AboSTSDie Führungskrise beim Schweizer Tierschutz führt zu einem Exodus beim KontrolldienstFreitag, 9. Juni 2023 Die letzten Tage haben sich die Meldungen zu den verbandsinternen Entwicklungen beim Schweizer Tierschutz STS geradezu überschlagen. Nachdem es vor einiger Zeit zu personellen Wechseln und Kündigungen gekommen war, kommt der Dachverband nicht zur Ruhe. Bekannte Exponenten wurden suspendiert und es steht eine Rücktrittforderung gegen Präsidentin Nicole Ruch im Raum (siehe Kasten). Landwirtinnen und Landwirten könnten solche Querelen grundsätzlich egal sein, doch sie bleiben nicht ohne Folgen.

«Alle» – mit einer Ausnahme

«Der Kontrolldienst STS hat den Personalmangel erfolgreich beheben können», heisst es beim STS auf Anfrage der BauernZeitung. Fachkräfte seien rekrutiert und ausgebildet worden, man könne die Kontrollen für alle Label in diesem Jahr «zu 100 Prozent» erledigen. Eine Ausnahme gibt es jedoch, nämlich die Schweinekontrollen für IP-Suisse.

Kul/Carea und Qualinova übernehmen

Die Labelorganisation hat reagiert und informiert in einer Mitteilung darüber, dass die Kontrollen für Schweinebetriebe mit dem Käfer neu definiert worden seien. Als Grund dafür werden fehlende Kontrollkapazitäten beim STS genannt. Zusammen mit dessen Kontrolldienst und den beiden unabhängig akkreditierten Inspektionsstellen Kul/Carea und Qualinova AG habe man nach einer effizienten Lösung gesucht. Diese sieht so aus, dass die Tierhaltungskontrollen ab sofort schweizweit auf den Schweinebetrieben vollständig durch die neue Kontrollorganisation übernommen werden, die aus der Fusion von Kul/Carea und Qualinova hervorgeht.

STS kontrolliert auch weiterhin

Grünes Licht von Aktionären und MitgliederEine Fusion von KUL und Qualinova soll das Kontrollwesen mittelfristig harmonisierenMittwoch, 19. April 2023 Trotzdem bleibt der Kontrolldienst des STS weiterhin im Einsatz für IP-Suisse. Namentlich wird er gemäss Mitteilung vermehrt Tiertransportkontrollen und Schlachthofaudits durchführen.

Neben IP-Suisse arbeitet u. a. auch Coop mit dem Schweizer Tierschutz STS zusammen und betont dies auch gerne in der Werbung. Auf einzelne Fragen der BauernZeitung zur aktuellen Situation im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten beim STS geht der Detailhändler nicht ein. «Wir stehen laufend im Austausch mit dem Schweizer Tierschutz STS», heisst es stattdessen in einer kurzen Stellungnahme. Man schätze die Zusammenarbeit mit dem Verband, der die Naturafarm-Gefügelbetriebe kontrolliert. «Im Jahr 2023 wurden bislang sämtliche Kontrollen vom STS wie vereinbart vorgenommen», schreibt Coop weiter. Die Durchführung der im zweiten Halbjahr geplanten Kontrollen sei ebenfalls sichergestellt.

Eine umfassende Modernisierung ist im Gang

In den jüngsten Medienberichten zum STS war wiederholt die Rede von einer geplanten Modernisierung des Verbands. Der Zentralvorstand unter der Leitung von Präsidentin Nicole Ruch sei seit Ende 2021 im Amt und erste Analysen hätten rasch einen erheblichen Modernisierungs- und Handlungsbedarf an vielen Stellen innerhalb des STS gezeigt, erläutert der STS auf Anfrage der BauernZeitung. Daher habe der Zentralvorstand auch gehandelt.

«Zusammenstehen und Kräfte koordiniert einsetzen»

Wie der Dachverband künftig aussehen soll, dazu werden keine Angaben gemacht. «Wir müssen fit sein für die Zukunft», betont aber Präsidentin Nicole Ruch. Nur so sei der STS als Dachverband von 70 Sektionen auch künftig in der Lage, sich unabhängig und mit voller Kraft für den Tierschutz zu engagieren. «Dazu müssen wir zusammenstehen und alle Kräfte koordiniert einsetzen», so Ruch. Sie sieht den STS gegenüber seinen rund 80 Mitarbeitenden in einer grossen Verantwortung. «Auch deshalb ist ein Ende des Konflikts im Zentralvorstand sehr wichtig.»

Zusammenschluss wäre keine Option

Mit der Reorganisation der IP-Suisse-Kontrollen gibt der STS einen Teil seiner Aufgaben ab. Ein Zusammenschluss mit anderen Kontrollstellen sei aber keine Option, macht der Verband klar. Möglich sei hingegen eine Zusammenarbeit in gewissen Bereichen – jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der STS seine Ansprüche ans Tierwohl direkt einbringen und auf den Betrieben die Umsetzung kontrollieren sowie durchsetzen könne. «Dafür ist ein Mindestanteil der Betriebskontrollen nötig», so der STS.

Nationalrätin suspendiert, schwere Vorwürfe an Präsidentin

Wie der STS gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bestätigt hat, sind SP-Nationalrätin Martina Munz und Michel Roux als Vorstandsmitglieder suspendiert worden. Den beiden werde unkollegiales Verhalten vorgeworfen und der Zentralvorstand rät für die kommende Delegiertenversammlung im November zur Abwahl von Munz und Roux. Die Nationalrätin habe den Modernisierungskurs des STS nicht unterstützt, zitiert die SDA eine interne Nachricht an die Sektionen.

Die beiden Suspendierten hatten offenbar bereits zuvor Strafanzeige gegen STS-Präsidentin Nicole Ruch und ehemalige Mitglieder des Vorstandes erstattet. Ruch werden gemäss Berichten in den CH-Media-Zeitungen untreue Geschäftsführung, fragwürdige Immobiliengeschäfte, Zweckentfremdung von Spenden und Legaten sowie überrissene Spesen zur Last gelegt. Die Vorwürfe seien ungerechtfertigt, weist sie die Präsidentin zurück. Man sei dabei, das Rechnungswesen zu modernisieren und dem Zewo-Standard anzupassen.

Das Ganze gipfelte schlussendlich damit, dass der Dachverband der Berner Tierschutzorganisationen (DBT) als eine der grössten regionalen Tierschutzorganisationen innerhalb des STS Nicole Ruch zum Rücktritt aufgefordert hat. Sie solle Platz machen für einen Neuanfang, denn die Situation beim STS sei noch desolater als bisher angenommen, so der DBT.