Milch zu den wichtigsten verarbeiteten Rohstoffen des Nahrungsmittelkonzerns gehöre und man entsprechend von den Produzenten abhängig sei, ihren Teil beizutragen: «Die Landwirtschaft ist einerseits betroffen vom Klimawandel, generiert anderseits aber auch viele Emissionen.» Entsprechend verwies auch Konrad Graber, Verwaltungsratspräsident der Emmi AG, darauf, dass 90 Prozent der Treibhausgasemissionen ausserhalb des Einflussbereiches von Emmi entstehen würden. Auch Emmi verfolge mit «netZERO 2050» eine Nachhaltigkeitsstrategie, denn eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie stärke das Vertrauen in die Marke Emmi und in die Produkte.

Politik, Landwirtschaft und Konsum sollen am gleichen Strick ziehen

Schweizer Milch habe eine lange Tradition und das wertvolle Knowhow, das ermögliche, weltweit in der Milchqualität eine Spitzenposition einzunehmen, lobte schliesslich Pirmin Furrer, Geschäftsführer der ZMP. Ausserdem sei Milch ein bedeutender Wirtschaftszweig, der zusammen mit vor- und nachgelagerten Branchen alleine in der Zentralschweiz 8’000 bis 10’000 Arbeitsplätze sichere. Die Milchwirtschaft sei bereit, ihren Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen zu leisten, für die Weiterbearbeitung der Agrarpolitik sei aber ein Gesamtpaket anzustreben, das alle Akteure zur Verantwortung ziehe. Ein ökologisches, ressourcenschonendes und tierfreundliches Wirtschaften müsse gleichzeitig eine ökonomische und wettbewerbsfähig produzierende Milchwirtschaft ermöglichen und sozialverträgliche Massnahmen für die Beteiligten enthalten. Massnahmen zur Treibhausgasreduktion müssten die ganze Wertschöpfungskette Ernährung umspannen und alle Aspekte von der Urproduktion bis hin zum Konsum in einer Gesamtschau berücksichtigen.

Nur gemeinsame Lösungen und das Einbeziehen von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten mit allen über die Wertschöpfungskette Ernährung verteilten Akteuren bringe die Schweiz auf dem Weg Richtung mehr Nachhaltigkeit weiter, lautete schliesslich das Fazit der Veranstaltung. Die Devise – auch für die Landwirtschaft – sei entsprechend klar: Nicht nur reden und reagieren, sondern agieren. Die Landwirtschaft solle Teil der Lösung werden und nicht Teil des Problems bleiben.

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Zertifikatsübergabe für ersten klimaneutralen Käse
In Amlikon-Bissegg hat Familie Wartmann auf dem Holzhof das Zertifikat für den ersten klimaneutralen Käse der Schweiz erhalten.
In der Käserei und auf dem Landwirtschaftsbetrieb Holzhof Amlikon-Bissegg arbeitet Familie Wartmann seit Jahren an ihrem Konzept der geschlossenen Kreisläufe. So wird mit der eigenen Biogasanlage aus Mist, Gülle und pflanzlichen Abfällen elektrische und thermische Energie produziert. Damit und mit der Photovoltaikanlage kann heute der ganze Hof und die Käserei energieautark betrieben werden. Mit der Methanreduktion in der Biogasanlage Holzhof werden zudem CO2-Zertifikate generiert und durch Ökostrom Schweiz gehandelt.
Im Rahmen eines Presseevents fand am 25. August 2021 die Übergabe des Zertifikates «Certified CO2 Neutral by Swiss Climate» für die Käserei Holzhof statt. Zur Feier dieses Meilensteins lief am gleichen Tag der CO2-frei produzierte Naturbursche, der neue Käse aus der Käserei Holzhof, vom Stapel.
Die Landwirtschaft sei nicht nur Opfer und Täter des Klimawandels, die Landwirtschaft sei insbesondere Teil der Lösung, sagte Urs Schneider, stv. Direktor des Schweizer Bauernverbandes (SBV) im Rahmen der Übergabe gemäss Redetext. Landwirtschaftliche Böden könnten Kohlenstoff speichern und so als Treibhausgassenke funktionieren. Mittels methanhemmenden Fütterungszusätzen und nitrifikationshemmenden Düngerzusätzen liessen sich weitere Emissionen reduzieren, ohne die Produktion einzuschränken. «Zudem liefert die Landwirtschaft mit der Produktion von erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Bereits sind auf vielen landwirtschaftlichen Scheunen und Ställen Solaranlagen sichtbar oder Biogasanlagen im Einsatz», so Schneider.
Ganz besonders seien die Anstrengungen auf dem Holzhof sichtbar. «Vielfalt, Innovation und Fortschritt waren hier schon immer Begleiter, ja schon fast zu Hause. Immer wieder bin ich von diesem Betrieb beeindruckt und ich bin stolz, dass er in «meiner» Wohngemeinde liegt», so der stv. SBV-Direktor. Für den Schweizer Bauernverband seien solche Beispiele äusserst wichtig. Solche Beispiele zeigten, dass die Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern gewillt seien einen Beitrag hin zur Klimaneutralität zu leisten.