Die Abbauprodukte (Metaboliten) des seit Ende 2019 in der Schweiz nicht mehr zugelassene Fungizids Chlorothalonil wurden im abgefüllten Evian-Mineralwasser gefunden, titeln verschiedene Medien (z. B. Sonntagszeitung20 Minuten). Dabei bezieht man sich auf eine Studie, die im Juni zu den Forschungsergebnissen nationalen Grundwasser-Monitorings Naqua veröffentlicht worden ist.   

Evian normalerweise zum Kalibrieren verwendet 

In Laboren werde Evian-Mineralwasser üblicherweise verwendet, um Geräte vor der Analyse zu kalibrieren, heisst es in der Studie. Man untersuchte in dieser Forschungsarbeit aber auch die Belastung des in Pet-Flaschen abgefüllten Mineralwassers und fand tatsächlich einen der laut Naqua in der Schweiz am häufigsten auftretenden Chlorothaolil-Metaboliten (R471811) darin. 

Kleine Mengen können gefunden werden

Mit modernen Analyse-Verfahren ist es möglich, auch kleinste Rückstände einer Chemikalie zu messen. Das Limit of Quantification (LOQ) liegt bei Chlorothalonil-Rückständen heute bei 0,2 bis 10 Nanogramm pro Liter, was 0,0002 bis 0.01 Mikrogramm pro Liter entspricht.

16mal unter dem Grenzwert

Im Evian-Wasser wurde der Metabolit R471811 in einer Konzentration von 6 Nanogramm pro Liter (0,006 Mikrogramm pro Liter) gefunden. Da Chlorothalonil selbst und damit nach geltendem Recht automatisch auch sämtliche Abbauprodukte dieses Wirkstoffs als wahrscheinlich krebserregend bezeichnet werden, gilt für diese Stoffe der vorsorgliche Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter im Trinkwasser. 

Die im Evian gefundene Konzentration liegt demnach über 16mal unter diesem Grenzwert und das Wasser sollte daher gesundheitlich unbedenklich sein. 

 

15 Jahre durchs Gestein filtern nicht genug

Laut Herstellerangaben ist Evian-Wasser 15 Jahre durchs Gestein geflossen, bevor es in der Flasche landet. Somit muss die Kontamination mit Chlorthalonil, bzw. dessen Metaboliten, bereits vor Jahren passiert sein.

Zwar wird das Wasser beim Durchgang durch den Fels mit Mineralien angereichert und von Schadstoffen gereinigt, Pflazenschutzmittel-Rückstände können aber sehr hartnäckig sein. Wie das Wasserforschungsinstitut in einem Faktenblatt erklärt, widerstehen die Metaboliten von Chlorothalonil auch den üblichen Reinigungsverfahern der Wasseraufbereitung (UV-Desinfektion, Behandlung mit Ozon, Oxidationsverfahren, Aktivkohle-Filter). Einzig frische Aktivkohle (die entsprechend kostenintensiv ständig erneuert werden müsste) funktioniert nach jetzigem Wissenstand laut Eawag als Filter für den verbreiteten Metaboliten R471811.   

Werden die zulässigen Grenzwerte im Trinkwasser überschritten, mischen Wasserversorger heute saubereres Wasser hinzu, bis die Mengen auf eine unbedenkliche Konzentration verdünnt ist. 

 

Chlorotahlonil ist weiter verbreitet als gedacht

Kann man nun sagen, dass angesichts der tiefen Konzentration kein Grund zur Beunruhigung besteht? Nicht unbedingt, denn bisher ging man davon aus, dass Chlorothalonil und seine Abbauprodukte vor allem in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten im Grund- und Oberflächenwasser gefunden werden. 

Die Studie fand diese Chemikalien aber auch im Zürichsee (5 Nanogramm pro Liter) und im Rhein (53 Nanogramm pro Liter). Frei davon war hingegen Regenwasser. 

Woher kommt der Metabolit im Evian?

Wie Chlorothalonil-Abbauprodukte ins Evian gekommen sind, ist unklar. Schliesslich liegen die Quellen für dieses Mineralwasser laut Hersteller »im Herzen der Alpen», wo keine intensive Landwirtschaft betrieben wird. 

Allerdings ist bekannt, das Wirkstoffe über weite Distanzen transportiert werden können. So fand die Eawag Anfang Jahr heraus, dass das 2004 verbotene Fungizid Hexachlorbenzol sich in polaren Regionen konzentriert und sich im Fett von Buckelwalen anreichert.   

Chemikalien bleiben selten an Ort

Wie weit sich ein Wirkstoff oder seine Metaboliten verbreiten können, hängt von ihren chemischen Eigenschaften ab. Hexachlorbenzol gilt als flüchtig, Chlorothalonil laut dem deutschen behördlichen Zulassungsbericht hingegen nicht. Seine Abbauprodukte werden hingegen als deutlich mobiler eingeschätzt. 

Dass Pflanzenschutzmittel generell verfrachtet werden können, zeigte auch eine Studie der Universität Neuenburg: 2019 wurde darin gezeigt, dass Bioäcker mit Neonicotioniden belastet sind, die von herkömmlichen Betrieben stammten. 

 

Zusammenfassung und Fazit

  • Die Menge des im Evian gefundenen Chlorothalonil-Metabolits liegt unter dem gesetzlichen Grenzwert.
  • Dass Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte in Wasser von unterschiedlicher Herkunft gefunden werden, ist beunruhigend, aber leider nicht ganz unerwartet.
  • Dazu tragen aber auch die immer besser werdenden Analyse-Verfahren bei.
  • Wie bedenklich die Metaboliten von Chlorothalonil sind, wird noch debattiert.
  • Wo die Grenzwerte überschritten werden, sorgen Trinkwasser-Versorger dafür, dass vom Schweizer Trinkwasser keine Gefahr ausgehen sollte. 
  • Chlorothalonil hat seine Zulassung in der Schweiz verloren und darf weder verkauft noch verwendet werden.
  • Das Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln steht in der Kritik und soll optimiert werden