«Wir befinden uns in einem abgelegenen Tal im Berner Jura. Der dicke Nebel zaubert eine mystische Stimmung, und der moosige Waldboden ist mit Tannennadeln übersät. Es riecht harzig, feucht, extrem geheimnisvoll …» Fritz Sommer, Teilnehmer am laufenden Käsesommelierkurs, schneidet sein Mutschli in mundgerechte Stücke, während er vom herb-würzigen Aroma mit Lakritzgeschmack erzählt. 

Eine Geschmacksexplosion im Gaumen will er den Anwesenden bieten mit seinem Käslein, das er während der vergangenen Wochen mit viel Liebe, Absinth, Wacholder, täglichem Wenden und der Aufbewahrung in einer Sagexbox im heimischen Keller gehegt und gepflegt hat. Als Getränk dazu würde er dem Gast ein Waldbier oder einen spontanvergorenen Wein empfehlen. Die Degustierenden nicken begeistert. Der Käse mundet, und das «Storytelling» ist ihm gelungen. Auch die Kursleiter sind zufrieden – und Fritz Sommer strahlt.

 

So wird man Käsesommelier

Der Diplomlehrgang zum Käsesommelier bietet ein breites Fachwissen rund um den Käse an und wird mit einer Prüfung abgeschlossen. Diese besteht aus einem schriftlichen Teil, sensorischen Aufgaben
und einer mündlichen sowie praktischen Prüfung. 

Die Ausbildung wird in sechs Zweitagesmodulen oder als Zweiwochen-Blocklehrgang angeboten. Die Module werden ortsunabhängig bei Herstellern, Organisationen und Händlern durchgeführt, dadurch kann die grösstmögliche Praxisnähe geboten werden. Alle Dozenten sind ausgewiesene Fachleute aus den entsprechenden Themenbereichen.  

Mehr Informationen zum Lehrgang findet man hier.

 

Jedem Käse seine Geschichte

Im Restaurant «Trübli» in Winterthur findet eben das fünfte Modul des Diplomlehrgangs zum Käsesommelier statt. Drei Frauen und drei Männer präsentieren ihre Hausaufgaben. Alle haben sie beim ersten Modul ein kleines «Sarnerli» (Mutschli) mit nach Hause bekommen, das sie nach Lust und Laune und anhand von verschiedenen Zutaten oder Lagerungen veredeln, im Fachjargon affinieren, mussten. Der Reihe nach präsentieren sie «ihre» Käslein. Sie erzählen Geschichten, vom Räucherofen am Schnebelhorn ZH, von getrockneten Wildkräutern, von Leinsamen, Tannenschössli und Heideblüten, die alle Krankheiten heilen. Aber auch vom Munitionskeller im hoch gelegen Habkern BE, im Angesicht von Eiger, Mönch und Jungfrau, und dass man den Käse sicherlich «Habkernschuss» nennen würde. 

Jenny Wittenwiler nennt ihren Käse «Antonio». Sie hat ihn mit Honig ummantelt und Blüten daran gepresst. Als Getränk würde sie Pfefferminztee dazu servieren. Die beiden Initianten des Lehrgangs, Gabriela Frei und Philipp Aggeler, sind begeistert vom Ideenreichtum der Teilnehmenden und den unterschiedlichen Veredelungen. «Die Kursteilnehmer haben die Sensorik verstanden und gemerkt, dass hinter jedem Käse eine andere Geschichte steckt.

Die hohe Schule des Käsegenuss

Gabriela Frei übernahm vor 13 Jahren, zusammen mit ihrem Mann die Aktienmehrheit einer mittelgrossen Raclette-Käserei im Kanton Obwalden. Mit ihrem Engagement im Käsebusiness, den Besuchen vieler Fachmessen im In- und Ausland und einem absolvierten Käsesommelier-Lehrgang, merkte sie, dass sie einen neuen, umfassenderen Diplomlehrgang auf die Beine stellen will. «Ich will aus der hohen Schule des Käsegenusses eine noch höhere Schule machen und entsprechende Lehrgänge mit Abschlussdiplom anbieten, sagt sie. «Dem Käseland Schweiz sind wir das schuldig», ist sie überzeugt. 

Allein hervorragenden Käse herzustellen, genüge heute nicht mehr. Alle, die Käse verkaufen, in Restaurants und Hotels kredenzen oder auch als ­Tavolata-Gastgeberin das traditionelle Lebensmittel anbieten, müssen über die Käseherstellung, die Geschichte und die Sensorik der unterschiedlichen Käsearten Bescheid wissen, ist sie überzeugt.

Zudem sei es wichtig, Fehler zu erkennen, von Markenrechten eine Ahnung zu haben und Lactose- und Gluten-Intoleranzen zu kennen. Auch müssen Gastgeber und Gastgeberinnen eine Ahnung haben von Trends, Innovationen und Lifestyle, aber auch das politische Umfeld von Produzenten und Käsereien müssen sie kennen.

Enormes Interesse der Teilnehmer

All diese Anforderungen an eine kompetente Diplomausbildung hat sich Gabriela Frei, zusammen mit ihren beiden Mitinitianten Philipp Aggeler, Brauer und Mälzer sowie diplomierter Getränketechniker und Biersommelier, und der Weinbäuerin Gertrud Bachmann mit dem Diplomlehrgang Käsesommelier erfüllt. Mit sechs Teilnehmenden seien sie vor ein paar Monaten zum ersten Lehrgang gestartet, und es zeige sich, dass ihr Entscheid richtig war. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien alle bis auf einen in der Käseproduktion oder im Verkauf tätig und enorm interessiert am Gebotenen, sagt Frei. 

Der Verein, den die Initianten als Rechtsform für den Lehrgang gewählt haben, muss natürlich auch betriebswirtschaftlich über die Runden kommen. Deshalb würden künftig ungefähr neun Kursteilnehmer angestrebt.