AboAckerbauWarum Demeter die schönsten Böden hat und reduzierter Reifendruck nur bedingt hilftDienstag, 24. Januar 2023 Dass es in einem Teelöffel Erde mit etwa 10 Milliarden Mikroorganismen mehr Lebewesen hat als Menschen auf der Welt leben, mag schon so mancher gehört haben. Und auch die Besiedelung des Verdauungstrakts von Menschen und Tieren ist mittlerweile bekannte Tatsache. Wie allgegenwärtig Bakterien und andere Kleinstlebewesen sind, machte Gabriele Berg an der diesjährigen Nachhaltigkeitstagung von Agroscope klar: «Mit einem Apfel nehmen wir etwa 100 Millionen Mikroben auf», so die Biologin der Uni Graz (D). Dabei seien die Bakterien, Pilze und Viren nicht nur auf der Schale zu finden, sondern ebenso im Innern der Frucht – am zahlreichsten im Kerngehäuse.

Der Mensch greift ein

Die Untersuchungen von Gabriele Berg und ihrem Team haben gezeigt, dass Äpfel aus konventioneller und biologsicher Produktion zwar ungefähr dieselbe Anzahl Mikroben beherbergen, diese sich aber in ihrer Diversität stark unterscheiden. Wurden die Früchte aus Afrika nach Europa transportiert, so hinterliess die Lagerdauer ebenfalls Spuren in der mikrobiellen Besiedelung. «Im Vergleich zu frischen Äpfeln war weder optisch noch geschmacklich ein Unterschied feststellbar», schilderte Berg, «aber anhand der Mikroorganismen könnte man das Alter der Früchte schätzen».

Menschliche Aktivitäten haben der Forscherin zufolge das Mikrobiom (die Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem Lebensraum) der Pflanzen verändert, sodass man heute beim Verspeisen von beispielsweise Kohl nicht mehr dieselben Organismen aufnehme, wie das vor 100 Jahren der Fall gewesen wäre. Für Berg steht ausser Frage, dass Bakterien, Pilze und Viren auf Lebensmitteln einen grossen Einfluss auf die Gesundheit haben.

Dünger macht den Unterschied

Gabriele Berg sprach von einer Mehrfachkrise, in der sich die Menschheit befinde. Die Zunahme multiresistenter Keime und bodenbürtiger Krankheiten gehörten dazu. «Man müsste die Leistung von Landwirten, ein gesundes Bodenleben zu managen und Humus aufzubauen besser anerkennen», findet die Biologin. Schliesslich schlügen Mikroorganismen vom Boden aus via Lebensmittel die Brücke bis zur Gesundheit von Menschen und Tieren. Passend dazu lautete denn auch der Titel der Agroscope-Nachhaltigkeitstagung in diesem Jahr «Mikroorganismen – fleissige Helfer vom Feld bis in unseren Körper».

In punkto Veränderung des Mikrobioms hat Martin Hartmann von der ETH Zürich im Boden Ähnliches festgestellt wie Gabriele Berg bei der Untersuchung von Äpfeln: Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Bio- und konventionellen Systemen. Entscheidend dafür sei nicht der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz, sondern die Art und Weise der Düngung.

Auf Mangel eingestellt

Martin Hartmanns Ergebnisse stammen vom Langzeitversuch DOK, in dem seit 1978 die konventionelle Landwirtschaft mit Demeter und Bio verglichen wird. «Die Biomasse und Aktivität des mikrobiellen Bodenlebens sind höher bei Demeter und Bio, am tiefsten sind beide Werte bei rein mineralischer Düngung», erklärte der Forscher. Ohne Hofdünger tummelten sich ausserdem vor allem Mikroben, die an einen Nährstoffmangel angepasst sind. Sie konzentrierten sich auf Umwandlung und Aufnahme der vorhandenen Nährstoffe. Im Gegensatz dazu lebten in Bio-Böden eher Mikroorganismen, die organische Substanz abbauen und somit mit dem Stickstoffkreislauf in Verbindung stehen. «Bei Bio stellten wir mehr potenzielle Nützlinge im Boden fest», fuhr Hartmann fort. Das gemischte System des DOK-Versuchs, auf dessen Flächen sowohl organisch als auch mineralisch gedüngt wurde, lag in den Resultaten folgerichtig im Mittelfeld.

 «Es braucht Mischlösungen»

Wäre es nun also besser, möglichst ganz auf Bio zu setzen? So interpretiert Martin Hartmann seine Forschungsergebnisse nicht, denn die biologischen Erträge lägen schliesslich 15 Prozent unter den konventionellen. «Kompromisse, das ist meine Antwort», betonte er. Es werde massgeschneiderte Mischlösungen brauchen, Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutz zu verbieten sei der falsche Weg. «Wir brauchen aber einen sehr viel präziseren Einsatz von Kunstdünge rund Pflanzenschutzmitteln», ist Hartmann überzeugt.

 

Lupinen im Käsekessi

Der Einsatz von Mikroorganismen in der Lebensmittelherstellung hat etwa für die Produktion von Käse Tradition. Mit dem Ziel, die guten Eigenschaften von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln zu kombinieren, arbeitet Agroscope am «Hybpikäs». Dabei handelt es sich um einen «Hybridkäse», in dessen Teig Lupinen aus Schweizer Anbau zugegeben werden. In einem Pilotversuch hat sich Helena Stoffers mit ihrem Team vom Minikäse bis zum ganzen Hart- und Weichkäselaib vorgewagt, was sich nicht allzu einfach gestaltet habe. So sank etwa das Lupinenmehl auf den Boden des Käsekessis und das Endprodukt konnte längst nicht immer überzeugen. Mittlerweile seien aber brauchbare Rezepturen für fünf und 10 Prozent Lupinenanteil entwickelt, welche die Teilnehmenden der Nachhaltigkeitstagung degustieren konnten. Der einzige echte Käse im Test schnitt dabei allerdings in der Beliebtheit am besten ab – obwohl es sich um einen Mutschli handelte, der für den Verkauf noch zu wenig gereift gewesen wäre.

Laut Helena Stoffers ist nun geplant, mit Hybpikäs aus Lupinen aus Schweizer Berglandwirtschaft ein Regionalprojekt im Bündner Safiental aufzugleisen.

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Mit Konkurrenz gegen Feuerbrand

Zur Behandlung von Feuerbrand in Obstkulturen war lange das Antibiotikum Streptomycin bekannt. An der Nachhaltigkeitstagung stellte German Bonilla-Rosso, Agroscope, einen anderen Ansatz aus der laufenden Forschung vor: Ein Bakterium derselben Gattung wie der Feuerbrand-Erreger (Erwinia) könnte auf die Blüten gefährdeter Obstblüten ausgebracht werden. Als Konkurrenz für den Erreger solle es eine Infektion verhindern. Gemäss der aktuellen Bekämpfungsstrategie des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) setzt man in der Schweiz auf das Abschneiden und Vernichten befallener Teile von Wirtspflanzen, um eine Ausbreitung des Feuerbrands zu verhindern.