Mili BW aus der Zucht von Bernhard Wüthrich, Rubigen, ist zu gross. Das sagt das Zuchtprogramm des Schweizer Freibergerzuchtverbands (SFV). Einen ganzen Zentimeter überschreitet die dreijährige Freibergerstute das Zuchtziel. Dieses ist im Zuchtprogramm unter Artikel 7, Punkt 1, Typ, geregelt: «Die Widerristhöhe liegt im Alter von drei Jahren zwischen 150 bis 160 m.» 

Mili BW, seit dem Absetzen von der Mutterstute im Besitz von Susanne Schwenter-Wolff, Château-d'Oex VD, ist anlässlich des Feldtests in Porrentruy JU mit 161 cm gemessen worden. Das hat zur Folge, dass ihr der Eintrag als Zuchtstute in das Herdebuch der Freiberger verwehrt bleibt. Die Noten 2, ,  (Typ, Körperbau, Gang) erntet die in den Augen der Besitzerin talentierte Stute am Feldtest. Wird das Notenblatt interpretiert, hat die Stute einen «guten» Körperbau, mit «guten» Gängen, aufgrund eines einzigen Zentimeters aber einen «schlechten» Typ. Mili BW entstammt der gleichen Mutter, wie der schweizweit intensiv im Deckeinsatz stehende Zuchthengst Never BW, der anlässlich der Hengstkörung mit 156 cm gemessen wurde.

Grosse Pferde sind gefragt

Mili BW ist verkauft. Sie wird ­die Schweiz innert Kürze verlassen und hat einen Besitzer in Deutschland gefunden. Verkaufen lassen sie sich gut, die «übergrossen» Freibergerpferde. Doch in der Zucht will man nichts von ihnen wissen.  

Für die engagierte Züchterin ist dieser Umstand unverständlich. Sie hat dem Verband ein Schreiben zukommen lassen, indem sie einen Antrag auf Ergänzung des Zuchtreglements stellt. «Nach heutigen starren und meiner Meinung nach veralteten Massstäben ist Mili BW einen Zentimeter zu gross gewachsen», kritisiert Susanne Schwenter-Wolff das Reglement und findet es «bitter und jammerschade», dass eine solche Genetik der Schweizer Freibergerzucht für immer verloren gehe. «Da darf die Frage erlaubt sein, wie lange wir uns das noch leisten können?», ist sie sicher. Der Verband habe die Wahl zwischen: «Aufwachen und Realitäten erkennen» oder «Adieu, Schweizer Freibergerzucht», ist die Züchterin sicher. 

Ausnahmebewilligung?

Im Antrag, den Susanne Schwenter-Wolff im Schreiben an den SFV richtet, schlägt sie vor, das Zuchtreglement betreffend der maximalen Widerristhöhe bei Freibergerstuten dahingehend zu ergänzen, dass bei einer minimalen Überschreitung der Körpergrösse und gleichzeitig erbrachten überdurchschnittlichen Leistungen im Fahren und Reiten, sowie sehr guten Exterieurnoten, wie im Fall von Mili BW, eine Ausnahmebewilligung zum Einsatz der betreffenden Stute zur Zucht erteilt werden sollte.  

Albrecht Dreier, Zuchtkommissionspräsident des SFV, ist oft mit solchen Fragen konfrontiert, wie er der BauernZeitung auf Anfrage erklärt. Dreier erinnert an die Überarbeitung der Reglemente von Feldtest wie auch ­Stationstest der Hengste in den vergangenen Jahren. «Eine Veränderung der Widerristhöhe wurde vehement abgelehnt. ­Beide Male gingen die überarbeiteten Reglemente zu den Genossenschaften in die Vernehmlassung. Es kam keine einzige Anregung in dieser Richtung», erklärt Dreier. Somit dürfe man annehmen, dass die Anforderungen zur Aufnahme ins Herdebuch für eine grosse Mehrheit der Züchter richtig erscheine. Im demokratisch aufgebauten SFV sei es zudem immer möglich, mit einem Antrag an die Delegiertenversammlung, die Reglemente zu ändern, erinnert er.

Das Pferd wird grösser

Mili BW ist kein Einzelfall.  Jährlich werden an Feldtests Jungpferde in der Typnote «bestraft», die zu gross sind. Von den über 180 im Herdebuch eingetragenen Freibergerzuchthengsten wiesen mit drei Jahren lediglich deren 30 ein Stockmass unter 155 m auf. Der ganz grosse Anteil misst bereits dreijährig, also im noch unausgewachsenen Zustand, zwischen 155 und 160 cm. Der Freiberger wächst. Wäre es daher nicht an der Zeit das Zuchtziel anzupassen? 

«Wenn wir die Grenze, wie von Susanne Schwenter-Wolff vorgeschlagen, um 1,6 m erhöhen, verschieben wir zwar das Problem um 1,6 cm, aber wir lösen es nicht», erklärt der Zuchtkommissionspräsident. Es werde wieder Pferde geben, die nur einen Zentimeter grösser sind, als das Reglement erlaube. «Wenn wir ­keine Grenzfälle mehr wollen, sehe ich nur eine Lösung: Wir müssen die Limiten aufheben. Jeder züchtet, was er will.» 

Zucht ist nicht unabhängig

Gegen ein Züchten in vollkommener Eigenverantwortung würden jedoch verschiedene Argumente sprechen, erklärt Albrecht Dreier. Zu Marketingzwecken solle man den Freiberger noch als Freiberger erkennen können. Hier erinnert er an den John Deere, den man zweifellos an seiner grünen Farbe und den gelben Felgen erkenne. 

Die Schweizer Tierzucht sei zudem in einem vom Welthandel geprägten Umfeld nicht in der Lage, sich selber zu finanzieren. «Es fliessen Gelder vom Bund, dieser wiederum verlangt von den Tierzuchtverbänden eine strikte Regulierung ihrer Zuchtziele und Reglemente, um anerkannt zu werden, damit die Gelder fliessen können», weiss Dreier. Welchen Verlust die Freibergerzucht durch den Ausschluss dieser «übergrossen» Pferde erfahren wird, kann nicht beantwortet werden. «Zucht braucht aber eine minimale Konsequenz um ein Ziel zu erreichen», schliesst Dreier.

Simone Barth

Diesen Bericht finden Sie in der BauernZeitung vom 15. Juni. Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.