Margrit Stebler mistet an diesem trüben Wintertag die Pferdeboxen auf ihrem Hof Steinig aus. Wie sie es seit jeher getan hat. Als Kind betreute sie hier die Pferde der Eltern, später die eigenen. Auf den Weiden des idyllisch gelegenen Betriebs im aargauischen Gontenschwil tummeln sich 13 Pferde und Ponys. Fünf davon sind in Pension, mit den acht eigenen bietet die diplomierte Freizeit-Reitlehrerin und Centred-Riding-Instruktorin Unterricht an.

Angebot ist sehr gefragt

Damit verdient «Mägi» Stebler, wie sie von ihren Bekannten genannt wird, ihren Lebensunterhalt. Das Angebot wird in der Region hochgeschätzt. Viele Kinder haben bei ihr den Umgang mit dem Pferd und das Reiten gelernt. Die nahe Suchtklinik und ein Behindertenzentrum schicken Patienten zur Therapie, die Pensionsplätze sind begehrt.

Doch die Existenzgrundlage der 61-jährigen Bäuerin steht vor dem Aus: Ihrem Hof droht in einem halben Jahr die Zwangsräumung. Denn gemäss Gesetz übt Margrit Stebler keine landwirtschaftliche Tätigkeit aus. Somit sind Pferdepension, Unterricht und die entsprechende Infrastruktur in der Landwirtschaftszone für sie verboten und sie darf höchstens vier Pferde halten. Reine Reit- und Pensionsställe gehören in Spezialzonen.

Ehe ging in die Brüche

Wie sie in diese Situation gekommen ist, zeigt ein Blick zurück. Im Jahr 1989 hatte Margrit Stebler den Landwirt vom Nachbarhof geheiratet und war dorthin gezogen. Die beiden Betriebe wurden ab dann gemeinsam unter der Betriebsnummer des Mannes geführt. Die Bäuerin betreute weiterhin den Bereich Pferdehaltung. Als nach über 20 Jahren die Ehe in die Brüche ging, wechselte sie zurück auf ihren Familienhof, mittlerweile in ihrem Alleineigentum, nachdem sie die Geschwister ausgezahlt hatte. Mit dem Ehepaar trennten sich auch die Betriebe wieder.

«Der Scheidungsrichter fand, ich könne meinen Lebensunterhalt ja mit Pensionspferden und Reitstunden verdienen, ich brauche keinen Unterhalt oder Errungenschaftsabfindung», erinnert sich die Bäuerin. Sie unterschrieb den entsprechenden Scheidungsvertrag. Die Arbeit mit den Pferden war ja tatsächlich das, was sie konnte und liebte, was sie immer gemacht hatte und wofür sie sich aus- und weitergebildet hatte.

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Auf Baugesuch folgt Schock

Was sie nicht wusste: Genau das verbot ihr das Gesetz auf ihrem Hof. Pferdepension und Unterricht gelten für sich allein nicht als landwirtschaftliche Tätigkeiten und den grössten Teil ihrer 4,5 Hektaren Landwirtschaftliche Nutzfläche hatte Margrit Stebler zum Zeitpunkt der Scheidung an ihren Ex-Ehemann verpachtet. Somit rutschte ihre Pferdehaltung auf ihrer Liegenschaft Steinig in die Kategorie «hobbymässig» ab. Das blieb noch eine Weile unbeachtet und alles lief weiter wie gewohnt.

Der Schock kam, als die Betriebsleiterin kurz nach der Scheidung ein Baugesuch für einen befestigten Auslaufplatz einreichte und damit die Behörden auf den Plan rief: Diese entdeckten, dass für eine hobbymässige Pferdehaltung zu viele Equiden auf dem Hof lebten und dass einige Anlagen – ein kleiner Holzschnitzelplatz und ein gekiester Lagerplatz für Siloballen – ohne Baugesuch errichtet worden waren. Gemäss behördlicher Verfügung muss Margrit Stebler nun die unbewilligten Anlagen zurückbauen und die überzähligen Pferde weggeben.

Bis vor Bundesgericht

Die Bäuerin wehrte sich gegen den Entscheid bis vors Bundesgericht – vergeblich. Auch ein Revisionsantrag wurde im Juli 2021 abgelehnt. In der Zwischenzeit hatte Margrit Stebler noch 43 Aren Aroniabeeren angebaut, um eine landwirtschaftliche Tätigkeit vorzuweisen. Doch die Zeit lief ihr davon: Gemäss einer Praxisänderung im Raumplanungsgesetz bei der kantonalen Baugesuchsbeurteilung wurde die längerfristige Existenz eines Betriebes zur Voraussetzung für Zonenkonformität erklärt – die Bewirtschafterin darf nicht älter als 55 Jahre alt sein oder muss einen Nachfolger haben.

Diese Neuerung kam in dem Jahr, als Margrit Stebler 55-jährig wurde, noch bevor die Aroniastauden Ertrag brachten und sie die verlangte Gewinn- und Ertragsorientierung hätte nachweisen können. Auch ein weiterer Rettungsversuch, mit einem Landwirt in der Region eine Betriebsgemeinschaft einzugehen, liess sich nicht realisieren.

Sie kämpft weiter

Margrit Stebler kämpft weiter. Sie hat beim Kanton Aargau erneut Beschwerde eingereicht, das Verfahren ist vor dem Regierungsrat hängig. Aus diesem Grund nimmt die kantonale Abteilung für Baubewilligungen keine Stellung zum Fall. Dafür sind die zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützer von Margrit Stebler aktiv geworden und haben die «IG Sina Steinig 414» gegründet. «Es ist nicht einfach mein Beruf, es ist mein Leben. Wie kann ich meinen Unterhalt verdienen, wenn in sechs Monaten die Pferde wegmüssen? Wie soll ich einen neuen Job finden?», fragt Margrit Stebler. Dazu kommt die Sorge um ihre Pferde, die alle schon älter und somit kaum verkäuflich sind. Sie auswärts unterzustellen, kann sich die Bäuerin nicht leisten. «Alles, was ich will, ist in Ruhe in Pension gehen und den Pferden ein schönes restliches Leben ermöglichen», sagt sie.

Pferdehaltung in der Landwirtschaftszone: Das ist erlaubt

Reine Reit- und Pensionsställe gehören grundsätzlich nicht in die Landwirtschaftszone, sondern in eine Spezialzone. Betriebe, die auch ohne Pferdehaltung als Landwirtschaftliche Gewerbe gelten, haben raumplanerisch die meisten Möglichkeiten, während Hobbybetriebe stark eingeschränkt sind.

Die Wegleitung Pferd und Raumplanung des Bundesamtes für Raumentwicklung erläutert, was in der Landwirtschaftszone erlaubt ist.

Landwirtschaftliche Gewerbe: Sie können für die Pferdehaltung Bauten und Anlagen umnutzen oder neu erstellen, ebenfalls für tiergerechteHaltung notwendige Aussenanlagen und Plätze für die Nutzung der Pferde. Pensionspferdehaltung ist erlaubt. Futter-basis und Weiden bestimmen die erlaubte Anzahl Pferde.

Landwirtschaftsbetriebe unterhalb der Gewerbegrenze: Sie dürfen Bauten und Anlagen für die Pferdehaltung umnutzen, aber nicht neu erstellen. Für tiergerechte Haltung notwendige Aussenanlagen sind erlaubt, aber keine Plätze für die Nutzung. Pensionspferdehaltung ist möglich. Futterbasis und Weiden bestimmen die erlaubte Anzahl Pferde.

Anerkannte Betriebs- oder Betriebszweiggemeinschaft im Bereich Pferdehaltung, welche mindestens einen Arbeitszeitbedarf erreichen, wie er für landwirtschaftliche Gewerbe nach BGBB gilt, können auf einem der Partnerbetriebe die gleichen Bauten und Anlagen sowie Plätze für die Nutzung errichten wie landwirtschaftliche Gewerbe.

Hobbymässige Pferdehaltung: Bauten und Anlagen dürfen umgenutzt und für tiergerechte Haltung notwendige Aussenanlagen erstellt werden. Neue Bauten und Anlagen sowie Plätze für die Nutzung der Pferde sind nicht erlaubt, auch nicht die Pensionspferdehaltung. Hobbypferdehalter müssen imstande sein, alle Pferde selber, also ohne Hilfe von Dritten, zu betreuen. In der Regel sind das vier Pferde.