Die Liberalisierung des Milchmarktes stellt die Schweizer Milchproduzenten vor grosse Herausforderungen. Sie sind gefordert, die Produktivität und Effizienz zu erhöhen und gleichzeitig die Produktionskosten zu senken. Aufgrund topografischer und struktureller Einschränkungen ist die Mehrzahl der Schweizer Milchproduzenten gezwungen, die Weidehaltung mit der Fütterung im Stall zu kombinieren.
Drei Produktionssysteme
Um die Produzenten in ihren Bemühungen zur Effizienzsteigerung zu unterstützen, wurden unter der Leitung der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen BE und des Berufsbildungszentrums Natur und Ernährung (BBZN) Hohenrain LU im Rahmen eines Verbundprojektes Betriebe mit Eingrasen und Teilweide untersucht.
Von 2014 bis 2016 wurden drei Milchproduktionssysteme mit Verfütterung von frischem Wiesenfutter einander gegenübergestellt: Vollweide mit saisonaler Blockabkalbung im Frühling, Eingrasen mit durchschnittlich 300 Kilogramm Kraftfutter pro Kuh und Jahr und Eingrasen mit durchschnittlich 1000 Kilogramm Kraftfutter. Der Systemvergleich wurde einerseits auf dem Gutsbetrieb des Berufsbildungszentrums in Hohenrain und andererseits auf 36 Pilotbetrieben durchgeführt.
Täglich frisches Gras
Der Biobetrieb von Daniela und Josef Steinmann aus dem luzernischen Roggliswil nahm dabei in der Systemgruppe Eingrasen mit Kraftfutter am Projekt teil. Da der Betrieb nur über 1,5 Hektaren Weide direkt am Stall verfügt, erhalten die 18 Kühe täglich frisches Gras im Stall. Zusätzlich werden im Sommer Heu und Kraftfutter (240 Kilogramm pro Kuh und Jahr) gefüttert. In den Wintermonaten besteht die Grundfutterration aus Heu, Emd, Gras- und Maissilage.
Josef Steinmann möchte im Sommer vor allem eingrasen und wenig konserviertes Futter füttern. Im frischen Gras stünden der Kuh viele wertvolle Nährstoffe zur Verfügung, die bei der Konservierung verloren gingen. Mehr konserviertes Futter würde zudem zusätzlichen Lagerraum benötigen und höhere Fremdkosten verursachen.
Kritisch hinterfragt
Trotzdem hinterfragt Steinmann sein System kritisch. Der Biolandwirt entschied sich deshalb, am Projekt mitzumachen. In zahlreichen Arbeitskreisen wurde sehr offen mit anderen Betriebsleitenden diskutiert. Neben Tiergesundheit, Futterbau, Betriebs- und Arbeitswirtschaft kamen Themen zur Sprache, die sonst weniger Beachtung finden. So zum Beispiel das Thema Lebensqualität. Dabei schätzte
der Betriebsleiter, dass auch die Frauen und Partnerinnen miteinbezogen wurden.
Insgesamt habe ihn das Projekt in seinem System bestätigt: «Eingrasen ist wertvoll, nun geht es ans Optimieren», sagt Josef Steinmann.
Wichtiger Wissenstransfer
Während der Dauer des Projektes arbeiteten 36 Pilotbetriebe, die eines der drei Systeme praktizierten, aktiv an den Erhebungen und in Arbeitskreisen mit. So wurde sichergestellt, dass sowohl Wissenschaft als auch Praxis voneinander lernen konnten und ein überregionaler Wissenstransfer der Erkenntnisse stattfand. Pro System nahmen aus drei Regionen (aus der Ost- und Zentralschweiz und aus dem Kanton Bern) zwölf respektive 13 Pilotbetriebe am Projekt teil. Die Betriebe trafen sich regelmässig in Arbeitskreisen und wurden durch die lokalen Beratungsdienste betreut.
Tagebücher helfen
Mithilfe von Arbeitstagebüchern wurde der Arbeitszeitbedarf für verschiedene Arbeitsschritte wie Melken, Füttern, Weidemanagement und Stallarbeiten aufgezeichnet. Die Vollkostenrechnung wurde für alle drei Jahre für alle Betriebe erstellt. Anhand der Grundlagen der Vollkostenrechnung wurden die Pilotbetriebe typisiert und standardisiert. Damit können auch Vergleiche mit internationalen Daten gemacht werden. Für zwölf repräsentative Pilotbetriebe wurde mit der Nachhaltigkeitsmethode der HAFL (Rise) die Nachhaltigkeit bewertet. Die Umweltwirkungen wurden durch Agroscope mit der Salca-Methode berechnet. Auch die Stickstoff- und Phosphor-Effizienz galt es für sämtliche Betriebe zu berechnen.
Gutsbetrieb Hohenrain
Hauptziel des Projektes war die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen, mit deren Hilfe praxisgerechte Optimierungsmöglichkeiten für Eingrasbetriebe mit Teilweide entwickelt werden können.
Nebst produktionstechnischen und wirtschaftlichen Aspekten wurden auch Fragestellungen untersucht, welche die Nachhaltigkeit und die effiziente Nutzung von Ressourcen betrafen. Um die wissenschaftlichen Grundlagen zu den drei untersuchten Produktionssystemen zu erarbeiten, wurden während der Dauer des Versuchs auf dem Gutsbetrieb des BBZN Hohenrain drei Herden parallel geführt. Diesen standen je zwölf Hektaren Hauptfutterfläche zur Verfügung. Für die Vollweide-Herde wurde die Hauptfutterfläche unterteilt in zwei Drittel für die Kurzrasenweide und einen Drittel für die Grassilage.
Für die Herden mit Eingrasen wurde die Hauptfutterfläche in Flächen für die Kurzrasenweide, für das Eingrasen, für die Grassilage, das Dürrfutter und für die Maissilage unterteilt. In den Verfahren mit Eingrasen wurden pro Herde je acht Braunviehkühe, Swiss-Fleckvieh-Kühe und Holstein-Friesian-Kühe gehalten. In der Vollweide-Herde standen zehn Kiwi-Cross-Kühe anstelle der Holstein-Friesian-Kühe bereit.
Breit abgestützt
Das Projekt wird von der Kommission für Technologie und Innovation, vom Bundesamt für Landwirtschaft und von Branchenverbänden der Milchproduktion unterstützt. Die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope, das Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg TG, das Inforama Zollikofen BE sowie die ETH Zürich sind weitere Partner.
Die Resultate des Projektes werden in den nächsten Tagen im Rahmen einer Fachtagung und von Praxistagen der breiten Öffentlichkeit vorgestellt (siehe Kasten).
Beat Reidy und Katharina Dorn, HAFL; Pius Hofstetter, BBZN Schüpfheim/Hohenrain