«Der Wolfsriss in Lauwil und die Sichtungen in Zeglingen bestätigen unseren Verdacht, dass der Wolf im Baselbiet Einzug gehalten hat und in Zukunft hier anzutreffen ist.» Dies stellt Philipp Miesch, Präsident vom Schafzuchtverein Baselland und Umgebung (SZV-BLU), nüchtern fest. Und weiter: «Die Population des Wolfes ist im Moment derart gross, dass selbst Befürworter des Raubtiers von der Entwicklung überrascht sind.» Es sollte ein Umdenken bei der Bevölkerung und den Behörden stattfinden, damit Nutztiere besser vor Wolfsangriffen geschützt werden könnten.

Keine neuen Einzonungen von Naturschutzzonen

Kleintierhalterinnen wollen ihre Tiere vor Wolf und Luchs schützen und seien bereit, Geld für die nötigen Schutzausrüstungen zu investieren, ist Philipp Miesch überzeugt. So könnten Hangflächen und Kleinparzellen weiterhin nachhaltig mit Kleinwiederkäuern bewirtschaftet werden. Keinesfalls dürften noch mehr Landschaftsschutz- und Naturschutzzonen auf den Weideflächen der Kleintierhalter eingezont werden, weil so der Bau von Tierunterständen verunmöglicht werde, weiss Miesch. Es würden ja nur die Schafe entschädigt, welche anhand einer DNA-Analyse einem Wolfsriss zugeordnet werden können.

Störendes Hundegebell

Der Vorgänger von Philipp Miesch, Ambros Zurfluh, jahrzehntelang Schafhalter, weiss, dass ein Herdenschutz mit Herdenschutzhunden (HSH) im ganzen Kanton nur mit unverhältnismässigem Zeit- und Finanzaufwand möglich wäre. Er sagt, die Herden seien zu klein, als dass sich die Anschaffung eines HSH lohnen würde. «Die Weideparzellen befinden sich zum Teil in Wohngebieten, was Konfliktpotenzial, auch wegen Hundegebells, mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung beinhaltet», hält er fest.

Zuwenige Herdenschutzhunde verfügbar

Philipp Miesch gibt indes zu bedenken, dass die Nachfrage nach Schutzhunden auch in anderen Kantonen vorhanden sei, weshalb es unmöglich sei, innert nützlicher Frist für jede Schafhalterin einen Herdenschutzhund anzuschaffen. Es bleibe nur die Möglichkeit, mit erhöhten Zäunen, Flatterbändern und Blinklampen zu arbeiten. Oder die Tiere nachts einzustallen.

Die Mehrkosten muss jemand zahlen

Der Steuerzahler müsste zudem via Bund und Kanton finanziell mehr Verantwortung übernehmen. «Damit meinen wir, dass Mehrkosten für wolfssichere Zäune und weitere Abschreckungsmassnahmen übernommen werden müssen», erklärt Miesch im Namen des Vereins. Nur eine der Population angepasste Regulierung des Grossraubtierbestandes könne der zielführende Weg sein, um mit- und nebeneinander leben zu können. «Der Bauernverband beider Basel (BVBB) bedauert den Wolfsriss in Lauwil», sagt deren Präsident Marc Brodbeck. «Wir stehen mit der betroffenen Familie in Kontakt», fährt er weiter, «denn es handelt sich hier angesichts der Bindung zwischen Mensch und Tier um eine emotionale Angelegenheit.» [IMG 4]

Austausch und Erfahrungen teilen

Der Vorfall Mitte November sei unerwartet aufgetreten, obwohl Tierhalter durch Pressemeldungen in letzter Zeit sensibilisiert seien. Es sei eine Frage der Zeit gewesen, bis der Wolf auch im Baselbiet zuschlagen würde. Der Verband würde sich jetzt mit den Bergkantonen, welche mit dem Problem schon länger konfrontiert sind, austauschen. So könne der BVBB die Landwirtinnen und Schafhalter so weit als möglich unterstützen. Ein flächendeckender Herdenschutz sei im Baselbiet aus topografischen Gründen nicht möglich und es gebe die Frage zu klären, wer für den Mehraufwand aufkomme, so Brodbeck.

Die Ungewissheit nagt

Andreas Vögtli, Präsident des Solothurner Bauernverbands (SOBV) und auch Schafhalter, spricht von einschneidenden Ereignissen, die kürzlich vor der Haustüre stattfanden. «Nicht nur der Verlust der Tiere und deren Leiden durch die Risse, sondern auch die Ungewissheit für die Tierhalter über weitere Wolfsrisse ist belastend», hält Vögtli fest. Dazu komme, dass Herdenschutzmassnahmen in diesem Gebiet kaum realisierbar seien. Der SOBV habe seit Langem darauf hingewiesen, dass die Risse zunehmen würden, wenn die Wolfspopulation nicht genügend reguliert werde. Es sei kaum möglich, die zahlreichen kleinen Gruppen von Schafen in den Koppeln mit Herdenschutzhunden zu schützen. [IMG 3]

Bald weniger Tierhaltende

Andreas Vögtli nimmt an, dass viele Kleinbetriebe ihre Schaf- und Ziegenhaltung aufgeben, wenn die Wolfsschäden noch zunehmen. Der Einsatz von Herdenschutzhunden möge vielleicht auf grossflächigen Alpen mit grossen Herden funktionieren, aber nicht im Unterland. Vögtli hält fest: «Bei Rissen sind die Tierhaltenden gerecht zu entschädigen und ihre Aufwendungen für den Herdenschutz müssen umfassend unterstützt werden. Denn es ist absehbar, dass, in unserem dicht besiedelten Gebiet, aufgescheuchte und ausgebrochene Tiere zur Gefahr werden und dabei auch die Tierhalter zur Rechenschaft gezogen werden könnten.»

Den Druck zur Wolfsbestandsregulierung aufrechthalten

Edgar Kupper, interimistischer Geschäftsführer des Solothurner Bauernverbands, äussert sich zu den Wolfsichtungen in Eppenberg-Wöschnau: «Der SOBV hat anlässlich der Abstimmung über das nationale Jagdgesetz festgehalten, dass der Wolf in der Region unterwegs ist und so die Belastung für die tierhaltenden Landwirtschaft zunimmt.» Es sei logisch, dass immer mehr Wölfe gesichtet und mehr Risse vorkommen würden. Der SOBV werde den Druck aufrechterhalten, damit der Wolfsbestand reguliert werde, so Kupper. Dafür müsse auch das nationale Jagdgesetz angepasst werden. [IMG 2]

Transparente Kommunikation kommt an

Die BauernZeitung wollte von Holger Stockhaus, Jagd- und Fischereiverwalter BL, Amt für Wald beider Basel, wissen, welche Reaktionen der Wolfsriss und vermeintliche Wolfssichtungen allgemein bei ihm und seinem Team hervorrufen würden. Die Stimmung gegenüber dem Amt für Wald respektive der Jagdverwaltung sei gut, hält er fest und präzisiert: «Es gibt kritische Stimmen gegenüber dem Wolf. Dies vor allem aufgrund der nachvollziehbaren Sorge der Schafhalter(innen) um ihre Nutztiere betreffend der Entwicklung der Wolfspräsenz im Kanton.» Einige Personen hätten sich nach den Meldungen der letzten Tage bei der kantonalen Herdenschutzberatung über den Herdenschutz informiert. Grundsätzlich würden die Informationen im Guten entgegengenommen und auch die transparente Kommunikation würde geschätzt, erklärt Stockhaus. Braucht es einen Herdenschutz im Baselbiet und Umgebung? Holger Stockhaus erläutert: «Wölfe wandern im Alter von 18 Monaten von ihrem Rudel ab. Auf der Suche nach einem neuen Gebiet können sie in kurzer Zeit weite Distanzen zurücklegen.» Das bedeute, dass auch im Baselbiet jederzeit mit Einzelwölfen zu rechnen sei. Kleinvieh, welches vorwiegend vom Wolf gerissen werde, sei in aller Regel eingezäunt. Für einen wirksamen Herdenschutz sei es wichtig, dass der Zaun genügend Strom führe, gut gespannt ist, ein guten Bodenabschluss vorhanden und die Herde vollumfänglich eingezäunt sei, empfiehlt Stockhaus. Zudem sei wichtig, dass die Nutztierhalter(innen) sich bereits heute informieren sollten, wie sie ihre Herden schützen können. [IMG 5]

Hunde und die Leinenpflicht

Der Einsatz von Herdenschutzhunden im Baselbiet bei regelmässiger Wolfpräsenz sei grundsätzlich möglich. Denn gemäss eidgenössischer Tierschutzverordnung würden für Herdenschutzhunde Ausnahmeregelungen gelten. Das bedeute, dass sie während ihrer Arbeit auch von der Leinenpflicht ausgenommen werden könnten.