Obwohl die Ukraine und Russland wichtige Exporteure von Getreide und Dünger sind, ist die Schweiz wenig abhängig von direkten Importen aus den beiden Ländern. Das hält das Wirtschaftsdepartement (WBF) in einer Antwort zur Fragestunde des Nationalrates fest. Lediglich 2 Prozent aller Getreideimporte sowie 4 Prozent der eingeführten Futtermittel und 4,5 Prozent an pflanzlichen Ölen und Fetten stammen demnach aus den beiden Staaten.

«Massnahmen werden getroffen»

Ab 15. MärzBund senkt wegen Ukraine-Krieg Einfuhrzölle für FuttermittelDienstag, 8. März 2022 Die Versorgung liege in der Verantwortung der Wirtschaft. Erst wenn die Unternehmen nicht mehr in der Lage seien, diese Aufgabe zu erfüllen, werde der Saat in den Markt eingreifen. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine würden der Agrarsektor und die Lebensmittelindustrie derzeit Massnahmen ergreifen, um die Versorgung sicherzustellen. Wenn der Markt die Nachfrage nach Lebensmitteln nicht mehr befriedigen könne, bestehe etwa die Möglichkeit, Pflichtlager freizugeben.

Noch genug Stickstoff an Lager

Beim Stickstoff-Dünger ist das bereits geschehen, die Pflichtlager wurden vollständig geöffnet. Nationalrat Martin Haab (SVP / ZH) führt in seiner Frage aus, die Schweiz habe  2021 24'000 Tonnen russische Düngemittel, wovon 13'500 Tonnen Stickstoffdünger (54 Prozent der Schweizer Importe) eingeführt*. Tatsächlich dürfte es sehr viel weniger (im einstelligen Prozentbereich) sein, auch wenn die Handelswege beim Dünger extrem verschlungen sind.

Bisher kam laut Bund nur ein kleiner Teil der Menge aus den inländischen Pflichtlagern für die erste Düngung zum Einsatz. «Sollte sich die Versorgungslage weiter verschlechtern, stehen für die Vegetationsperiode 2022/2023 Pflichtlager im Umfang von über 16'000 Tonnen reiner Stickstoffdünger zur Verfügung.» 

Warum 17'000 Tonnen Hartweizen weniger an Lager?

Zum Thema Pflichtlager wollte Nationalrat Marcel Dettling (SVP/SZ) vom Bundesrat wissen, warum trotz wachsender Bevölkerung die eingelagerten Mengen Hartweizen seit 2008 um 17'000 Tonnen und jene für Zucker um 20'000 Tonnen gesenkt worden seien. «Die vorgeschriebenen Pflichtlager sind auf die Deckung des Bedarfs für einen bestimmten Zeitraum ausgerichtet», schreibt der Bundesrat in seiner Antwort. Viele einheimische Unternehmen hätten die Produktion von Teigwaren aus Hartweizen aufgegeben, was den Bedarf an diesem Rohstoff reduzierte. Fertige Pasta sei allerdings nicht zur Pflichtlagerhaltung geeignet (aus Gründen der Haltbarkeit, Handhabung und Kosten). Beim Zucker sei der hohe Selbstversorgungsgrad ausschlaggebend für die Verkleinerung der Pflichtlager 2019 gewesen.

Kurzfristig nicht über Produktionserhöhung 

Weitere Interventionsinstrumente bei Mangel neben der Öffnung von Pflichtlagern seien zum Beispiel Massnahmen zur Förderung von Importen oder Verkaufsbeschränkungen. Die Verbesserung der Produktion zur Erhöhung der Selbstversorgung sei hingegen nicht ideal, um kurzfristige Engpässe zu überwinden, so das WBF weiter. Hingegen antwortet der Bundesrat auf mehrere Fragen zur Thema Versorgungssicherheit und Selbstversorgung, man beobachte die Entwicklung der Lage bei den Lebensmitteln in der Region genau. Bei drohender schwerwiegender Knappheit könne der Bundesrat, basierend auf dem Landesversorgungsgesetz, z. B. Vorschriften zur Anpassung der Produktion erlassen. 

Ausnahmen für Lebensmittelindustrie möglich

Die Schweiz sei ausserdem Teil des europäischen Krisenvorsorge- und -Reaktionsmechanismus für die Lebensmittelsicherheit. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung beurteile die Lage laufend in Zusammenarbeit mit den betroffenen Wirtschaftskreisen. Sollte es nach einer Einstellung russischer Erdgaslieferungen zu einer ernsthaften Gasknappheit kommen, wären laut Bundesrat als letztes Mittel Kontingentierungen möglich. Grundsätzlich sei es denkbar, für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen wichtige Unternehmen – z. B. die Lebensmittelindustrie – von Massnahmen auszunehmen. Tatsächlich sei die Schweizer Lebensmittelindustrie angesichts der Energiekrise in Europa «sehr beunruhigt», schreibt Fragesteller Nicolo Paganini (Mitte / SG). Dieser Sektor habe nämlich einen hohen Verbrauch an Erdgas, Strom und Heizöl.

 

Bericht im Sommer erwartet
Der Bundesrat wird nach eigenen Angaben im Sommer 2022 einen Bericht als Antwort auf zwei Postulate veröffentlichen zur «künftigen Ausrichtung der Agrarpolitik». Darin sollen Ziele und Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Selbstversorgungsgrads unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette dargelegt werden.

Aus Rücksicht gegen Sanktionen

Angesichts der hohen Bedeutung Russlands bei der Produktion etwa von Getreide hatte sich am Wochenende Wirtschaftsminister Guy Parmelin gegen Sanktionen im Rohstoffhandel ausgesprochen. Denn es gehe eben nicht nur um Öl und Gas, sondern auch Nahrungsmittel, sagte er in verschiedenen Medien. Länder wie Jordanien, Tunesien und Ägypten bezögen 50 bis 90 Prozent ihres Bedarfs an Getreide aus der Ukraine oder Russland. «Sind wegen eines Embargos die Schiffe blockiert, sind viele Länder im Nahen Osten von Hunger und einer Destabilisierung bedroht.»

* Diese Passage wurde nachträglich korrigiert, da in einer früheren Version dieses Artikels die Aussage von Martin Haab unkontrastiert widergegeben worden war.