Der Kanton Zürich will 1300 ha Kulturland in Feuchtgebiete überführen. Die Flächen sind im Richtplan und im GIS-Browser bereits verzeichnet – ohne dass die Grundeigentümer vorgängig informiert wurden. Endlich, nach Monaten des beharrlichen Insistierens der Interessensgemeinschaft (IG) Pro Kulturland, welche die Interessen der betroffenen Bauernbetriebe wahrnimmt, kam eine Informationsveranstaltung am 31. Januar 2023 zustande.
Dabei informierte der Amtschef des Amts für Landschaft und Natur (ALN), Marco Pezzatti, über das Projekt «Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF), begleitet war von der Abteilungsleiterin Landwirtschaft, dem Sektionsleiter Meliorationen, der Fachstellenleiterin Naturschutz und der Teamleiterin Naturschutz.
Diktat von oben
«Wir Bauern sehen uns immer noch als Lebensmittelproduzenten und haben grossen Respekt vor den Leistungen unserer Grossväter und Väter, die diese Feuchtgebiete urbar gemacht haben», sagte IG-Präsident Elmar Hüppi. Deshalb komme es gar nicht gut an, wenn von oben herab diktiert werde, statt dass auf Augenhöhe nach Lösungen gesucht werde.
«Bei einem gemeinschaftlichen Vorgehen kommt Ihr vielleicht nicht auf die 1300 ha, aber ihr hättet Flächen auf sicher.»
Elmar Hüppi, Präsident der IG Pro Kulturland
[IMG 2]Die schraffierten PPF-Flächen im GIS seien nicht fix, erklärte Marco Pezzatti, sondern zeigen aufgrund von Bodeneignungskarten, Standorteigenschaften und ökologischen Faktoren, wo für den Kanton Zürich das grösste Potenzial bestehe, den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Das sei ein erster Schritt gewesen. Nun folge die nächste Etappe mit dem Gesamtplanungsperimeter Gossauer Ried. Dabei würden vor Ort und unter Einbezug der Grundeigentümer die Standorteignung für PPF geprüft. Die definitive Umsetzung sei auf 2027 terminiert.
Die Teilnahme an den PPF sei zudem freiwillig und mit Anreizen verbunden. Auch hätte das ALN ein Anschlussprojekt gestartet für ein Entschädigungssystem bei Extensivierung und kläre die Auswirkungen auf die Bodenpreise ab.
Keine Salamitaktik
«Wenn nicht definitiv, dann nehmt die schraffierten Flächen aus dem GIS heraus», so die Replik von Elmar Hüppi und Bettina Hübscher, ebenfalls von der IG, sagte: «Wir haben Mühe damit, dass die ausgeschiedenen Flächen bereits jetzt mit Einschränkungen verbunden sind.» Es gibt dafür keine Subventionen an Drainagesanierungen und keine Baubewilligungen für Bodenaufwertungen mehr, obwohl diesbezügliche Gesuche von Bewirtschaftern schon längere Zeit eingereicht wurden.[IMG 3]
Hübscher appellierte an die Kantonsverantwortlichen eine Auslegeordnung aller Massnahmen für ökologische Infrastruktur und Biodiversitäts-Hotspots des Kantons Zürichs offenzulegen.
«Hier PPF, dort ein Wildtierkorridor, andernorts eine Revitalisierung – das ist eine Salamitaktik.»
Bettina Hübscher, IG Pro Kulturland
Dann prasselten die Kommentare und Fragen der anwesenden Landwirte und Politiker herab. Hier eine Auswahl der Fragen:
Darf man denn die Drainagen bei den PPF selbst erneuern?
Antowrt Marco Pezzatti: Selbstverständlich könne man die Drainagen erneuern, einfach nicht mehr mit Mitteln des Kantons. Das Amt könne nicht an eine Massnahme zahlen, die einem anderen öffentlichen Ziel entgegenlaufe. Auch hätte der Kanton jährlich nur ein Budget von 1,5 bis 2 Millionen Franken für Drainageunterhalt.
Wir leisten unseren Beitrag für Biodiversität. Im Kanton Zürich liegt der Ökoausgleich ja schon bei 15%. Wie hoch soll er denn noch werden?
Marco Pezzatti äusserte grossen Respekt für Leistungen der Landwirte im Bereich Biodiversität. Aber hierbei gehe es um die Qualität dieser Ökoflächen, und diese sei nicht ausreichend.
Der GIS-Eintrag ist wie ein Damoklesschwert. Ich bin nicht sicher, ob das was der Kanton verspricht, nicht gebrochen wird. Hat denn diese Freiwilligkeit Bestand?
Laut Marco Pezzatti werde man natürlich die Massnahmen und das Anreizsystem überprüfen. Seien die Ziele nicht erfüllt, werde nachjustiert. Das sei aber dann ein politischer Entscheid.
Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen an. Vernässte Flächen sind ein Nährboden für Stechmücken und anderes mehr. Nehmt Ihr das einfach so in Kauf?
Das Mückenmonitoring bei den revitalisierten Flächen der Thur habe gezeigt, dass nicht mit einem verstärkten Mückenaufkommen zu rechnen sei, so Pezzatti.
Ich habe einen Brief an das Amt geschrieben, dass ich nicht einverstanden bin mit der PFF-Fläche. Warum hat nie jemand geantwortet oder den Eingang bestätigt? Das Vergehen bei der Nagra sei anders gewesen, da sei man vorbeigekommen, hätte vor Ort Untersuchungen gemacht, hat sich mit uns getroffen – sogar mehrmals.
Wir vom Amt gehen der Sache nach, wo der Brief beziehungsweise das Antwortschreiben stecken geblieben ist.
Welche Rolle hat die Standortgemeinde? Können wir auch mitreden?
Ja, laut Pezzatti werden die Standortgemeinden informiert.
Welche Auswirkungen hat der Verlust der Fruchtfolgeflächen durch die PFF auf die vom Bund vorgegebene Mindestumfang an FFF von 44'400 ha? Werde dann wiederum Fruchtfolge aus der tieferen Nutzungseignungsklasse dazugezählt?
Nein, jeder Verlust von Fruchtfolgefläche müsse kompensiert werden, beispielsweise durch Bodenaufwertungen von Flächen aus einer tieferen Nutzungseignungsklasse.
Ob sich die Wogen durch die Informationsveranstaltung geglättet haben, ist fraglich. Die Fachstelle Naturschutz muss nun den Beweis erbringen, dass sie gewillt ist, für die Umsetzung der PFF im Gossauer Ried mit den Bauern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.