Kein europäisches Land meldet mehr Patente an als die Schweiz. «Die Schweiz ist siebenmal so innovativ wie der Durchschnitt in der EU», sagt Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rats. Er und weitere Vertreter aus den Bereichen Forschung, Start-up und Industrie referierten am Swiss-Food-Talk über die Gründe für und Bedeutung von Patenten, insbesondere in der Pflanzenzucht. 

Mit Patenten lassen sich neue Eigenschaften oder Techniken in der Pflanzenzucht für einen Zeitraum von 20 Jahren schützen. Im Gegenzug wird das Know-how um die Technologie der Öffentlichkeit zur Weiterentwicklung preisgegeben. Im Bereich Pflanzenzucht hilft dies nicht viel, solange neue Methoden in der Schweiz durch das Gentechnikgesetz verboten sind.

Patent als Wegbereiter

In der Wissenschaft helfen Patente beim Transfer von Wissen in die Gesellschaft, damit es dort seinen Nutzen entfalten kann. «Sie sind ein sozialer Vertrag zwischen Gesellschaft und Erfinder», so Michael Hengartner. Denn der Inhaber eines Patents muss seine Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich machen. Im Gegenzug erhält er dank des Innovationsschutzes ein zeitlich und geografisch begrenztes, exklusives Recht auf die Vermarktung seiner Erfindung. Dies ermöglicht anderen, die Erfindung weiter zu entwickeln und diese gegebenenfalls zu verbessern. 

Oft wird im Zusammenhang mit neuen Züchtungstechnologien aber die Befürchtung geäussert, dass diese zu einerPatentflut führen. Das glaubt Hengartner nicht. «Die neuen Technologien wie Crispr sind viel eher Wegbereiter als Hemmer. Sie werden die Innovation befeuern.»

Grosses Potenzial in der Landwirtschaft, aber ...

«Die Landwirtschaft muss klimaschonender und gleichzeitig an die Klimaveränderung angepasst werden», übernimmt Roman Mazzotta, Länderpräsident Syngenta Schweiz, das Wort. Pflanzenzüchtungen und neue Züchtungstechnologien spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch vielversprechende Technologien wie Crispr sind in der Schweiz und Europa verboten. «Forschung und Entwicklung findet dort statt, wo sie möglich ist. Wenn nicht in der Schweiz, dann in den USA, Australien oder Asien. Wandert dieses Know-how ab, kommt es nie mehr zurück», bedauert er. Die Schweiz müsse ihrem Forschungsstandort Sorge tragen. Forschung und Entwicklung brauche Technologieoffenheit und Schutz des geistigen Eigentums. Dazu gehöre auch, dass grosse wie kleine Firmen Patent-Fitness erwerben, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Denn Patentrechte gibt es überall auf der Welt.

Neue Züchtungsmethode gibt Hoffnung

Erich Bucher, Verwaltungspräsident von Epibreed AG, erlebe gerade, was es heisst, vom Gentechnikgesetz ausgebremst zu werden. Das Unternehmen Epibreed ist ein Spin-off (Ableger) der Universität Basel. Es verfügt über die exklusiven Kommerzialisierungsrechte eines Patents im Besitz der Universität. «Die Uni Basel verdient an unserem Patent mit. Wenn wir Geld verdienen, fliesst durch unser Geschäft Geld zurück in die Forschung», so Bucher. 

Patentiert wurde eine bestimmte Methode zur Pflanzenzüchtung – Tegenesis –, welches die Züchtung von stressresistenteren Pflanzen ermöglicht, die dann gegen Stressfaktoren wie Nässe, Hitze, Trockenheit, salzige Böden oder Schädlingsbefall gewappnet sind. Der Methode liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Pflanzen lernfähig sind und sich verändernden Situationen über die Zeit automatisch anpassen. Anpassungen an kurzfristige Veränderungen werden von der Pflanze normalerweise geblockt, z. B. eine zwei Wochen andauernde Hitzeperiode, d. h. die Pflanze verändert sich dadurch nicht. Mit Tegenesis kann der Lernblocker der Pflanze temporär umgangen werden, erklärt Bucher. Sie lernt, sich schnell an neue Stresssituationen anzupassen. Die so gezüchteten Pflanzen benötigen aufgrund ihrer Resistenzen weniger Ressourcen wie Wasser oder Pflanzenschutzmittel. 

Gesetz bremst Forschung aus

Doch Tegenesis fällt in der Schweiz unter das Gentechnikgesetz: «Solange unsere Erfindung nicht zugelassen ist, können wir das Patent nicht nutzen», sagt Erich Bucher frustriert. Die Zeit für den Patentschutz läuft derweil weiter ab. Seine neuesten Erfindungen lässt er deshalb nicht mehr patentieren: «Unsere neuen Erfindungen halten wir geheim. Das ist bedauerlich, denn beim Geschäftsgeheimnis wird das Wissen im Gegensatz zum Weg übers Patent nichtveröffentlicht. Andere Firmen können somit nicht darauf aufbauen.» 

Die forschende Industrie investiert jährlich hunderte Millionen Franken, um mit ihrer Reichweite Innovationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Patente garantierten den Unternehmen, dass sie für ihre grossen Investitionen entschädigt werden. Die kommerzielle Nutzung eines Patents durch Dritte bedarf in allen Branchen einer Lizenzvereinbarung. Im Saatgutbereich schaffen europaweit aktive Plattformen (Pinto, ILP-Vegetable, ACLP) mehr Transparenz, indem sie die Suche nach Patenten und die Aushandlung von Lizenzen vereinfachen.