Es ist Freitagabend, kurz nach acht Uhr. Auf dem Schweizer Fernsehkanal beginnt die Serie «SRF bi de Lüt – z Alp». Endlich geht es für die Älplerinnen und Älpler los – der Berg ruft. Schon alles im Auto und im Anhänger verstaut, macht sich Älplerin Maya ans Verladen ihrer Tiere. Der Anhänger scheint schon voll, also packt die junge Frau ihre fünf Ziegen euphorisch in den mit einer Plane und Stroh bedeckten Kofferraum ihres Dacia Duster. Weder ihr noch dem Produktionsteam des Schweizer Fernsehens scheint dabei allerdings bewusst zu sein, dass diese Handlung gesetzeswidrig ist.

Gesprächsstoff und Kopfschütteln

Die Szene weist auf ein Thema hin, das viele Bäuerinnen und Bauern im Alltag direkt betrifft: die rechtlichen Vorschriften rund um den Tiertransport. Medienberichte wie jener über einen Zürcher Landwirt, der sein ausgebüxtes Kalb über eine kurze Strecke im Auto transportiert und dafür eine Busse in der Höhe von 600 Franken erhalten hat, bleiben nicht folgenlos. Sie sorgen in vielen Bauernhäusern für Gespräche und Kopfschütteln. Viele Betriebe können sich mit dem Thema identifizieren, denn fast jede Tierhaltung transportiert regelmässig selbst Tiere.

Es handelt sich nicht um Einzelfälle

Insgesamt 150 Strafverfahren wurden 2021 laut neuster Statistik der Stiftung Tiere im Recht aufgrund von gesetzwidrigen Tiertransporten erteilt. Betroffen waren Schafe, Schweine, Rinder und Geflügel. Diese Zahl zeigt: Es handelt sich nicht um Einzelfälle.

Doch warum kommt es immer wieder zu solchen Verstössen? Die Gründe sind vielfältig. Ein wesentlicher Faktor ist der Zeitdruck, unter dem landwirtschaftliche Betriebe stehen. Zwischen Stallarbeit und Feldarbeit geraten Vorschriften leicht in den Hintergrund. Eine andere Situation betrifft verletzte oder ausgebüxte Tiere – schnelles Handeln ist gefordert. Gerade bei kleineren Tieren wie einem Kalb oder einem Zicklein, das sich ohne Mühe ins Auto tragen lässt, handeln viele instinktiv. «Das Tier so schnell wie möglich versorgen oder zurück auf den Betrieb bringen», lautet hier die Devise. Diese Absicht dürfte auch beim Zürcher Landwirt mit seinem Kalb im Vordergrund gestanden haben.

Im Alltag liest man nicht nochmal den Gesetzeskatalog

Andere Verstösse wiederum geschehen, ohne dass sich die Betroffenen bewusst sind, dass sie ihre Tiere falsch transportieren, denn im Alltag blättert niemand vor jeder Arbeit nochmals den Gesetzeskatalog durch. Hinzu kommt, dass der Sinn mancher Vorschriften nicht immer klar ersichtlich ist. Genau hier zeigt sich ein Spannungsfeld: Auf der einen Seite die klaren gesetzlichen Vorgaben, die für Sicherheit und Tierwohl sorgen sollen. Auf der anderen Seite erleben viele Landwirte diese Regeln als praxisferne Belastung. Statt als Schutzinstrument erscheinen sie häufig als zusätzliche Bürokratie im ohnehin arbeitsdichten Bauernalltag.

Nicht selten bewegt man sich als Landwirt oder Landwirtin in einer Grauzone. Ein Transport entspricht vielleicht nicht vollständig den Vorschriften, erscheint aber aus Sicht der Praxis vertretbar. Für das Gesetz aber gibt es nur zwei Kategorien: korrekt oder Verstoss. Hier prallen die Logik der Rechtsordnung und die Realität des bäuerlichen Alltags aufeinander.

Wenn das Gitter fehlt

Als Tochter eines Beamtenpaares und Partnerin eines gelernten Landwirts wurde mir dieses Spannungsfeld vor Kurzem noch einmal deutlich. Auf dem elterlichen Betrieb meines Freundes wird ein älterer Anhänger für den Transport der Tiere auf die nahegelegenen Weiden genutzt. Als ich ansprach, dass am Heck des Transporters das vorgeschriebene Absperrgitter fehle, folgte eine einfache Antwort: «Das haben alte Anhänger halt nicht.» Zugleich verwies mein Freund darauf, dass man die Tiere schon seit Jahren so transportiere, ohne dass je etwas passiert sei – die Wege seien kurz und problemlos. Doch auch wenn die Fahrt nur wenige Minuten dauert, ist der Fall bei einer Kontrolle klar: Das Alter des Anhängers spielt keine Rolle – fehlt das Gitter, liegt ein Verstoss vor. Die Vorschrift kann im Alltag als noch so lästig oder nicht wichtig empfunden werden, das Gesetz handelt ganz ohne Emotionen. 

Am Ende darf man nicht vergessen, welchen Zweck die Vorschriften eigentlich erfüllen sollen. Sie sollen nämlich nicht den Bauern plagen, sondern in erster Linie die Tiere schützen und im weiteren Sinne auch die Menschen, die mit ihnen umgehen. Oft ist man sich dessen im hektischen Alltag gar nicht bewusst. Manchmal sind es nur kleine Mängel, die bei einer Kontrolle beanstandet werden, und in diesem Moment ist vermutlich nichts passiert. Doch genau hier liegt die Schwierigkeit: Wo zieht man die Grenze? Würde man von Fall zu Fall unterscheiden, würde das Gesetz beliebig und für die Betroffenen noch schwerer nachvollziehbar. Deshalb braucht es klare Vorgaben, die für alle gelten. Was einem im Alltag vielleicht manchmal unnötig oder umständlich erscheint, kann im Ernstfall entscheidend sein.