Noch ist es ein Traum. «Im Frühjahr 2023 möchten wir mit einer Pilotanlage starten», sagt Katja Riem, Agronomin und SVP-Grossrätin aus Kiesen im Kanton Bern. Meistens sind gemeinsam formulierte Ziele ein erster Schritt, dass die Vision Wirklichkeit wird. An Zielstrebigkeit fehlt es Riem auf alle Fälle nicht. So auch nicht bei Marco Messerli. Der Obstfachmann und Meisterlandwirt von Messerlis Bioobst gab den Anstoss für das Agro-Photovoltaik-Projekt. Riem steuerte gerne ihr Fachwissen bei, setzte sie sich doch in ihrer Bachelorarbeit an der HAFL intensiv mit Photovoltaik auseinander.

Der Obstgarten der Zukunft

Und es geht vorwärts, nicht nur weil solche Anlagen jetzt in der Nicht-Bauzone bewilligungsfähig sind, sondern auch, weil die Behörden im Kanton Bern solchen Projekten offen gegenüberstehen. So wurde im Berner Grossrat in der Frühjahrssession ein Vorstoss der FDP angenommen, der fordert, dass der Regierungsrat die Rahmenbedingungen für Agro-PV definiert und die rechtlichen Grundlagen schafft, dass solche Anlagen im Kanton Bern bewilligungsfähig werden. Zudem soll der Regierungsrat Pilotanlagen im Kanton Bern fördern. «Auch Regierungsrätin Evi Allemann, Vorsteherin der Direktion für Inneres und Justiz, ist positiv eingestellt», sagt Riem. Politisch ist das Projekt gut aufgegleist. Wie steht es mit der Technik?

«Die Module sollen über einer Kernobstanlage stehen. Das ist Neuland», hält Riem fest. Und weiter: «Wir haben inzwischen definiert, wo eine solche Anlage zu stehen käme, nämlich auf 1,6 ha auf Messerlis elterlichem Betrieb im bernischen Kirchdorf.» Auch Partnerschaften seien geklärt, insbesondere mit Patrick Hofer von der Firma 3S Swiss Solar Solutions aus Thun. Ausstehend sind verbindliche Abmachungen mit den Hochschulen. «Aber die HAFL ist interessiert daran und vielleicht steigt auch Agroscope ein», sagt Riem. Aus so einer Pilotanlage ein Leuchtturmprojekt «Obstanlage von Morgen» zu machen, wäre toll. «Beispielsweise könnte man Synergieeffekte aus der Kombination mit automatisiertem Pflanzenschutz und autonomen Mähen schöpfen».

Kanton Luzern in den Startlöchern

Agri-Photovoltaik sei dort interessant, wo mit der PV-Anlage ein Zusatznutzen erzielt werden könne, findet Thomas Meyer, Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald, der als Teilnehmer die Fachtagung besuchte. Für die Einspeisung von Strom sei die örtliche Lage der Parzelle entscheidend, heisst möglichst nahe bei Industrie- oder Bauzonen.

Das Potenzial sei schwierig abzuschätzen, Meyer sieht primär bei Himbeeren oder auch im Obstbau Möglichkeiten. Im Kanton Luzern sei derzeit eine Vorabklärung für ein Pilotprojekt laufend. Und man sei in Kontakt mit Anbietern von Agro-PV-Anlagen betreffend Voraussetzungen für geeignete Flächen und Kulturen. Agro-PV in Kombination mit Spezialkulturen passe zur Luzerner Klima- und Energiepolitik und auch in das Projekt «Offensive Spezialkulturen», als mögliche Alternative zur intensiven Tierhaltung. Meyer verweist allerdings auch auf rechtliche Schwierigkeiten.

Mit an der Tagung war auch Heinz Schmid, Bio-Beerenanbauer aus Gelfingen und Präsident des Bäuerinnen- und Bauernvereins unteres Seetal. Er staunte, dass das Thema in der Schweiz im Vergleich zum Ausland erst am Anfang stehe. Vor allem agronomisch fehle das Wissen um die Konsequenzen, wenn über den Kulturen PV-Module montiert würden. Das theoretisch grosse Potenzial sei in der Schweiz in der Realität wohl eher klein, weil anders als im Ausland Ackerkulturen kaum in Frage kämen. Besonders bei Beeren und Obst könnte das sehr wohl ein Thema sein. Schmid hat ein Projekt für PV auf Himbeeren auf seinem Betrieb in Abklärung.