Wiesenbrüter, Vögel des Ackerlandes und Insektenfresser – verschiedene Vogelgruppen verzeichnen seit Jahren sinkende Bestände. Es gibt aber auch verschiedene Beispiele von Vogelarten, die dank der Förderung durch Bäuerinnen und Bauern ihren Bestand vergrössern konnten. So gibt es heute etwa doppelt so viele Turmfalken in der Schweiz wie vor 30 Jahren. Auch Weissstorch und Rotmilan sind deutlich häufiger geworden. «Bei diesen Vögeln handelt es sich um Arten, die nicht ausschliesslich Insekten fressen», erklärt Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach. Aber auch reine Insektenfresser wie die Dorngrasmücke oder das Schwarzkehlchen konnten von den eingerichteten Ausgleichsflächen im Kulturland profitieren. «Buntbrachen sind wertvolle Biodiversitätsförderflächen, insbesondere wenn sie Qualitätsstufe II erreichen und vernetzt sind», so Rey.

Es fehlen Platz und Zeit

Bodenbrütende Arten haben es schwer. Zwischen den häufigen Wiesenschnitten haben sie keine Zeit, ihre Jungen grosszuziehen. Dem kann mit späterem Mähen entgegengewirkt werden. Allerdings unterscheiden sich  die Bedürfnisse der Vogelarten. So ist der Wachtelkönig darauf angewiesen, dass der erste Schnitt erst Mitte August erfolgt, was oft nur dank spezieller Vereinbarungen möglich ist. In eine ganz andere Richtung geht aber die zunehmend verbreitete Silage, die einen immer früheren Schnitttermin ermöglicht.

  • Für Lerchen gibt es das mittlerweile bekannte Lerchenfenster oder weite Saat.
  • Beim Kiebitz zeigen mit Elektrozäunen vor Füchsen geschützte Rotationsbrachen Wirkung.

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Saat in weiten Reihen ist gut für Vögel, wie auch Feldhasen. Dank den lichten Kulturen finden die Tiere Unterschlupf und Nahrung. (Bild jsc)

Das Futter fehlt

Neben Unterschlupf brauchen Vögel auch eine zuverlässige Nahrungsquelle. Insekten spielen dabei eine zentrale Rolle. «Es gibt fast keine Vogelart, die sich ausschliesslich pflanzlich ernährt. Für die Aufzucht von Jungvögeln sind die Elterntiere auf Insekten als nahrhafte Proteinquelle angewiesen», führt Livio Rey aus. Daher fordert die Vogelwarte eine Reduktion beim Einsatz von Insektiziden, wobei nicht nur die Menge, sondern auch der Wirkstoff eine Rolle spiele. «Die heutigen Pflanzenschutzmittel sind meist toxischer als ältere und daher problematischer für Nichtzielarten.», so Rey. Als Beispiel nennt er Neonicotinoide.

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Der Index zeigt den Trend zu rückläufigen Beständen in der Gruppe der insektenfressenden Vögel.(Grafik Brutvogelatlas 2013–2016)

Mähtod für Insekten

Gemäss Brutvogelatlas werden bei jedem Schnitt einer Wiese bis zu 50 Prozent der Spinnen und Insekten getötet – und damit langfristig das Vogelfutter knapp. Mähaufbereiter, die das Gras nach dem Schnitt zur schnelleren Trocknung quetschen, erhöhen die Insektenverluste. Bei Silage werden Bienen, Käfer und Heuschrecken mitsamt dem Pflanzenmaterial eingepackt. Dagegen hilft laut dem Bienengesundheitsdienst das Mähen morgens oder abends, wenn weniger Insekten fliegen, und der Verzicht auf Aufbereiter, wenn mehr als eine Biene pro Quadratmeter zu sehen ist. Messerbalken und Scheibenmähwerke seien am schonendsten.

 

Alpen sind Sonderfälle

Nicht in jedem Fall ist es aus Sicht der Vogelwelt besser, eine BFF mit QII zu erhalten. So sind im Alpenraum wenig intensiv genutzte Wiesen (QI) etwa für Braunkehlchen besser geeignet, als die mit höheren Beträgen geförderten extensiven Wiesen (QII). Je nachdem, welche Anreize geschaffen werden, kollidieren so im Extremfall Förderbeiträge mit einem wirksamen Vogelschutz. Auch die Bundesgelder für Erschliessungsprojekte im Berggebiet setzen gemäss dem Brutvogelatlas der Vogelwarte falsche Anreize: Unterstützt werden nur Strassen ab drei Metern Breite. Diese sind aber oft breiter als eigentlich notwendig, versiegeln eine grosse Fläche und ebnen buchstäblich den Weg für grosse Maschinen.

Rückzugsort Alpen

Dabei kommt den Alpen beim Vogelschutz in der Schweiz eine grosse Bedeutung zu. Denn dort liegen die Kernzonen von Arten, die im Mittelland bereits
verloren gegangen sind.

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Besonders viele Wendehälse gibt es im Alpenraum.(Bild Pixabay)

Generell gilt, je abwechslungsreicher eine Landschaft, desto mehr Arten (Pflanzen, Insekten, Kleinsäuger, Vögel) können darin leben. Dabei sind die Dimensionen manchmal klein. So schaffen einzelne kleinere Felsbrocken auf einer Bergwiese bereits ein Mikroklima, in dem sich andere Arten ansiedeln, als auf dem Rest der Fläche. Von der Wärme des Steines kann eine Eidechse profitieren, die sich wiederum von den Insekten im umgebenden Gras ernährt. Grillen, die über den Stein oder ein grasfreies Stück Boden huschen, sind leichte Beute für insektenfressende Vögel.

Zerstörerische Fräse

Mit einer Steinfräse, die gemäss Vogelwarte teilweise im Jura zum Einsatz kommt, lassen sich zwar einfacher zu bewirtschaftende, ebene Flächen erstellen. Werden aber Unebenheiten ausgeglichen und kleine Felsbrocken zermalmt, verschwindet eine Vielzahl von Lebensräumen – und damit die dort lebenden Arten.

 

Insekten sind nicht erreichbar

Zur abnehmenden Menge von Insekten als Nahrungsquelle für Vögel kommt hinzu, dass sie kaum gefangen werden können. «In dicht wachsenden Kulturen können sich die Vögel kaum fortbewegen und sie erkennen die Beute auch nicht von oben», so Rey. Dabei ist das Problem nicht immer die starke Düngung der Fläche selbst, denn eine ähnliche Situation zeigt sich im Wald: Dort wuchern auf Lichtungen stickstoffliebende Brombeeren und Brennnesseln und ersetzen lichtere Vegetationen mit Waldmeister und Hainsimsen.

Stickstoff wird über die Luft verteilt, auch dorthin, wo nicht gedüngt wird. «Daher gilt es, generell weniger Stickstoff auszubringen und mit vorhanden Nährstoffen auf dem Betrieb einen Kreislauf zu schaffen», erklärt Livio Rey.

Zu wenig Hochstämmer

Wendehals, Gartenrotschwanz, Wiedehopf – diese drei Arten leben eigentlich in alten, grossen Bäumen. In den vergangenen Jahren wurden aber immer mehr davon gefällt. Hochstamm-Obst entspricht nicht den Qualitätsansprüchen des Handels und lässt sich am besten noch als Mostobst verkaufen.

Vögel wie Wendehals und Gartenrotschwanz profitieren von Nisthilfen, bei deren Installation es folgende Punkte zu beachten gilt:

  • Idealhöhe zum Aufhängen: zwischen 1,5 und 3 Metern
  • Einflugloch mit Vorteil Richtung Südosten
  • Aufhängeort im Schatten oder Halbschatten
  • Anbringen: mit Vorteil im Herbst, spätestens aber im Vorfrühling
  • Reinigung ab Ende August

Mehr zu Vogelhäuschen: Nistkasten-Ratgeber der Vogelwarte

Offene Feldwege für Schwalben

Schwalbennester bestehen aus Erd- oder Lehmklümpchen, die die Vögel mit ihrem Speichel vermischen. «Damit Mehl- und Rauchschwalben genügend Baumaterial finden, sollten Feldwege nicht oder zumindest nicht vollständig asphaltiert oder von Schotter bedeckt sein», erklärt Rey. Flecken unbedeckten Bodens sind auch wichtig für Insekten: Viele Wildbienen bauen entweder ihre Nester darin oder sammeln wie die Schwalben Material, um ihre Bruthöhlen zu verschliessen. Dieses Verhalten lässt sich z. B. an den geschlossenen Röhrchen in einem Insektenhotel beobachten. 

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Mehl- wie auch Rauchschwalben bauen ihre halbkugelförmigen Nester aus Lehmkügelchen. Um dieses Material beschaffen zu können, brauchend die Vögel offenen Boden – z. B. unbetonierte Feldwege. (Bild Pixabay)

 

Information und Beratung zum Vogelschutz

Damit ein Betrieb Vernetzungsbeiträge beziehen kann, muss er sich laut Direktzahlungsverordnung fachlich beraten lassen. Das kann entweder einzelbetrieblich oder in Kleingruppen gemacht werden. Danach werden mit der Projektträgerschaft entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.

Für diese Beratung sind die kantonalen Fachstellen zuständig. Zudem sind laut Bird Life Schweiz viele Natur- und Vogelschutzvereine gerne bereit, Landwirte in ihrer Gemeinde zu beraten.

Auskünfte zum landwirtschaftlichen Vogelschutz erteilt auch Véronique Chevillat, Biodiversitätsberaterin am Forschungs-
institut für biologischen Landbau.

Viele Informationen und praktische Hinweise sind auf der Website «Biodiversität auf dem Landwirtschaftsbetrieb» zusammengetragen (siehe Link unten). Dort finden Sie auch eine Liste mit Beratungs- und kantonalen Fachstellen.

Weitere Informationen:
www.agri-biodiv.ch