Zum Jagdbanngebiet Säntis gehören 551 Hektaren Sömmerungsgebiet, so die Beschreibung im «Konzept und Massnahmenplan Wald & Hirsch» des Kantons Appenzell Innerrhoden. Der Bericht stammt aus dem Jahr 2017 und stellt fest, dass die Frassverluste durch Rothirsche auf Wiesen und Weiden lokal bedeutend seien. Im Frühling würden zum Teil bis zu 30 Hirsche darauf weiden, was in höheren Lagen den Futteraufwuchs mit Auswirkungen bis in den Sommer beeinträchtige.

Es hat zu viele Rothirsche im Wald

Neben der Landwirtschaft leidet der Wald unter den grossen Rothirschbeständen. Das stellen auch Pro Natura und der WWF in einer Mitteilung fest. Der Verbiss durchs Wild sei zwar neben zu dichter und dunkler Fichtenbestockung nur einer von mehreren Gründen für die gestörte Verjüngung, die Schäden an den Bäumen hätten aber zugenommen.

Die beiden Umweltverbände kritisieren das Vorgehen des Kantons, der zwar die Zusammenhänge erkannt, aber lediglich die jagdlichen Massnahmen aus dem Konzept «Wald und Hirsch» umgesetzt habe.

Alpbewirtschaftung soll nicht angepasst werden

Demnach kommt es nicht nur auf die Anzahl Hirsche an, sondern auch auf deren Verhalten: Die Tiere würden durch die landwirtschaftliche Sömmerung im Jagdbanngebiet wegen verkleinertem Nahrungsangebot vom Offenland in den Wald getrieben. Hinzu kommt die Freizeitnutzung in der Region mit derselben Wirkung.

Das Konzept des Kantons sieht Massnahmen auch im Bereich Landwirtschaft, Forst, Freizeitnutzung und Kommunikation vor. Bei der Umsetzung hapere es aber, schreiben WWF und Pro Natura. Auch sei in diesem Frühling die Schaffung der «dringend notwendigen» Wildruhezonen abgelehnt worden. Weiter habe die Standeskommission beschlossen, die Alpbewirtschaftung nicht dem tatsächlichen Äsungsangebot anzupassen.

Ausnahmebewilligungen seit 10 Jahren

Die Strategie des Kantons Appenzell Innerrhoden besteht seit 2017 scheinbar darin, den Hirschbestand jagdlich zu regulieren. Dafür werden laut WWF und Pro Natura jedes Jahr Ausnahmebewilligungen erstellt, was für die beiden Verbände eindeutig nicht die Lösung sein kann. «Eine Bestandsregulierung in einem Jagdbanngebiet müsste die letzte Massnahme sein».

Wie im Konzept zu lesen ist, sprachen sich bei einem Akteur-Treffen 2017 die betroffenen Landwirte allerdings dafür aus, zuerst den Hirschbestand zu reduzieren. Erst danach sollten die beschlossenen Massnahmen betreffend Landwirtschaft, namentlich die Quantifizierung von Frassverlusten, eine Anpassung des Zäunungssystems und der Verzicht auf eine späte Düngung am Waldrand umgesetzt werden.

«Das einzige Mittel»

Man bedaure sehr «nach so vielen Jahren des Entgegenkommens», erstmals vom Verbandsbeschwerderecht Gebrauch machen zu müssen, betonen WWF und Pro Natura. Es gebe aus ihrer Sicht aber keine andere Möglichkeit mehr, um den Schutz des Lebensraums und die gesetzlich geforderte Erhöhung der Lebensraumqualität um Jagdbanngebiet Säntis durchzusetzen. Daher haben die beiden Umweltverbände beschlossen, die Verfügung zur Bejagung für den Jagdwinter 2022/23 rechtlich anzufechten.