IP-Suisse (IPS) hat Erfahrung mit Punktesystemen, die Anreize schaffen sollen z. B. für Schutz und Förderung der Biodiversität. Ein neues Punktesystem soll künftig dazu beitragen, im IPS-Freilandgemüse-Anbau der Einsatz und die Umweltrisiken von Pflanzenschutzmitteln (PSM) zu reduzieren sowie vorbeugende und nicht-chemische Massnahmen fördern. «Der genaue Zeitpunkt für die Einführung ist noch unklar», sagt Andreas Stalder, Präsident von IP-Suisse auf Anfrage. Das System müsse noch auf den Betrieben verifiziert werden und es seien weitere Abklärungen zur Umsetzung geplant.

Die Grundlagen stehen

Für jeden IP-Suisse-Hof wird aufgrund von Betriebsdaten ein minimaler Reduktionsbeitrag für den Klimaschutz festgelegt. (Bild Screenshot Flyer IP-Suisse)IP-SuissePunktesystem Klima- und Ressourcenschutz: Dafür gibt es bei IP-Suisse künftig PunkteMittwoch, 9. Juni 2021 Im Auftrag von IP-Suisse hat Agroscope das neue Regelwerk wissenschaftlich bereits ausgearbeitet (siehe Kasten). Es umfasst sowohl kulturspezifische Massnahmen als auch Massnahmen für alles Frisch-, Verarbeitungs- und Lagergemüse auf den Labelbetrieben. Berücksichtigt wurden die wichtigsten Kulturen und die jeweiligen Schädlinge bzw. Krankheiten. Für jede nicht-chemische oder vorbeugende Massnahme haben die Forschenden – basierend auf den Aussagen von Experten und den Erfahrungen von Gemüseproduzenten – eine Gewichtung je nach Wirksamkeit und Umsetzbarkeit festgelegt.

Die Gesamtbewertung soll auf Parzellenebene erfolgen: Mehrere umgesetzte Massnahmen auf derselben Fläche summieren sich, die Mindestpunktzahl pro Kultur muss aber pro Parzelle erreicht werden. Für Umweltrisiken von PSM gibt es Negativpunkte.

In der Praxis gäbe es Potential

Teil der Studie war auch eine Umfrage bei 22 Gemüsebaubetrieben, um das Potential des Punktesystems Pflanzenschutz abzuklopfen. Das Fazit: Selbst bei Betrieben, die bereits zahlreiche nicht-chemische Massnahmen anwenden, könnten zusätzliche Anreize sinnvoll sein. Denn auch dort sei z. T. der Einsatz von PSM hoch und die damit verbundenen Risiken gross. Entweder sei der Krankheits- oder Schädlingsdruck zu hoch, vermutet Agroscope, oder man wolle sich sowohl mit vorbeugenden als auch chemischen Massnahmen maximal gegen Ertragsausfälle absichern. Im letzteren Fall könnte das neue Punktesystem gut greifen. «Um vermehrt auf PSM im Gemüsebau zu verzichten, wäre auch ein Prozess wünschenswert, bei dem die Qualitätsansprüche des Handels und der Konsument(inn)en überdacht und angepasst werden», fügen die Forschenden hinzu.

Prämie noch zu verhandeln

Man rechnet für die Anwendung des neuen Punktesystems mit «einigem an zeitlichem und administrativem Aufwand» bei der Umsetzung der Massnahmen, deren Aufzeichnung und Kontrolle. Damit sich das lohnt, braucht es für die Betriebe eine ausreichend hohe Prämie, die laut Andreas Stalder noch nicht feststeht. «Einen konkreten Wert zu nennen, wäre verfrüht. Die Prämie dürfte aber ähnlich wie beim Getreide zwischen 10 und 12 Prozent betragen», sagt der IP-Suisse-Präsident. Das sei aber Verhandlungssache und noch würden im Übrigen nicht ganz alle Massnahmen im Detail feststehen. «Die Verifizierung des Katalogs in der Praxis ist für 2023 geplant». Für Stalder hat das Ganze klar eine politische Komponente: Er sieht IP-Suisse als Vorreiter und das neue Punktesystem als Teil der selbstverantwortlichen Massnahmen der Branche zur Umsetzung der Pa.Iv. 19.475 zu den Absenkpfaden. «Die Branche bewegt sich nur, wenn wir uns bewegen», meint Stalder. Die Labelorganisation wolle nicht auf ein Diktat aus der Politik warten, sonst gebe es womöglich keinen guten Preis für weitergehende Massnahmen.

Die Neuerungen sind auserdem ein Schritt der Differenzierung. Die Nachfrage nach IP-Suisse-Gemüse sei jedenfalls gross, freut sich Andreas Stalder.

Punktesystem aus drei Teilen
Agroscope hat ein Gesamtsystem aus drei Bereichen entwickelt, in denen jeweils separat Punkte gesammelt werden können.

Vorbeugende und nicht-chemische Pflanzenschutz-Massnahmen: Z. B. Anbau auf Dämmen gegen Pilzkrankheiten. Die höchste Punktzahl bei Massnahmen gegen Unkraut gibt es für mechanische Verfahren, wobei der Einsatz von Hackrobotern oder kameragesteuerten Hackgeräten mit zwei Zusatzpunkten belohnt wird.
Umweltrisiken von PSM: Der Einsatz chemischer Wirkstoffe gibt Negativpunkte. Je höher das damit verbundene Risiko, desto mehr.
Massnahmen zur Risikominderung: Z. B. Abdriftdüsen, breite Pufferstreifen, Rückhaltebecken.

Wie Agroscope bemerkt, werden einige der im Katalog aufgeführten Massnahmen zur Risikoreduktion mit der neuen ÖLN-Richtlinie ab 2023 verpflichtend werden. Im Zuge der Abklärungen zur Wirksamkeit verschiedener Massnahmen haben die Forschenden zusätzlich Informationsblätter erstellt. Diese geben Aufschluss darüber, welche vorbeugenden und nicht-chemischen Verfahren im Pflanzenschutz bei welcher Kultur wie gut wirken.