«Melken ist kein Milchentzug. Es sollten optimale Bedingungen geschaffen werden, damit die Kuh bereit ist, ihre Milch herzugeben», sagt Kathrin Lincke. Die deutsche Agronomin ist seit 20 Jahren in der Beratung für Melktechnik und Eutergesundheit tätig. An der Melkfachtagung am Arenenberg teilte sie ihre langjährigen Erfahrungen mit Praktikern. Die Veranstaltung wurde im gleichen Rahmen auch an den landwirtschaftlichen Zentren Pfäffikon SZ, Salez und Flawil durchgeführt. 

Sich Zeit nehmen für Tierbeobachtung 

Kathrin Linckes Hauptmessage war: Die Kuh steht im Mittelpunkt und nicht die Technik.Sie rät, dass man sich unbedingt einmal die Zeit nehmen sollte, die Tiere während des Melkvorgangs zu beobachten. Kühewürden zeigen, wenn ihnen etwas nicht passt: «Keine Kuh, der es gut geht, klappt die Ohren nach hinten, zieht den Schwanz ein oder macht einen krummen Rücken.» 

Ebenfalls spannend sei eine Betrachtung der Herde von oben, sozusagen aus der Vogelperspektive. So sehe man, ob die Kühe genügend Platz hätten. Zu wenig Platz sei nämlich ein möglicher Grund, weshalb eine Kuh einen schlechten Ausmelkgrad habe. Stehen die Kühe zu eng beieinander, sind sie gestresst, weil sie sich nicht wohlfühlen. Ausserdem wird es so schnell heiss und stickig, weitere Faktoren, die Kühe nicht mögen. Stress beginne nicht erst im Melkstand, auch ein enger Wartebereich sorge für Anspannung. «Das verursacht Adrenalin pur, und dieses wird nicht so schnell wieder abgebaut», so Lincke.

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Stress ist ein wesentlicher Faktor, weshalb Kühe sich nicht ausmelken lassen. Denn Stresshormone sind Fluchthormone. Diese hemmen die Milchfreisetzung und die milchableitenden Wege verengen sich. 

Weitere Stressfaktoren für die Kühe sind:

  • Schmerzen, z. B. wegen Scheuerstellen;
  • Lärm und Schallübertragung, Kühe hören im Ultraschallbereich;
  • schlechte Lichtverhältnisse, darunter fallen auch stark glänzende Böden;
  • Fliegen.

Gegen letztere empfiehlt die Melkberaterin im Wartebereich eine Sprühnebelvorrichtung. Die Betonung liegt hier auf Nebel, die Kühe sollten nicht abgeduscht werden. Auch Ventilatoren helfen gegen Fliegen. Sie sollten laut Lincke von vorne unter die Euter oder im Wartebereich von oben gegen die Kühe blasen.

Kühe brauchen viel Kopffreiheit

Ein weiterer wichtiger Punkt gegen Stress sei die genügende Kopffreiheit. Mit dem Kopf gegen die Wand oder mit einer Stange oder einem Gitter vor den Augen sei es den Kühen nicht wohl. «Wo sollen die in einer solchen Situation bloss mit ihrem Kopf hin?», fragte Kathrin Lincke.

Optimales Melken besteht laut der Expertin aus folgenden Punkten:

Zitzen schonen: Das hilft der Infektionsabwehr.

Euter ausmelken: Sorgt für wenig Erreger im Euter und eine hohe Milchleistung.

Keine Erreger übertragen: Das senkt den Infektionsdruck.

Dazu kommen gute Arbeitsbedingungen, kurze Melkzeiten und geringe Nebenkosten. Von Nachmelkgeräten rät Lincke ab. Sie empfiehlt jedoch, nach dem Melken ein Augenmerk auf die Zitzen zu richten. Sind die Venenringe geschwollen, die Zitzen rau, ausgefranst oder gar blau, liege das eventuell an der Positionierung der Melkbecher, den Zitzengummis oder am Vakuum.

«Kompromisse bei den Zitzengummis macht man nur bei alten Kühen.»

Kathrin Lincke, Agronomin und Beraterin für Melktechnik und Eutergesundheit.

Gesunde Zitzen dank dem richtigen Zitzengummi

«Liegt der Schlauch am Boden oder auf der Melkstandkante, werden die Melkbecher schnell einmal ungleichmässig belastet.» Kathrin Lincke rät dringend, die Schläuche mittels Haken, Seilrolle, Schlauchführungsband oder Kunststoffkette zu heben. Der Abstand von der Aufhängevorrichtung zum Sammelstück sollte so weit wie möglich sein, aber mindestens 40 cm betragen.

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Unflexible Zitzengummis, zu grosse oder zu enge sowie zu weiche und verschlissene sind ein No-Go. Um die richtige Zitzengummigrösse zu bestimmen, wird die stimulierte Zitze vor dem Melken mit einem Lineal, eine Daumenbreite unter dem Venenring, gemessen. 

Faustzahlen für Zitzengummis sind gemäss Lincke wie folgt: 

  • 20 bis 22 mm Durchmesser sind meist Standard;
  • 23 bis 24 mm gehen eventuell gerade noch;
  • 25 mm sind definitiv zu gross. 

Meist könne man nicht allen Tieren gerecht werden: «Kaufen Sie die Zitzengummis so, dass die jungen Kühe gut bedient sind. Bei den alten und einzelnen Kühen mit dicken Zitzen kann man Kompromisse eingehen», so die Expertin.

Damit die Zitzen schön weich und geschmeidig bleiben und keine Hornhaut bekommen, sollte das Melkvakuum an der Zitze nicht über 40 Kilopascal betragen. Ausserdem plädiert Lincke bei Braun- und Fleckvieh für eine Pulszahl von 60 pro Minute, im Verhältnis 60:40. «Wer die Möglichkeithat, Gleichtaktpulsation einzustellen, sollte das unbedingt machen.»  

Aber auch die Art der Pulsation sei wichtig: «Die Phasen-Übergänge sind meist sehr steil, dadurch knallt der Zitzengummi auf die Zitze.» Die a-Phase (saugen) sollte nicht über 100 Millisekunden (ms) sein, die c-Phase (massieren) nicht über 140 ms. Durch Ausstatten des Pulsators mit Filter, Reduzierstück oder kurzem Pulsschlauch können die Phasenübergänge gemäss Lincke abgeflacht werden.

Weitere Informationen: www.melkberatung.net

Tipps aus der Praxis

Landwirt Manuel Süess aus Waldkirch SG schwört auf Apfelessig in der Ration. Seit drei Jahren mischt er dem Futter pro Kuh und Tag 1,5 dl Essig verdünnt mit etwas Wasser bei. 

Essig in der Ration

«Unsere Zellzahlen liegen meist zwischen 50 und 100», erzählt Manuel Süess an der Melkfachtagung am Arenenberg. Der Essig wirke sich zudem positiv auf die Verdauung aus: «Wir haben weniger Dünnschiss.

Weiter ist Süess überzeugt, 
- dass es in der Liegebox keinen Kalk braucht. Er streut im Euterbereich Strohkrümel ein.
- dass sich Mausen lohnt, da man so Futterausfälle minimieren kann.
- dass ein Magnet an der ersten Schnecke im Futtermischwagen die Gefahr von Fremdkörpern minimiert.
- dass die Kuh innerhalb von einer Minute nach der ersten Berührung am Aggregat angehängt sein muss, damit das Oxytocin voll ausgenutzt werden kann.
- dass auch Galtkühe nur das beste Futter bekommen sollen.
- dass ruhig sein, das A und O beim Melken ist.

Reinigungsfaktoren prüfen

«Probleme mit der Keimzahl? – Das ist meist ein Hygieneproblem», meint René Rutz, Melkberater aus  Happerswil TG. Er empfiehlt deshalb, regelmässig die vier Reinigungsfaktoren zu überprüfen:
Zeit: Die Hauptreinigung sollte 8 bis 10 Minuten dauern.
Reinigungsmittel: Die richtige Dosierung verwenden.
Mechanik: Es können sich Zapfen bilden in der Leitung, deshalb die Wassermenge kontrollieren.
Temperatur: Am Ende der Reinigung soll sie 50 °C, bei Käsereimilch sogar 60 °C betragen.

Ein weiterer Grund für hohe Zellzahlen kann laut Rutz das zu frühe Abliegen der Kühe nach dem Melken sein. Es dauert 20 bis 30 Minuten bis die Zitzen wieder geschlossen sind. Sind diese noch geöffnet, können Keime ins Euter eindringen.