Im Vergleich zur Einwohnerzahl ist die Schweiz weltweit führend im Bereich Patente und behauptete auch letztes Jahr die Spitzenposition im «Global Innovation Index» der Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO. Besonders in der medizinischen Forschung, im Pharmabereich, in der Biotechnologie und Chemie sowie der Präzisionsmessung, einschliesslich der Uhrmacherkunst, ist die Schweiz international führend. Gerade bei der Patentierung im Lebensmittelbereich werden aber auch immer wieder Bedenken geäussert.

Profit für die einen

In diesem Zusammenhang nahm die Plattform Swiss-Food – hinter welcher der chinesische Konzern Syngenta und die deutsche Firma Bayer stehen – die Thematik an ihrem Swiss-Food-Talk vom 15. August 2023 auf. Dabei wurden vor allem die Vorteile des Patentschutzes herausgestrichen. So vertrat Anaïc Cordoba, ein Rechtsexperte des Instituts für geistiges Eigentum IGE, die Ansicht, dass Patente eine essentielle Grundlage für eine robuste und innovative Wirtschaft darstellten. Patente schützten nicht nur geistiges Eigentum – durch die erforderliche Veröffentlichung der Patentinformationen entstehe zudem auch Transparenz, wodurch die Gesellschaft ebenfalls davon profitiere, erläuterte er. Andere Personen und Unternehmen könnten auf die ausführliche Beschreibung der Erfindung zugreifen und dieses Wissen nutzen.

Nikolaus Thumm, wissenschaftlicher Berater des ETH-Rates, betonte ausserdem die wirtschaftliche Bedeutung von Patenten für Unternehmen. Diese nutzten die Patente, um sich mit besseren Markt- und Wachstumschancen einen Wettbewerbsvorteil und mit dem Patentschutz von 20 Jahren ein befristetes exklusives Nutzungsrecht zu verschaffen. Davon macht auch der ETH-Bereich in der Schweiz Gebrauch: So wurden im Jahr 2022 insgesamt 310 Erfindungen gemeldet.

Die eidgenössischen Hochschulen und Forschungsanstalten hätten ein Interesse daran, dass die Grundlagenforschung auch in gesellschaftlich relevante Anwendungen übergehe, erklärte er. Hierbei spielten Spin-offs eine wichtige Rolle, die aktiv vom ETH-Bereich unterstützt würden. Dies verdeutlicht laut Nikolaus Thumm auch eine weitere Facette der Bedeutung von Patenten: Patente fungierten als Indikatoren für potenzielle Investoren. Ein Spin-off, das über Patente verfüge, könne leichter finanziert werden. «Ohne Patente und Lizenzen geht es nicht – die Schweizer Wirtschaft ist auf den Patentschutz angewiesen», meinte Nikolas Thumm anlässlich des Swiss-Food-Talks.

Nachteile für die anderen

Weltweit melden grosse Firmen die meisten Patente an und machen damit Kasse – darunter auch Bayer und Syngenta. Sowohl Bayer als auch Syngenta besitzen mehrere tausend Patente, werden unter anderem für ihre Patentierungen im Saatgut- und Zuchtbereich aber seit Jahren auch stark kritisiert. Diese Patent- und Sortenrechte gewähren den beiden Konzernen eine exklusive Kontrolle über Saatgut und Ernten, ebenso wie Lizenzrechte für den Wiederverkauf. Und dies, obwohl gemäss dem europäischen Patentübereinkommen EPÜ weder Pflanzensorten noch Tierrassen, ebenso wie «im Wesentlichen biologische Verfahren» zur Züchtung von Pflanzen und Tieren, nicht patentierbar sind.

«Seit Jahren umgehen diese Unternehmen mit Kniffen und Schlupflöchern aber dieses Übereinkommen und unser Gesetz», erklärt François Meienberg, Projektleiter Saatgutpolitik bei ProSpecieRara. Das etwas schwammig formulierte Gesetz biete Interpretationsspielraum, den diese Konzerne clever nutzten: «So ist es nicht möglich ein Patent für eine einzige Sorte zu erhalten – ein Patent für eine neu entdeckte Eigenschaft, die verschiedenen Sorten angezüchtet werden kann, zu erhalten, ist aber möglich», erläutert er weiter. Die bittere Ironie dabei: So kann ein Patent nicht nur eine Sorte, sondern unter Umständen tausende Sorten umfassen, welche diese Eigenschaft aufweisen.

«Noch abstruser ist ausserdem die Tatsache, dass die Entdeckung beispielsweise einer Mehltauresistenz bei einer wilden Spinatsorte ja nicht per se eine Erfindung, sondern eine Entdeckung ist – die Resistenz kommt natürlich vor und muss im Erbgut der Pflanze nur gefunden und markiert werden», François Meienberg. So habe Syngenta vor Kurzem ein Patent auf alle kommerzialisierbaren Peperoni erhalten, die resistent gegen die Weisse Fliege sind. Für den Erhalt des Patents ausschlaggebend war, dass der Neuigkeitscharakter insofern gegeben war, dass die Resistenz im vorliegenden Fall nicht mehr nur in der wilden Sorte zu finden war, sondern neu eben auch in kommerziellen und hybriden Sorten.

Patentschutz

Um die Voraussetzungen für die Gewährung eines Patents zu erfüllen, müssen drei Kriterien erfüllt sein: Zunächst muss die Erfindung Neuigkeitscharakter aufweisen, des Weiteren ist eine gewisse Stufe an Originalität erforderlich. Das bedeutet, dass die Idee nicht zu offensichtlich sein darf, selbst für Fachleute auf dem betreffenden Gebiet. Und als dritter Punkt muss die Erfindung in der Lage sein, industriell reproduziert zu werden.

Patente sind in der Regel auf nationaler Ebene gültig, neben dem Schweizer Patent existieren aber auch europäische und globale Patente. Daher kann der Umfang des Patentschutzes variieren.

Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum IGE fungiert nicht nur als staatliche Behörde, sondern auch als Dienstleister. Es unterstützt Unternehmen unter anderem bei der Recherche nach bestehenden Patenten. Diese Recherche ist von besonderer Bedeutung, da geklärt werden muss, ob die betreffende Erfindung bereits existiert.

Patente vs. Sortenschutz

Derweil argumentiert Syngenta, dass Patente als Anreiz für innovative Entwicklungen dienten. Sowohl Erzeuger als auch Verbraucher profitieren von diesen Neuerungen. Sie ermöglichten es Landwirtinnen und Landwirten, ihre Produktivität zu steigern und gleichzeitig den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Das sei Augenwischerei, meint François Meienberg, denn die Auswirkungen für Züchter und schlussendlich für die Bäuerinnen und Bauern würden unter den Teppich gekehrt. Dieser Ansicht ist auch der Schweizer Bauernverband: So spiele die Vergabe von Patenten eine Rolle bei der verstärkten Konzentration der Marktmacht im Bereich des Saatguts. Ein Beispiel hierfür seien Zuckerrüben, bei denen vier Unternehmen etwa 86 Prozent des Marktanteils kontrollierten und acht Unternehmen zusammen 99 Prozent des EU-Marktes dominierten.

«Ausserdem gibt es bei der Pflanzenzüchtung in Europa einen sehr wirkungsvollen Sortenschutz, welcher für die Besonderheiten der Pflanzenzucht entwickelt wurde und spezifisch auf diese eingeht», erklärt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband. Damit werde der Schutz für das geistige Eigentum und die Investitionen, die in diesem Bereich geleistet würden, gewährleistet, ergänzt François Meienberg: «Der Sortenschutz bietet für den Erfinder alle Annehmlichkeiten eines Patents, ausser dass mit den neuen Sorten frei weitergezüchtet werden darf – diese also weiterentwickelt werden können.» Eine Patentierungen unterbinde hingegen den freien Zugang zu diesen Sorten, was auch die Innovation bremse.

Zukünftige Herausforderungen

So würden Patente die Tier- und Pflanzenzucht stark einschränken, sagt Sandra Helfenstein. Wenn nur wenige Anbieter das Angebot und die Preise für Saatgut bestimmten, führe das zu steigenden Preisen und beeinflusse die genetische Vielfalt unserer Kulturpflanzen. Ausserdem orientiere sich die Entwicklung neuer Saatgutsorten oft an Hochertragssorten, während widerstandsfähige Sorten mit Resistenzen oder solche, die den lokalen Bedingungen und dem Klimawandel angepasst seien, weniger Beachtung finden würden. «Die Züchtung von neuen Sorten und Rassen ist für die Schweizer Landwirtschaft in jeder Hinsicht essenziell – nur so werden auch in Zukunft leistungsfähige sowie angepasste Sorten und Rassen zur Verfügung stehen, welche den Ansprüchen von Landwirtschaft und Gesellschaft gerecht werden», so Sandra Helfenstein.

Innerhalb der Organisationen «No Patents On Seeds» setzt sich ProSpecieRara derweil für eine grundlegende Änderung im Europäischen Patentrecht bei Biotechnologie und Pflanzenzüchtung ein: So sollen konventionelle Verfahren zur Züchtung, Zuchtmaterial, Tiere, Pflanzen und daraus gewonnene Lebensmittel durch eindeutige Regelungen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden. Es habe sich in den letzten Jahren auch schon etwas bewegt und auch in der Schweiz sei man daran, das Patentgesetz zu verbessern, hin zu mehr Transparenz, erklärt François Meienberg: «Mit den neuen Gentechniken kommt die Patentthematik aber wieder stark auf – da gibt es erneut Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Regulierungsbehörden.» Entsprechend werde es auch in Zukunft noch ganz viel zu diskutieren geben.