Frühe Schädlinge, Vogelgrippe und ein schwieriger Markt: Der Winter

Das Jahr begann, wie so häufig in letzter Zeit, mit ausserordentlich milden Temperaturen. So mild, dass Andi Distel vom Pflanzenschutz Aargau schon in der ersten BauZ-Ausgabe vom 6. Januar empfehlen musste, die Rapspflanzen auf Einstiche zu kontrollieren und mit Gelbfallen zu beobachten. Grund: Bereits wurden erste Exemplare des Rapsstängelrüsslers beobachtet. Der Käfer kriecht aus dem Boden, wenn die Temperaturen dort 5–7 Grad und in der Luft 10–12 Grad erreichen. Nicht einfacher machte es, dass es just ab 2023 neu eine Sonderbewilligung für die Bekämpfung des Käfers brauchte.

Herausfordernd ging es für die Geflügelhalter weiter. Diese hatten schon seit Ende November 2022 den Auslauf ihrer Tiere auf einen vor Wildvögeln geschützten Bereich beschränken müssen. Die Voraussetzung «Weidezugang» für die Kennzeichnung von Eiern und anderen Geflügelprodukten aus Freilandhaltung konnte damit nicht mehr erfüllt werden, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) festhielt.

«Wenn Schädlinge erwachen, tun es auch die Nützlinge.»

Philipp Gut, LBZ Wallierhof.

Grund zur Hoffnung gab das milde Wetter für die Obstproduzenten. Das warme Wetter bringe in Bezug auf Krankheiten Vorteile, sagte Philipp Gut vom Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Wallierhof. Mehltau und Schorf überwinterten nämlich gerne auf Blättern. «Die werden jetzt rasch zersetzt und die Erreger nicht konserviert, wie wenn das befallene Laub gefroren wäre», so Gut. Ausserdem: «Wenn die Schädlinge erwachen, tun es auch die Nützlinge.»

Auf dem Markt sorgte derweil der Konkurs der Müller-Reformhäuser für Stirnrunzeln. Hintergrund war die steigende Inflation und damit der Spardruck, den plötzlich auch viele Haushalte zu spüren bekamen, die zuvor beim Einkauf von Lebensmitteln nicht nur aufs Geld geschaut hatten. Bio-Suisse-Sprecher Lukas Inderfurth zeigte sich dennoch optimistisch. Bei den Detailhändlern sei die Nachfrage nach Bioprodukten stabil geblieben, und mittel- bis längerfristig werde Bio weiterwachsen, zeigte er sich im Interview überzeugt.

Einen langen Atem brauchten die Schweineproduzenten. Der Überhang an Schweinen betrage immer noch 20 000 bis 30 000 Tiere, meldete der Branchenverband Suisseporcs Ende Januar. Immerhin verzeichnete aber der Schweinegenetik-Anbieter Suisag rückläufige Spermaverkäufe. Damit zeigte zumindest ein Parameter in die richtige Richtung.

Die Berater bereiteten sich währenddessen auf die Einführung der 3,5 Prozent Acker-BFF vor. In mehreren Kantonen starteten Informationsveranstaltungen. Dass die Einführung dann im Dezember kurzfristig verschoben werden würde, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen.

Gras wie verrückt und doch kein gutes Futter: Der Frühling

Mit dem April begann vielerorts wieder die Weidesaison – und brachte eine alte und äusserst unerwünschte Bekannte zurück: die Weidetetanie. Mehrere Landwirte beklagten festliegende Kühe auf der Weide. Grund dafür sei immer ein Mangel an Magnesium, von dem im Frühlingsgras nur wenig enthalten sei, sagte dazu Jonas Salzmann von der UFA AG. Problematisch sei vor allem eine zu schnelle Futterumstellung: «Pansenmikroben brauchen rund drei Wochen, bis sie sich an eine neue Ration angepasst haben.»

Gute Neuigkeiten brachte der Frühling dagegen für die Halter von Freilandhühnern. Der Bund konnte die Massnahmen gegen die Vogelgrippe auf den 1. Mai aufheben. Dank der Einschränkung des Auslaufs sei es gelungen, die Ausbreitung der Krankheit in Geflügelhaltungen weitgehend zu verhindern, teilte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) mit.

«Die Weiden sind trittfester als im Tal und das Gras nicht überständig.»

Reto Theiler aus Schüpfheim LU war froh, konnte er mit dem Vieh auf die Alp.

Im Mai machte der Regen den Landwirten zu schaffen. Der nasse Boden erschwerte die Arbeit auf dem Feld, und die Güllegruben füllten sich mit Regenwasser. Das Heugras lag in vielen Gegenden am Boden. «Das Futter wird langsam alt», warnte Urs Werder, Präsident der SMP-Kommission Käsereimilch, Mitte Mai. Wer schon auf die Alp konnte, war froh: «Die Weiden sind deutlich trittfester als im Tal und das Gras noch nicht überständig», sagte Bauer Reto Theiler aus Schüpfheim LU.

Als dann Ende Monat endlich gemäht werden konnte, sah es wegen des immer noch weichen Bodens auf mancher Weide wüst aus, und das eingebrachte Futter war aufgrund der anhaltenden Niederschläge von verminderter Qualität. Das trübte trotz der überdurchschnittlichen Mengen den Ausblick auf den Winter. Bereits wurde gemutmasst, dass es im Winter wegen der geringen Futterqualität weniger Milch geben könnte. Immerhin etwas Gutes hatte der verregnete Start in den Sommer: Der Ende Winter von Experten befürchtete Wassermangel war abgesagt.

Schon wenige Wochen später gab es kein Wölklein mehr am Himmel und die Rede war wieder von «anhaltender Trockenheit». Für die Getreideproduzenten stellte sich gar die Frage, ob die Gerste notreif wird. Derweil dürstete der in Blüte stehende Weizen nach Wasser. Eine erste Zwischenbilanz der Ernte zeigte dann aber: Die Braugerste hatte unter der Nässe wohl mehr gelitten als unter der folgenden Trockenheit. So zumindest die Einschätzung von Landwirt René Moser aus Wichtrach BE.

Die Älpler mussten derweil zur Kenntnis nehmen, dass bereits zu Beginn der Saison nur noch wenig Schnee vom letzten Winter lag. «Die Situation ist jetzt schon wie im August», sagte Selina Droz vom Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband.

Gänsegeier, brennende Ballenpressen und Notstand im Pflanzenschutz: Der Sommer

Schlechte Neuigkeiten gab es im Juli für die Produzenten von Eiweisserbsen. Bei Simon Nyffenegger aus Worben BE war die Kultur wegen des Wetters drei Wochen später als geplant in den Boden gekommen, geerntet wurde eine Woche später als im Vorjahr. Er berichtete von Einbussen bis zu 40 Prozent. «Das ist viel, aber ich bin froh, dass überhaupt etwas gewachsen ist», sagte der Landwirt. Als Grund vermutete er die nassen Bedingungen bei der Aussaat im Frühling.

Eine Herausforderung für die Alpwirtschaft waren die neuen Regeln für die Käseproduktion. Nach drei Jahren am Verhandlungstisch musste sich die Sortenorganisation Berner Alp- und Hobelkäse Casalp geschlagen geben. Die neuen Richtlinien sehen die obligatorische Beprobung auf Staphylokokken im Käsebruch und auf Listerien in der Käserinde vor. Beim Halbhartkäse aus Rohmilch sind zwei Listerienanalysen pro Saison Pflicht. «Für abgelegene Sömmerungsbetriebe, die ihre Rohmilch zu Käse verarbeiten, wird es äusserst schwierig», sagte Casalp-Präsident Hans Kohler. Sie müssen darauf achten, dass die Milch beim Transport nicht zu warm wird, weil sonst die Werte in die Höhe gehen und die Probe dadurch verfälscht wird.

«Es tut weh, zu merken, dass man nicht ernst genommen wird.»

Matthias Stucki verlor 20 Schafe.

Im Berner Oberland waren auch Schäden durch Wildtiere schon früh im Sommer wieder das grosse Thema. Auf der Alp Nüschlete ob Boltigen kamen 20 Schafe zu Tode. Sie seien von Gänsegeiern in den Abgrund getrieben worden, berichteten Augenzeugen. Die Wildhut ging dagegen von Steinschlag aus. «Es tut weh, zu merken, dass man nicht ernst genommen wird», sagte Schafhalter Matthias Stucki.

Auf den Getreidefeldern verursachten brennende Strohpressen einige Aufregung. Bei Lohnunternehmer Reto Tschannen aus Detligen im Berner Seeland «mottete» es gleich zwei Mal. Trockenheit und Hitze hatten den Ausbruch begünstigt.

Eine andere Art Notfall thematisierte der Schweizer Bauernverband (SBV) in seinem Lagebericht Pflanzenschutz. Die stark gesunkene Zahl der Pflanzenschutzmittel (PMS) sowie die immer zahlreicheren verbotenen Substanzen würden zum Problem, hiess es darin. Und auch bei den Bioschweinemästern herrschte Alarmstufe Rot: «Durch 100-Prozent-Bio-Fütterung haben wir eine schlechtere Futterwertung und die Schweine sind länger auf dem Betrieb», berichtete Schweinemäster Ueli Diem aus Siegershausen TG.

Am meisten Schlagzeilen machte aber ein kleines Insekt: Der gefürchtete Japankäfer hatte es nach Kloten ZH geschafft – und wurde sofort intensiv bekämpft. 35 Spezialisten, 80 Zivilschützer und das Insektizid Acetamiprid setzten dem Spuk ein Ende. Die Bewässerungsverbote blieben aber bis im Herbst.

Verschlammte Felder und verhagelte Wolfsjagd: Der Herbst

Mitte September gab es gute Neuigkeiten aus dem Maisanbau. Dank der Verwendung von frühen Sorten und der Sommerhitze war der Silomais gut abgereift. «Wir waren positiv überrascht, wie schnell der Mais die späte Saat kompensierte», sagte Marie Meyer, Marketingmanagerin der Saatzuchtfirma KWS.

Weniger positiv sah es bei den Kartoffeln aus. «Spät, trocken und zu wenig», so das Fazit Mitte September. Die Kartoffeln, die im Frühling erst später gesetzt werden konnten und dann im Sommer von der Hitze überrascht wurden, schafften es im Frühherbst nicht mehr, zu kompensieren. Besonders im Osten und ganz im Westen der Schweiz seien die Erträge stark unterdurchschnittlich, sagte Niklaus Ramseyer von der Vereinigung der Schweizerischen Kartoffelproduzenten.

Mager war nicht nur die Ausbeute der Kartoffelbauern, sondern auch das Futter der Bio-Kühe. Nachdem sich im Sommer schon die Schweinehalter beklagt hatten, meldeten nun auch Milchbauern Probleme mit der neuen Bio-Suisse-Vorgabe, laut der alles Futter aus Knospe-Anbau stammen muss. Seit Einführung am 1. Januar 2023 sei die Milchleistung im Schnitt um 500 bis 800 Liter pro Kuh gesunken, berichtete ein Landwirt, der nicht namentlich genannt werden wollte. Die bescheidene Futterqualität verschärfte die Situation zusätzlich.

«Es ist es nicht wert, für 20'000 Franken den Boden kaputt zu machen.»

Ueli Krapf musste die Zuckerrüben im Boden lassen.

Buchstäblich ins Wasser fiel bei vielen die Zuckerrübenernte. Mit Schnee und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt Mitte Dezember konnten die Rode- und Transportunternehmen noch umgehen. Die darauffolgenden Niederschläge, die in mehreren Regionen zu Hochwasser führten, setzten den Arbeiten dann aber doch noch ein Ende. Einer, der seine Rüben im Boden lassen musste, ist Ueli Krapf aus dem aargauischen Suhrental. Seine 4,5 ha grosse Parzelle sei viel zu nass, der Unterboden durchtränkt: «Es ist es schlichtweg nicht wert, den Boden für 20'000 Franken kaputt zu machen», sagte er. Er überlege sich, ganz mit dem Anbau von Zuckerrüben aufzuhören.

Das Jahr endete mit der Jagd auf den Wolf – bei der schon bald Sand ins Getriebe geriet. Bundesrat Albert Rösti hatte die Verordnung zum revidierten Jagdgesetz vorzeitig in Kraft gesetzt, um noch in diesem Winter eine Reduktion des Raubtierbestands zu ermöglichen. Pünktlich zum Beginn der Jagdsaison Anfang Dezember standen die Jäger in den Kantonen Graubünden und Wallis bereit, um die vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) bewilligten Abschussgesuche umzusetzen. Kurz darauf schon wurden sie aber vom Bundesverwaltungsgericht zurückgepfiffen: Naturschutzorganisationen hatten Beschwerden eingelegt – mit aufschiebender Wirkung.