Für Ursula Nold war es kein Heimspiel. Die Präsidentin des Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) wollte in ihrer Präsentation am Swiss Agro Forum am Freitag in Bern zeigen, wie innovativ und zukunftsgerichtet der MGB ist. Sie wollte zeigen, wie gut Migros mit ihren Partnern zusammenarbeitet und ihre Verantwortung wahrnimmt. Gelungen ist ihr das nur zum Teil.

Nold musste am Ende ihrer Präsentation nämlich erklären, warum Migros bei Bio-Produkten Plastikverpackungen einsetzt. Sie musste erklären, warum die Preissenkung im Detailhandel alternativlos ist; Nold räumte denn auch ein, dass Migros nach wie vor Schwierigkeiten hat, mit der Konkurrenz im Detailhandel umzugehen: So gingen die Umsätze nach wie vor zurück, in der Industrie nimmt der Konkurrenzdruck ebenfalls zu.

Bessere Angebote, sonst gehen Kunden verloren

Die Genossenschaften geniessen laut Ursula Nold generell ein hohes Vertrauen; nur Familienunternehmen schneiden noch besser ab als Genossenschaften wie die Migros. Wie Nold gegen Ende ihrer Präsentation betonte, müsse Migros „den Kunden bessere Angebote machen.“ Nold zeigte sich überzeugt davon, dass es keine andere Option gebe. „Der Kunde steht vor dem Regal, vergleicht die Produktpreise mit der Konkurrenz. Entweder können wir da mithalten und haben ein gutes Angebot und sonst haben wir die Kunden nicht mehr“, so Nold.

Es liegt auf der Hand, dass Migros hier automatisch Konflikte mit den Lieferanten aushalten oder austragen muss. Entsprechende Fragen kamen dann auch aus dem Publikum: Rene Schwager, CEO vom Milchhändler Mooh wollte wissen, ob die Migros-Industrie für die Konkurrenzfähigkeit vermehrt in ausländischen Märkten aktiv werden will. Ursula Nold betonte, dass die Migros-Industrie im Bereich der Frischprodukte ganz klar auf die Belieferung der Migros-Filialen ausgerichtet bleiben. Elsa werde auch weiterhin ihre Milchprodukte in der Schweiz verkaufen und sich kaum auf ausländischen Märkten diversifizieren. Anders sei das bei Schokoladen, Kosmetik- und ähnlichen Produkten. Dort seien die Unternehmen schon heute auf internationale Märkte ausgerichtet.

Landwirt Markus Dietschi aus Seuzach nutzte die Gelegenheit, um Nold zu fragen, ob sie sich bewusst sei, wie schwierig die Ausgangslage bei den Landwirten sei. Er verwies auf die stetig sinkenden Produzentenpreise und die Absatzschwierigkeiten. Nold erwiderte, dass die Migros in sehr engem Austausch mit seinen Lieferanten stehe und sehr genau wisse, wie es den Landwirten gehe. „Es ist nicht so, dass sich die Migros auf dem Buckel der Bauern bereichert“, so Nold.

Sieben Merkmale von Genossenschaften

Allen Problemen und Schwierigkeiten zum Trotz nutzte Ursula Nold ihren Auftritt auch, um die Merkmale von Genossenschaften zu beleuchten. Sie zählte insgesamt sieben Eigenschaften auf:

  1. Die Basis ist das oberste Organ. Genossenschaften sind davon geprägt, dass die „Basis das oberste Organ ist“. Wie Nold sagte, können die Genossenschafter indirekt mitwirken und die Entwicklung einer Unternehmung mitbeeinflussen. Für die Besetzung der entsprechenden Gremien habe Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler bereits in den fünfziger-Jahren gewünscht, dass die Hälfte der Gremien mit Frauen besetzt werden sollen.
  2. Genossenschaften sind von Langfristigkeit geprägt. Wie Ursula Nold sagte, sei es gemäss Obligationenrecht gar verboten, kurzfristig Kapital aus der Unternehmung zu nehmen. Nold betonte in ihrer Rede, dass die Migros bzw. der MGB die Partnerschaften mit Lieferanten sehr aktiv pflege. Sie betonte die Marktposition von Micarna und Elsa, die praktisch ausschliesslich Schweizer Rohstoffe verarbeiten und deren Anspruch es sei, auch künftig die Partnerschaften mit den Lieferanten positiv zu gestalten.
  3. Der Gewinn kommt der Allgemeinheit zugute. Wie Ursula Nold betonte, wurde das daraus folgende Engagement im Rahmen des Migros-Kulturprozents bereits 1957 in den Statuen verankert. Die Förderung durch das Kulturprozent ist an keine Gegenleistung gebunden. Bedingung für die Förderung ist, dass die Projekte der Allgemeinheit dienen.
  4. Geringes Übernahmerisiko. Wie Ursula Nold sagt, sei es ein wesentlicher Vorteil der Genossenschaften, dass sie nicht übernommen werden. Durch die Eigentümerstruktur ist es für Hegde-Fonds oder andere Investment-Firmen nicht möglich, „einfach kommen und die Firma zu übernehmen.“
  5. Genossenschaften sind soziale Arbeitgeber. Wie Ursula Nold betonte, ist die Migros der grösste private Arbeitgeber der Schweiz. In Genossenschaften verdiene man in der Tendenz zudem weniger, allerdings würde man genau jene Leute finden, die sich für die Werte der Genossenschaft stark machen würden. Dass Migros keine Boni bezahle und auch sonst keine Lohnexzesse rechtfertigen müsse, wertet Ursula Nold entsprechend positiv.
  6. Lokale Verankerung. Ursula Nold betont zudem, dass die Lokale verankerung und überregionale Vernetzung der Migros eine starke Position verleihe. Einerseits wird das Frische-Sortiment regional bewirtschaftet; andererseits wird in Bereichen wie der IT über den gesamten Genossenschaftsbund entschieden.
  7. Innovationsfähigkeit. Wie Nold letztlich betonte, sei Migros durch ihre Mitglieder besonders Innovationsfähig. Nold verwies auf Migipedia, die Migros-eigene Community, die helfe, Migros vorwärts zu bringen.

Genossenschaften haben ein paar strukturelle Nachteile

Die Organisation von Genossenschaften führt auch zu strukturellen Nachteilen. Wie Ursula Nold einräumte, ist die Corporate Governance bei den komplexen Strukturen schwierig zu gewährleisten. Hier geht es namentlich um die notwendige Transparenz, die nur mit zusätzlichen Anstrengungen aufrechterhalten werden kann. Zudem würden die Genossenschafter eher anonymes Dasein fristen. Zusätzlich ist die Kapitalbeschaffung für die Genossenschaften schwierig; die Innovationsfähigkeit der Migros ist deshalb beschränkt, weil die meisten Mitglieder in der Tendenz eher auf bewährtes setzen, statt auf Neuentwicklungen. So liess Nold auch aus, dass gerade im Bereich von disruptiven Innovationen vor allem Zukäufe für die Entwicklung der Migros verantwortlich waren. Um nur zwei Beispiele zu nennen: weder Digitec-Galaxus noch Denner wurden von Migros gegründet, stattdessen wurden beide Unternehmen akquiriert.

 

Swiss Agro Forum

Das Swiss Agro Forum behandelt in erster Linie Management-Themen und richtet sich an Kaderleute aus der Land- und Ernährungswirtschaft und fand heuer zum achten Mal statt. Wie Organisator Matthias Zurflüh bei der Begrüssung sagte, soll das Forum genügend Zeit zum Netzwerken schaffen – dem wurde mit genügend Pausen Rechnung getragen.

 

Nold nahm in ihrem Referat auch Bezug auf die Geschichte von Migros. So fiel die Gründung der Migros in eine Zeit, in der die Bevölkerung noch rund die Hälfte ihres Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel ausgeben musste. Der Lebensmitteleinzelhandel war von vielen kleinen Unternehmen geprägt, die die Produkte zusätzlich verteuerten. Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler wollte ein Unternehmen schaffen, dass den Kunden bessere Preise und Produkte bot und stach in ein Wespennest. Weil die Lieferanten nicht zu den vorgegebenen Konditionen liefern wollten, war Duttweiler gezwungen, in eigene Verarbeitungsinfrastruktur zu investieren.

Heute ist die Situation etwas anders: Migros hat mit Coop eine relativ marktmächtige Position, derweil die Ausgaben für Nahrungsmittel betragen aktuell gerade noch neun Prozent. Der Migros-Zweck hat sich aber nicht verändert. Wie Ursula Nold sagt, diene die Genossenschaft Migros den Menschen. Die Migros handle innerhalb der Genossenschaft als auch im Zusammenspiel mit Kunden, Lieferanten und Behörden verantwortungsbewusst. Nold legte Wert auf die Darstellung, dass die Migros bis heute auf die Grundprinzipen von Gründer Gottlieb Duttweiler aufbaue.

Die Migros-Gemeinschaft erwirtschaftet einen Ertrag von 28,5 Milliarden Franken. Die Genossenschaft beschäftigt 106 622 Mitarbeitende, bildet 3833 Lernende aus und vergibt rund 136,5 Mio Franken im Rahmen des Migros-Kulturprozents.